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Teslas Giga-Factory in Grünheide: Kampf ums Wasser hat Deutschland erreicht


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Tesla ist nur der Anfang
Der Kampf ums Wasser hat Deutschland erreicht


Aktualisiert am 23.03.2022Lesedauer: 7 Min.
Fertige Teslas vor der neuen Fabrik in Brandenburg: Für Firmenchef Elon Musk (rechts) ist die Eröffnung der Fabrik ein wichtiger Meilenstein.Vergrößern des Bildes
Fertige Teslas vor der neuen Fabrik in Brandenburg: Für Firmenchef Elon Musk (rechts) ist die Eröffnung der Fabrik ein wichtiger Meilenstein. (Quelle: Christian Thiel/Patrick Pleul/imago-images-bilder)

Kaum ein Bundesland kämpft so sehr mit Wasserknappheit wie Brandenburg. Trotzdem fließen riesige Mengen in Teslas neue Vorzeigefabrik bei Berlin. Ein Streit um die wichtigste Ressource der Welt.

Elon Musk ist zurück, um zu feiern: Seine Gigafactory in Grünheide ist fertig. Eine halbe Million Wagen sollen hier bald jedes Jahr vom Band laufen. Die Politikprominenz ist geladen, die Presse ebenfalls. Und auch der Zeitpunkt ist clever gewählt.

Ausgerechnet am Weltwassertag läuft in Grünheide nun offiziell die Produktion an. Es wirkt wie eine unterschwellige Botschaft an die Anwohner und Umweltschützer, die Angst haben, dass die Megafabrik ihnen das Grundwasser absaugt: Regt euch ab! Doch so leicht ist es nicht.

So viel Wasser wie eine mittelgroße Stadt

Pro Jahr benötigt das neue Werk bis zu 1,4 Millionen Kubikmeter Wasser, so steht es in den Genehmigungsunterlagen. Das entspricht ungefähr dem Wasserverbrauch einer Stadt mit 30.000 Einwohnern. So wie Bad Hersfeld, Altenburg, Walsrode oder Weil am Rhein.

Einigen gilt das bereits als großer Erfolg beim Wassersparen. Im ersten Antrag an die Brandenburger Behörden hatte Tesla noch ein mehr als doppelt so hohes jährliches Wasservolumen einkalkuliert – bis zu 3,3 Millionen Kubikmeter.

Moderne Herstellungsverfahren beim Autobau und vor allem bei der üblicherweise sehr wasserintensiven Batterieherstellung hätten den erwarteten Verbrauch allerdings deutlich gesenkt, heißt es aus dem Unternehmen.

Dass auch die angepasste Wassermenge noch enorm ist, zeigt der Vergleich innerhalb Brandenburgs. Wäre Teslas Gigafabrik tatsächlich eine Stadt, würde sie es auf Platz 13 der durstigsten Städte des Landes schaffen. Für Elon Musk längst noch kein Grund zur Sorge.

"Sieht das für Sie hier etwa nach Wüste aus?", witzelte er im Sommer 2021, als bei einer Baustellenbesichtigung das Thema Wasserverbrauch aufkam. Überall in der Region gebe es Wasser, außerdem regne es sehr viel – etwas anderes zu behaupten sei lächerlich, fand Musk.

Sein darauffolgender Lachanfall steckte auch Armin Laschet an, der damals noch in Grünheide auf Wahlkampftour für die CDU war. Fakt ist: Musks Fabrik steht in einem der trockensten Bundesländer in Deutschland.

Das Wasserproblem liegt metertief unter der Erde

Auf den ersten Blick ist das allerdings nicht sofort zu erkennen – erst recht nicht, wenn man sich Brandenburg aus der Vogelperspektive eines Hubschraubers oder Privatjets anschaut.

Hier gibt es mit Abstand die meisten Seen in der Bundesrepublik. Das Land zählt rund 3.000 stehende Gewässer, auch rund um Grünheide sind auf der Landkarte viele große und kleine blaue Flächen eingezeichnet. Zumindest noch.

Denn einige Seen in Brandenburg existieren bereits nur noch im Atlas und auf Google Maps. So beispielsweise der Fresdorfer See, bis vor wenigen Jahren ein Grundwassersee südlich von Potsdam. 20.000 Jahre lang lag er dort, bevor ihn die viel zu trockenen Sommer der vergangenen Jahre aus der Landschaft wischten. Denn das Wasserproblem in Brandenburg liegt in der Erde versteckt.

Auf Satellitenbildern sieht man es bereits: Deutschland gehört zu den Erdregionen, die am stärksten von Wasserverlust betroffen sind. Allein in den vergangenen 20 Jahren hat die Bundesrepublik so viel Wasser verloren, wie der Bodensee enthält, so die Auswertung des Global Institute for Water Security der University of Saskatoon in Kanada.

Das jüngste Ergebnis ist einigermaßen schockierend, immerhin ist der Bodensee der größte See des Landes. Doch nicht überall in Deutschland ist der Wasserschwund gleich stark. In bestimmten Gegenden schreitet er besonders rasant voran.

Gerade der Osten ist seit einiger Zeit stark von Dürren betroffen. Laut Experten des Deutschen Wetterdienstes eine Folge der Klimakrise, die sich hier früher und extremer bemerkbar mache als in anderen Bundesländern. Vor allem Brandenburg stehe an vorderster Front.

Tesla verschärft die Grundwasserproblematik

Die besonders sandigen Böden schaffen es dort kaum, den steigenden Temperaturen und dem Regenmangel etwas entgegenzusetzen. Denn selbst in dürrefreien Jahren füllt sich der Grundwasservorrat wegen geringer Niederschlagsmengen in der Region nur langsam auf.

Zum Vergleich: Während es im Alpenvorland jährlich bis zu 1.500 Liter Niederschlag pro Quadratmeter gibt, sind es in Brandenburg durchschnittlich nur 500 Liter.

"Brandenburg ist eine sehr, sehr trockene Region und die Böden dort speichern kaum Wasser", sagt auch Meteorologe und ARD-Wetterexperte Sven Plöger. Der Grundwasserpegel in diesem Gebiet sei daher ohnehin anfällig, vor allem in Dürrezeiten.

Die Gigafactory des US-Autobauers sei vor diesem Hintergrund besonders kontraproduktiv: "Großprojekte wie das von Tesla verschärfen diese Problematik weiter", so Plöger.

Die Pegel rund um Grünheide sinken

Auf dem Wappen der Gemeinde Grünheide, Heimat des neuen großen Tesla-Werks, krabbelt eine Sumpfschildkröte an Land. Um sie herum kräuseln sich Wellen.

Damit die Gewässer der Gegend nicht so enden wie die Schildkröte – in freier Wildbahn sind die Tiere, die hier jahrhundertelang heimisch waren, quasi ausgestorben –, wehrt sich seit 2020 eine Bürgerinitiative gegen Teslas Großprojekt.

Am Dienstagnachmittag, zeitgleich mit der feierlichen Eröffnung der Fabrik, haben die Organisatoren zur Demo vor dem Haupttor der Fabrik gerufen. Mithilfe von leeren Wassereimern und Kochlöffeln wollen sie sich Gehör verschaffen: Die Sorge ist groß um die Trinkwasserversorgung und die Feuchtgebiete in der Umgebung.

Dass ihre Angst begründet sein dürfte, zeigt nicht nur die Klimaprognose für die Region. An den zwei Messstellen, die dem Tesla-Gelände am nächsten sind, sinkt der Grundwasserpegel seit mehr als zehn Jahren immer weiter ab.

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Auch zwischenzeitliche Anstiege des Wasserspiegels, wie im vergangenen halben Jahr, konnten den Trend an den Beobachtungpunkten bisher nicht langfristig umkehren.

Sowohl bei Hohenbinde als auch direkt in Grünheide sank der Pegel in den Jahren 2020 und 2021 beziehungsweise 2019 und 2020 auf die niedrigsten Stände des gesamten Jahrzehnts. Der örtliche Wasserversorger, der Wasserverband Straußberg-Erkner (WSE), warnt bereits.

Der Kampf ums Wasser führt auch vor Gericht

Die Grundwassersituation in dem Gebiet sei angespannt, heißt es seitens des WSE. Mehr als die Versorgung bestehender Siedlungen, bereits genehmigter Neubauten und der Gigafactory von Tesla sei mit den Grundwasserreserven nicht zu machen. Neue Gewerbe- und Wohnprojekte? Vorerst unmöglich.

Dass das Wasser stattdessen für Teslas europäischen Prestige-Standort aus der Erde gepumpt wird, mag am Genehmigungseifer der obersten Wasserbehörde Brandenburgs liegen, dem Landesamt für Umwelt (LfU). Im Jahr 2020, als bereits die ersten Anträge Teslas auf dem Tisch lagen, schaffte man dort Fakten – ohne die Öffentlichkeit zu beteiligen.

Die Fördermenge am Wasserwerk Eggersdorf, das inzwischen auch die Gigafactory versorgt, wurde mit Zustimmung des LfU von 2,5 Millionen Kubikmetern um mehr als 50 Prozent erhöht. Pro Jahr dürfen demnach dort nun 3,8 Millionen Kubikmeter Grundwasser entnommen werden.

Grund genug für die Umweltverbände Grüne Liga und Nabu angesichts der Wasserknappheit in der Region vor Gericht zu ziehen. Allerdings nur mit eingeschränktem Erfolg.

Anfang März, knapp drei Wochen vor Teslas Eröffnung in Grünheide, fiel der Entscheid am Verwaltungsgericht Frankfurt/Oder: Die massive Erhöhung der Fördermengen ohne Mitsprache der Bevölkerung ist rechtswidrig.

Das "Fiasko", das der Wasserversorger WSE befürchtet hatte, trat damit allerdings nicht ein – an der Genehmigung selbst rüttelten die Richter nicht. Die Bevölkerung könne auch im Nachhinein noch befragt werden, so das Gericht. Denn: Bei der Befragung der Anwohner handele es sich nur um eine Formalität.

Wassersicherheit als reine Formsache?

"Es ärgert uns sehr, dass sich das Gericht auf der Formalität ausruht und nicht auf unsere naturschutzrechtlichen Bedenken eingegangen ist", sagt Christiane Schröder t-online.

Die Leiterin der Landesgeschäftsstelle des Nabu in Brandenburg wartet noch immer auf die Begründung, wieso das Gericht davon ausgeht, dass die gesteigerte Fördermenge die schwindenden Wasserressourcen nicht negativ beeinträchtigt.

Derweil soll es laut Brandenburgs Umweltministerium rund vier Monate dauern, bis die Bürgerbeteiligung für die offizielle Genehmigung nachgeholt ist. Ab da steht der erhöhten Fördermenge offiziell nichts mehr im Weg.

In der Zwischenzeit laufen die Pumpen dank einer Absprache zwischen WSE und LfU auch jetzt schon im gesteigerten Tempo weiter. Dass diese Zwischenlösung in vielen Medienberichten bereits als "Dudung" bezeichnet wird, sieht der Geschäftsführer der Grünen Liga Brandenburg, Michael Ganschow, kritisch: "Wir haben keine passende Rechtsgrundlage gefunden, die dieses vorübergehende OK für ein höheres Entnahmevolumen legitimiert".

Auch weist Ganschow darauf hin, dass die zu genehmigenden 1,4 Millionen Kubikmeter noch immer unter der Menge liegen, die der Wasserversorger Tesla versprochen habe. Laut eigenen Angaben des WSE stehen im Liefervertrag für die Fabrik weiterhin 1,8 Millionen Kubikmeter.

Doch nicht nur für Tesla besteht die Gefahr, dass auch die gesteigerte Wasserentnahmemenge nicht ausreicht.

"Um jetzt halbwegs sicher für die nähere Zukunft zu sein, bräuchten wir 18,2 Millionen Kubikmeter im Jahr", sagte eine Sprecherin des örtlichen Wasserversorgers WSE kürzlich dem Rundfunksende RBB. Genehmigt sind – einschließlich der aktuell nur informell akzeptierten Mehrförderung – etwas mehr als 14 Millionen.

Inwiefern in Zukunft noch größere Fördervolumen genehmigt werden, dürfte vor allem davon abhängen, was der Klimawandel mit den Wasservorräten in Brandenburg macht.

Teslas Wasservertrag ist ein großes Geheimnis

Alles deutet darauf hin, dass die kommenden Sommer im Land mindestens ebenso heiß und trocken werden wie in den vergangenen Jahren. Dem wachsenden brandenburgischen Wasserbedarf stünde ein stetig sinkender Grundwasserspiegel gegenüber. Dennoch: Bei Tesla dürften die Nerven seit Anfang März beruhigt sein.

Das US-Unternehmen hat sich mit der Genehmigung des Landes Brandenburg seine Versorgung bis zum Jahr 2050 gesichert. Statt mit Blick auf die unsichere Wassersituation einen kürzeren Genehmigungszeitraum anzupeilen, hat das Landesamt für Umwelt die maximale Spanne von 30 Jahren genehmigt. Ob sich daran rütteln lässt, falls die Wassersicherheit des Landes weiter abnimmt, ist unklar.

"Werden da Prioritäten für Tesla eingeräumt? Wird das Wasser für die Bevölkerung im Zweifel rationiert, um die Lieferungen an das Unternehmen aufrechtzuerhalten? All das weiß so gut wie niemand", sagt Nabu-Chefin Christiane Schröder.

Denn der Vertrag zwischen Tesla und dem Wasserversorger WSE ist nicht öffentlich einsehbar. Schröder geht davon aus, dass nicht einmal das Landesamt für Umwelt eine Kopie des Dokuments hat: "Auch aus Gründen der Transparenz halten wir das für höchst fragwürdig."

Neben der Auslieferung der ersten Wagen feierte Elon Musk in Grünheide also wohl auch noch einmal seine Standortwahl. Brandenburg mag zwar sehr trocken und trotz düsterer Klimaprognosen noch immer ohne Strategie für die zukünftige Wasserversorgung sein. Das wasserintensive Geschäft des Elektroauto-Papstes scheint hier dennoch mehr als willkommen.

Verwendete Quellen
  • Telefonat mit Christiane Schröder, Geschäftsführerin des NABU-Landesverbandes Brandenburg
  • Telefonat mit Michael Ganschow, Geschäftsführer der Grünen Liga Brandenburg
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