Homosexuelle Eltern "Wer ist bei euch Mutter, wer Vater?" Homosexuell ist nicht gleich kinderlos
"Wieso wollt ihr überhaupt Kinder?", oder: "Wer ist bei euch die Mutter, wer der Vater?" Die Fragen sind immer die gleichen, und Constanze Körner kennt sie zur Genüge. Die 39-Jährige ist Mutter in einer gleichgeschlechtlichen Beziehung und Leiterin des ersten deutschen Regenbogenfamilienzentrums in Berlin. Hier können sich lesbische und schwule Paare mit Kindern oder Kinderwunsch beraten lassen.
Ein Ort, an dem sich homosexuelle Eltern nicht erklären müssen
"Die Familien wollen einen Ort haben, an dem sie sich nicht erklären müssen", sagt Körner zur Notwendigkeit des Zentrums. Hier müssen sie nicht begründen, warum sie als Familie leben wollen, obwohl das traditionelle Vater-Mutter-Kind-Schema für sie nicht in Frage kommt. In den Beratungsräumen im Stadtteil Schöneberg können sie auch danach fragen, wie der Kinderwunsch erfüllt werden kann, welche Ärzte helfen, welche Samenbanken offen sind für Lesben.
Kinderwunsch bei Homo-Eltern stärken
Das Zentrum gehört zum Lesben- und Schwulenverband (LSVD) Berlin-Brandenburg und wird aus Lottomitteln und Spenden finanziert. Es besteht aus drei hellen Räumen, die in Weiß und Sahara-Gelb gestrichen sind. Der Berliner Senat unterstützt es. "Familie ist dort, wo Kinder sind", sagt die Staatssekretärin für Jugend und Familie, Sigrid Klebba (SPD), und fügt hinzu: "egal, in welcher Konstellation."
Klebba betont, dass das Zentrum ein "Ort der Begegnung" sein solle, wo gleichgeschlechtliche Paare ihre Erfahrungen als Eltern teilen könnten. Darüber hinaus solle das Zentrum auch "werbend" tätig sein, um Lesben und Schwule zu ermutigen, Eltern zu werden. Sie müssten noch stärker von ihrer Elternrolle überzeugt sein als heterosexuelle Paare, "um auf alle Herausforderungen Antworten zu finden", so Klebba.
Abwertung und Vorurteile begegneten Kinder aus Regenbogenfamilien in Berlin durchaus, aber nicht in massivem Umfang, weiß Körner zu berichten. Sie ist Mutter von fünf Kindern. "Blöde Sprüche" bekämen ihre Kinder manchmal zu hören, aber da sie selbstbewusst erzogen seien, könnten sie damit umgehen.
Homosexualität bedeutet heute nicht mehr Kinderlosigkeit
Körner beobachtet einen "Babyboom" unter gleichgeschlechtlichen Paaren, nachdem 2005 die sogenannte Stiefkindadoption erlaubt wurde. Dabei dürfen Lebenspartner das Kind des Partners adoptieren. Das Bundesverfassungsgericht erlaubte im Februar dieses Jahres zudem die sogenannte Sukzessivadoption. Damit wird es den Lebenspartnern ermöglicht, nachträglich ein vom Partner adoptiertes Kind ebenfalls zu adoptieren.
Immer mehr lesbische oder schwule Paare entdeckten für sich die Elternschaft, sagt Körner. "Früher war das Coming-out mit Kinderlosigkeit verbunden." Erfuhren Eltern, dass Tochter oder Sohn homosexuell war, bedauerten sie oft vor allem die Tatsache, dass keine Enkel geboren werden würden. Das sei heute anders.
Wachsender Beratungsbedarf für Regenbogenfamilien
Früher sei der Kinderwunsch bei Homosexuellen auch erst "ab dem Alter von 35 Jahren" entstanden, heute wollten "schon ganz junge" Lesben oder Schwule Kinder, erklärt Körner. Der Bedarf nach Beratung in einem Regenbogenfamilienzentrum sei ständig gewachsen, seit viele Lesben und Schwule ein bürgerliches Leben mit "Karriere, Haus und Kindern" wählten.
Diese Beobachtung teilt auch Jörg Steinert, Geschäftsführer vom LSVD Berlin-Brandenburg. Er will das Thema Regenbogenfamilien "stärker in die Strukturen" tragen. Der Verband bietet deshalb Workshops für Kitas und Ausbildungsmodule für angehende Erzieher an. Außerdem sitzt Körner seit kurzem im Familienbeirat des Landes Berlin, der den Senat in Fragen der Familienpolitik berät.
Den Kindern homosexueller Eltern fehlen die Vorbilder
Körner sieht neben der Unterstützung für die Regenbogeneltern ein weiteres Thema immer wichtiger werden: die Kinder aus diesen Familien. "Für sie gibt es keine Vorbilder", sagt sie, also Menschen aus lesbischen oder schwulen Beziehungen, an denen sie sich orientieren könnten. Auch ihnen will das neue Zentrum deshalb Angebote machen.