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Barbie-Dreamhouse in Berlin: Protest gegen Hölle in Pink


Barbie
Rosa ohne Ende: In Berlin öffnet das Barbie-Haus unter Protest

dpa, Andrea Barthélémy, Gisela Gross

Aktualisiert am 10.05.2013Lesedauer: 4 Min.
Stark umstritten - das Barbie-Dreamhouse in Berlin: Mädchentraum oder Hölle in pink?Vergrößern des BildesStark umstritten - das Barbie-Dreamhouse in Berlin: Mädchentraum oder Hölle in pink? (Quelle: dpa-bilder)
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Mädchentraum oder Hölle in Pink? Seit 16. Mai ist das quietschrosa Barbie-Dreamhouse am Berliner Alexanderplatz geöffnet. Die 2500 Quadratmeter große begehbare Barbie-Welt hat tatsächlich das Zeug, zu dem vom Veranstalter propagierten "unvergesslichen Erlebnis" zu werden. Die Frage ist nur, in welcher Hinsicht, denn seit Wochen regt sich schon Protest gegen die "Pinkifizierung".

Ein Ortstermin vor Fertigstellung der "Erlebnisausstellung" gab erste Einblicke: Vom Springbrunnen in Form eines riesigen rosa Stöckelabsatz, der in der Lobby prangen soll, ist zwar noch nichts zu sehen. Dafür stehen schon Teile der Einrichtung, ganz "Malibu-Style" in Rosa, Weiß und Gold. "Willkommen in der sonnigen Barbie-Welt", grüßt eine Agenturmitarbeiterin in die Runde. Von Sonne oder Tageslicht jedoch keine Spur, die Fenster sind nur aufgemalt. Dafür ragt ein lächelnder Plastik-Pferdekopf ins Zimmer.

Sich einmal wie eine Super-Barbie fühlen

1100 Quadratmeter Verkaufs- und Aktionsfläche, 1400 Quadratmeter Barbie-Wohnung - so ist das Event-Konzept von Barbie-Anbieter Mattel und EMS Entertainment Germany. Sich einmal rundum wie eine Super-Barbie fühlen, das soll hier gelingen. Im Salon, im riesigen Bad, im Schlafzimmer und vor allem im fast Turnhallen-großen begehbaren Kleiderschrank stehen interaktive Monitore für das maßgeschneiderte Barbie-Erlebnis bereit. Ein personalisierter Chip im Eintrittsarmband macht es möglich. Gegen Aufpreis darf man auch in "echten" Barbie-Outfits auf einen Laufsteg oder auf eine Popstar-Bühne: Topmodel-Parcours und DSDS in rosé.

"Ken bleibt ein Accessoire", ergänzt eine Mattel-Sprecherin zu Barbies männlichem Gegenstück. Lässt man in der Küche den durch so viel Magenta, Violett und Pink erschlafften Blick aus dem virtuellen Fenster schweifen, erblickt man Ken. In der Auffahrt wäscht er den rosa Sportwagen. Es gibt keine Rettung.

Protest gegen die Pinkifizierung

Stevie Schmiedel von der Initiative Pinkstinks sieht dann auch Rot bei so viel Rosa: "Rosa ist eine wunderbare Farbe. Aber diese Pinkifizierung in der Spielwarenwelt stinkt. Diese Farbe steht nur für niedlich und süß und für Äußerlichkeit." Die Hamburgerin, die mit ihrer Initiative auch schon gegen das rosa Überraschungsei "nur für Mädchen" protestierte, sieht im Rosa-Boom bei Spielzeug und Kleidung einen krankmachenden, einengenden Rückschritt. Was früh mit den rosa Imperien von Prinzessin Lillifee oder Barbie beginne, gehe für viele Mädchen gleich mit dem Topmodel-Wahn weiter. "Immer mehr Mädchen leiden darunter."

Was Rosa mit Geld zu tun hat

Waren wir beim Verzicht auf "typisch" Jungs- und Mädchen-spezifische Ausstattung nicht schon einmal weiter? "Selbstverständlich hat das Revival von Pink viel mit Geld zu tun", sagt die Genderforscherin Dominique Grisard (Uni Basel/New York). "Ein übersättigter Kleider- und Spielzeugmarkt kann so doppelt so viel verkaufen. Denn kein Mädchen kann ihrem jüngeren Bruder ihr rosa Tutu oder ihr pinkes Barbieschloss weitervererben."

Unisex ist schuld an der zuckersüßen Sehnsucht

Doch ist ganz klar, dass es auch Eltern und Großeltern braucht, die die rosa Welle mitmachen. Die Textilhistorikern Jo Paoletti meint, ein zentraler Grund für das Revival sei in der Tat die Nostalgie heutiger Mütter, die in den 1970er Jahren unisex aufwuchsen und die zuckersüßen Fotos von sich im rosa Tutu vermissen. Doch auch Kinder haben heute direkte und indirekte Kaufkraft, die neben dem Gruppendruck nicht zu unterschätzen ist. "Viele Eltern fühlen sich dagegen ohnmächtig und geben dem inständigen Bitten und Drängeln irgendwann nach."

Die Farbe Rosa ist in Verruf geraten, zu Unrecht, wie Grisard findet: "In Deutschland wird Rosa heute als Mädchenfarbe betrachtet. Denn die Imperien von Disney-Prinzessinnen, Prinzessin Lillifee und Hello Kitty sind allesamt Rosa. Die Farbe wird meist mit Künstlichkeit und Oberflächlichkeit in Verbindung gebracht, aber auch mit einem naiven Glücksgefühl."

Pink ist eigentlich die Farbe der Männer

Irgendwann bekamen die Farben ein Geschlecht, erklärt die Wissenschaftlerin weiter: "Pink gilt aber auch als Farbe der Schwulen. Lange Zeit hatte Pink aber gar kein Geschlecht. Erst mit der bürgerlichen Gesellschaft machte sich auch eine farbliche Geschlechtertrennung breit: Männer trugen dunkle Anzüge, während ihre Frauen und Kinder farbenfroh das Familienbild zierten."

In den USA wurde ab den 1920er Jahren über das Geschlecht von Pink und Blau diskutiert, wobei Pink zur Jungenfarbe erklärt wurde, da es energischer und entscheidungsfreudiger wirke. Eine reine Sache der Definition, denn: "Noch bis in die 1960er Jahre wurde in Teilen von Deutschland Geburtsanzeigen von Jungen mit einer rosa Schleife verschickt. Auch trugen Mädchen und Jungen der Halbstarken-Subkultur pink-schwarze Kleidung und Elvis fuhr einen pinken Cadillac."

Immer freundlich lächeln, plastifiziert und konsumorientiert

Die Farbe allein ist nicht schuld, es sind die vielen Erwartungen und Assoziationen, die an sie geknüpft sind. Grisard erklärt den Zusammenhang: "Auch wenn an der Farbe selbst nichts Schlimmes ist - es macht es keinen Sinn, sie entkoppelt zu betrachten." Losgelöst von der Spielzeugpuppe Barbie oder von den Eltern, die sich über Geschlechterstereotypen in der Kinderkleider- und Spielzeugwelt ärgern, ist rosa einfach eine Farbe: "Wir haben es heute mit einer paradoxen Gleichzeitigkeit zu tun: Einerseits ziehen Mädchen mit den Jungen in der Schule gleich, andererseits gibt es weiter stereotype Geschlechterbilder. Das verkörpert heute auch Barbie: schlank, weiß, blond, große Brüste, immer freundlich lächeln, plastifiziert und konsumorientiert."

Schon die Kleinsten kennen Geschlechtsstereotypen

Die Erziehungswissenschaftlerin Professor Bettina Hannover (FU Berlin) ergänzt: "Kinder erkennen diese Geschlechterstereotypen bereits in einem Alter, in dem sie selbst noch gar nicht wissen, ob sie ein Junge oder ein Mädchen sind." Mit zwei Jahren könnten sie aber schon sagen: Damit spielt ein Junge, damit spielt ein Mädchen. Im Vorschul- und frühen Grundschulalter erforsche ein Kind dann sein soziales Geschlecht. Es probiere sich aus - auch mit Barbie und Darth Vader, aber bestenfalls nicht nur mit ihnen. "Es ist wichtig, dass das Kind ein breites Verhaltensspektrum kennenlernt. So erlebt es, dass es zwischen Schwarz und Weiß auch noch viele Grautöne gibt", sagt Hannover. Alle Nuancen des Regenbogens also, und nicht nur Pink.

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