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Wein in Orange


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Extrem empfehlenswert: Wein in Orange

Uwe Kauss - wanted.de

27.01.2015Lesedauer: 4 Min.
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Orange Wine steht immer häufiger auf dem Programm feiner Weingüter.Vergrößern des Bildes
Orange Wine steht immer häufiger auf dem Programm feiner Weingüter. (Quelle: Susanne Korab)

Rot, rosé und weiß sind die Farben des Weins. Nun kommt eine vierte hinzu: Orange! In Asien, Österreich und sogar in den USA ist bei Sommeliers und Weinfreaks der neue Trend. Auch in Deutschland produzieren seit einiger Zeit qualitätsversessene Winzer spannende Weißweine, die mit den Methoden der Rotweinproduktion entstehen. wanted.de hat im Rheingau einen von ihnen getroffen.

Zurück zu den Wurzeln. Zurück zum Einfachen, Reduzierten, Natürlichen. Junge Weinmacher suchen nach neuen Wegen, um immer besseren Wein zu produzieren - und gehen zurück in die Vergangenheit. Genau das ist in der deutschen Weinszene derzeit hip und ziemlich spannend: Unter dem Label "Orange Wine" entstehen seit etwa drei Jahren Weine, die sich von Kennern nur schwer einordnen lassen, aber bei vielen Verkostungen für Staunen sorgen.

Orange Wine: Ein ganz neuer Geschmack

Weißweine etwa der Rebsorten Riesling, Weiß- und Grauburgunder oder Sauvignon Blanc leuchten nicht nur leicht bis intensiv orange im Glas. Sie schmecken auch völlig anders. Die besten Weine sind voll komplexer Aromen, die man im Weißwein nicht vermutet: Schokolade, Mokka, Lebkuchen und Nüsse, dazu Kräuter, Gewürze und Blüten. >>

Dabei ist ihr Geheimnis einfach: Orange Wines sind Weißweine, die wie Rotwein produziert werden. Die Tradition dieser Technik ist uralt. Nur war sie lange vergessen, denn Weinfans mögen heute frische, fruchtige Weine, die man jung trinkt. Orange Wines sind das Gegenteil – und oft extrem.

Jörn Goziewski, Weinmacher des Weinguts Ankermühle im Rheingau, räumt seinen Keller auf. Schläuche liegen zwischen leeren Stahltanks herum, er reinigt Behälter und Eimer. Als der Erfurter 2011 nach seinem Studium an der Weinbau-Hochschule in Geisenheim anfing, produzierte er zum ersten Mal einen Orange Wine.

Lange Gärung der Beeren

"Wir haben den letzten Weinberg der Ernte gelesen, die Beeren waren goldgelb, besser geht’s nicht", erinnert er sich. Da kam ihm die Idee, seinem Vorbild der würzig-duftigen und lagerfähigen Weine aus dem französischen Condrieu zu folgen, und den Riesling vom Rhein ähnlich auszubauen: "Ich habe die Beeren von den Stielen getrennt und sie mit den Schalen lange in der Maische gären lassen." >>

In der Winzersprache heißt das entrappen. Goziewski öffnet den Deckel eines Stahlbehälters: "Diese Beeren sind der Jahrgang 2014. Die brauchen noch viel Zeit." So wird sonst Rotwein hergestellt. Aus den Schalen lösen sich dabei Farbstoffe, die den Weinen ihren charakteristisch-orangenen Farbton verleihen, dazu für Weißwein ungewohnte Tannine und Aromastoffe. Denn Weißwein-Trauben kommen normalerweise samt der Stiele nach der Lese sofort in die Kelter. Dort wird der Most abgepresst, in Tanks oder große Holzfässer gefüllt und darin zu Wein vergoren. Goziewski wählte den Rotwein-Weg: Er drückte die Beeren leicht an, damit etwas Saft heraus fliessen konnte, füllte sie in den Behälter und wartete, bis in dem entstehenden Weintraubenbrei die natürliche Gärung einsetzte.

Barrique-Note beim Weißwein

Die vergorenen Beeren presste er mit den bloßen Händen ab und füllte den Most ohne Filtern in neue und gebrauchte Barrique-Fässer. Erneut wie beim Ausbau von gutem Rotwein. Nun ließ er den jungen Riesling zwei Jahre darin lagern. Als er fertig war, gab Gozieswski sehr viel weniger Schwefel zu, als er es an der Hochschule gelernt hatte. Er filterte ihn auch nicht vor dem Füllen in die Flasche – im modernen Weinbau ist das Standard.

"Der Riesling bekommt auf diese Weise ein gutes Gerüst aus Gerbstoffen. Der ist stabil und braucht das gar nicht." Heute ist dieser ungewöhnlich entstandene 2011er "Jesaja" ein überraschender, hervorragender Wein. Jesaja schmeckt fein nach Grapefruit, Kokos, Eukalyptus, Vanille, Rosen und Kräutern. "Mit so einem Wein muss man sich beschäftigen. Den kann man nicht einfach wegsüffeln", betont er.

Dass er einen "Orange Wine" produziert hat, wusste er aber 2011 noch gar nicht. "Ich habe die Technik verwendet, ohne die Kategorie zu kennen", sagt er und lacht. Denn Orange Wine war in der deutschen Weinszene damals kaum bekannt – in Österreich sowie bei asiatischen und amerikanischen Weinfans dagegen schon seit zwei Jahren angesagt. >>

Mittlerweile sind qualitätsorientierte Weinmacher wie Dirk Würtz von Balthasar Ress und Peter Kühn aus dem Rheingau, Kai Schätzel aus Nierstein, die Brüder Braunewell in Essenheim (Rheinhessen) oder Matthias Meierer aus Kesten an der Mosel in orange unterwegs.

Meier hat seinen eher durch Zufall mit der alten Technik produzierten Riesling programmatisch "WTF!?" genannt – ausgeschrieben "What the fuck!?". In den USA ist das ein Ausruf der Überraschung.

Uralte Technik aus Georgien, Slowenien, Kroatien und Italien

Die uralte Tradition der Maischegärung von Weißweintrauben stammt aus Slowenien, Kroatien und dem Friaul im Nordosten Italiens. Und wie ein Leser ergänzte, war die Technik in Georgien verbreitet, wo der Weinbau entstanden sein soll. Dort werden seit über 2000 Jahren Tonbehälter, die Amphoren recht ähnlich sehen, in der Erde vergraben. Darin gären die entrappten Weißweinbeeren so lange, bis Weißwein entstanden ist. Die Weine der Top-Produzenten dieser Regionen sind unter Kennern mittlerweile gesuchte Schätzchen – wenn sie auch Weinfans manchmal mit ziemlich extremen Aromen irritieren.

Die uralte Technik, die auch in Deutschland bis zum Ende des 19.Jahrhunderts verwendet wurde, ist mit der Bio-Bewegung neu entdeckt worden. "Orange Wine" wird daher oft als schicker Begriff für Naturwein verwendet, der biodynamisch angebaut und mit wenig Technik und oft ohne jeden Schwefel produziert wird. Das geht immer mal schief, die Weine stinken und schmecken auch so. Doch Jörn Goziewski erklärt: "Orange Wines kann jeder Winzer machen, der sein Handwerk beherrscht." Dazu müsse man kein Naturwein-Freak sein. "Ich mag keine Amphoren zum Gären", fügt er hinzu, "ich nutze lieber Holzfässer. Ist eine Bauchentscheidung." Er arbeitet längst daran, die neue, alte Technik noch intensiver zu nutzen: "Ich will strenger werden. Ich versuche, den Most nicht mehr zu pressen, sondern ihn mit der Schwerkraft ohne Druck ablaufen zu lassen. Ich will ihm noch mehr Zeit lassen."

Er schließt den Deckel des Behälters mit den gärenden Beeren: "Ich finde diese Weine wunderbar – auch, wenn sie in keine Kategorie passen." Und wegen des Aufwandes ein wenig teurer sind, als herkömmliche Weißweine. Eine echte Delikatesse eben. Verschiedene "Orange Wines" sehen Sie in unserer Fotoshow.

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