Unfall vor Gericht Wer beim Abbiegen nicht aufpasst, haftet mit
Abbiegen, Überholen, Unfall: Ein neues Gerichtsurteil klärt, wann beide Parteien haften – und worauf Auto- und Motorradfahrer achten müssen.
Ein Urteil des Schleswig-Holsteinischen Oberlandesgerichts (OLG) klärt eine häufige Streitfrage im Straßenverkehr: Wer haftet bei einem Unfall beim Abbiegen? Die Antwort des Gerichts: Beide Seiten können eine Mitschuld tragen – sowohl der Abbiegende als auch der Überholende. (Az.: 7 U 145/23)
Der Fall: Motorrad kollidiert mit abbiegendem Pkw
Ein Motorradfahrer überholte ein Auto, das nach links abbiegen wollte. Dabei kam es zum Zusammenstoß. Beide Beteiligten verlangten Schadenersatz und Schmerzensgeld, doch die Versicherungen weigerten sich, in vollem Umfang zu zahlen.
Die Argumente: Die Versicherung des Autofahrers warf dem Motorradfahrer vor, bei unklarer Verkehrslage überholt zu haben. Der Motorradfahrer wiederum warf dem Autofahrer einen Verstoß gegen die sogenannte "doppelte Rückschaupflicht" vor. Sie verpflichtet Abbiegende, sich vor dem Abbiegen zweimal zu vergewissern, dass die Fahrbahn frei ist.
Die Entscheidung: Beide haben Fehler gemacht
Laut Gericht spricht der erste Anschein gegen den abbiegenden Autofahrer. Ein Unfall, der direkt mit dem Abbiegevorgang zusammenhängt, deutet darauf hin, dass der Fahrer seiner Pflicht zur doppelten Rückschau nicht ausreichend nachgekommen ist.
Gleichzeitig stellte das Gericht fest, dass auch den Motorradfahrer ein Mitverschulden trifft. Er hätte erkennen können, dass der Vorausfahrende abbiegen könnte. Die Fahrweise des Autos – unterschiedliche Geschwindigkeiten und kein klar erkennbares Verhalten – hätte den Motorradfahrer zu erhöhter Vorsicht veranlassen müssen. In einer solchen Situation sei ein Überholmanöver unzulässig.
Konsequenzen für die Haftung
Das Gericht hat die Haftungsfrage an die Vorinstanz zurückverwiesen. Dort muss nun geklärt werden, wie hoch die jeweiligen Haftungsanteile von Auto- und Motorradfahrer sind.
- Nachrichtenagentur dpa/tmn