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Neue Dokumente: So bürokratisch war der "Islamische Staat"


Innenansicht des Terrors
So bürokratisch war der "Islamische Staat"

Von t-online, law

Aktualisiert am 11.12.2018Lesedauer: 3 Min.
Verkehrspolizisten des IS: In selbst verbreiteten Werbevideos zeigte die Terrormiliz neben Hinrichtungen und Durchhalteparolen auch Szenen aus dem Alltagsleben.Vergrößern des BildesVerkehrspolizisten des IS: In selbst verbreiteten Werbevideos zeigte die Terrormiliz neben Hinrichtungen und Durchhalteparolen auch Szenen aus dem Alltagsleben. (Quelle: Screenshot/t-online.de)
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Bekannt war er für Terror und Gewalt. Neu entdeckte Dokumente zeigen, dass der selbst ernannte "Islamische Staat" seine brutale Herrschaft mit einem bürokratischen Apparat penibel verwaltete.

21 Felder ausgefüllt, Unterschrift, Stempel darunter – und Ibrahim Muhammad Khalil hatte in Kugelschreibertintenblau auf weißem A5-Formular schriftlich, was er getan hatte: Der 14-Jährige war von einem IS-Polizisten beim Lachen während des Gebets erwischt worden. Nun sollte der Gefangene mit seinen Habseligkeiten zum Ministerium gebracht werden. So ist es nachzulesen auf einem Formblatt, das die US-Journalistin Rukmini Callimachi aus den Hinterlassenschaften des Islamischen Staats in Mossul fischte.

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Sie sicherte und wertete 15.000 Dokumente aus, die vor allem eines zeigen: Der Islamische Staat funktionierte auch wie ein Staat oder gab sich alle Mühen, diesen Anschein zu erwecken. Die Terroristen wollten in ihrem Territorium alles andere als Anarchie, es wurde auch ein Papierkrieg geführt. "Zusammengenommen zeigen die Dokumente das Innenleben eines komplexen Regierungssystems", fasst Callimachi zusammen. "Sie zeigen, dass die Gruppe für eine begrenzte Zeit ihren Traum verwirklicht hat: ihren eigenen Staat zu errichten, der ihrer strengen Auslegung des Islam folgt."

Die Steuerbescheide, Verkaufsbelege, Anforderungsformulare, Geburtsurkunden stammen zum Großteil aus der Region Mossul im Irak, mit einer Millionenbevölkerung wichtigste Metropole im Islamischen Staat. Am 9. Juli 2017, als der Irak die vollständige Rückeroberung der Stadt meldete, war Callimachi bereits in der zerstörten Stadt. Mit dem Vorrücken der irakischen Sicherheitskräfte kramte sie im Müll, zog Schubladen auf, suchte in Betten und stöberte in Aktentaschen nach Dokumenten der Terroristen.

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Bereits 2014 war bekannt geworden, dass der IS auch Personalakten führte und Sozialleistungen gewährte und seine Provinzen über eigene Etats verfügten.

Manche Saddam-Anhänger wurden Führungskader

Nach den Eindrücken der Journalistin vermied der IS Fehler, die die USA beim Einmarsch in den Irak gemacht hatten. Die Terroristen vertrieben Beamte nicht aus dem Amt, sondern zwangen sie, ihre Arbeit fortzusetzen. Der heute möglicherweise tote IS-Kalif Abu Bakr al-Bagdadi kannte die Strukturen, hatte in amerikanischer Gefangenschaft Generäle und Geheimdienstler aus der alten Saddam-Gefolgschaft kennengelernt, manche wurden Führungskader der Terrormiliz.

Die Männer in den Amtsstuben mussten jetzt in Hosen erscheinen, die nicht zu lang sein durften, sie mussten sich Bärte wachsen lassen, und sie mussten ihre Arbeit machen. Die Behörden funktionierten weiter, es gab kein Machtvakuum. Nur die Regeln änderten sich. Die Beamten mussten Listen über Land führen, das Schiiten und Christen gehörte – und das dann einfach an Sunniten verpachtet wurde. Enteignungen gemäß Antrag von Sunniten, genau kartografiert und sauber festgehaltene Verpachtung. Die "New York Times" zeigt entsprechende Belege.

Mit der Verpachtung konfiziszierten Landes und beschlagnahmter Gebäude entstanden neue Einnahmen, dazu kamen neue Steuern, die penibel erhoben wurden. Die Dokumente zeigten, so Callimachi, dass Erdöl gar nicht die Haupteinnahmequelle der Miliz war: Es waren die Steuern auf jede Form des Handels und Wirtschaftens, dazu eine Pauschalsteuer für den IS. Der gut funktionierende Verwaltungsapparat quetschte die Menschen aus, bis zuletzt. Es gibt saubere Belege über Geldflüsse, während im Nachbarstadtteil schon die Panzer der irakischen Regierungstruppen vorrückten. Zugleich habe der IS aber auch investiert und Missstände angegangen: Die Stromversorgung wurde verbessert, Straßen repariert.

Schüler lernten mit Bildern von Scharfschützen

Die Eingriffe des IS gingen aber auch hin bis zu neuen Büchern für die Schulen. In einem Englischbuch sollten die Kinder Buchstaben lernen mit Bildern einer Frau (voll verschleiert) oder einem Scharfschützen.

Und Polizeidokumente zeigen Festnahmeprotokolle wegen Augenbrauenzupfens, unangemessener Haarschnitte oder des Spielens von Musik. Ertappte Bürger mussten dann auch Schuldbekenntnisse unterschreiben – und Versprechen abgeben sich zu bessern. Heute hat der IS in seinem verbliebenen Herrschaftsgebiet nur noch wenig Möglichkeit, solche Knöllchen zu verteilen. Er ist zwar in Syrien noch nicht besiegt, wie Russland bereits erklärt hatte. Er hält aber nur noch ein kleines Gebiet in der Region Deir ez-Zor am Euphrat.

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