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Handy verrät IS-Braut: Hamburgerin lebte mit Terror-Kämpfer Deso Dogg im Kalifat


Handy verrät IS-Braut: Hamburgerin lebte mit Dennis Cuspert

  • Lars Wienand
Von Lars Wienand

15.04.2019Lesedauer: 5 Min.
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Der IS-Terrorist und seine Frau Omaima A. aus Deutschland: Denis Cuspert alias Deso Dogg mit der Hamburgerin auf einem der Fotos, die in Syrien gefunden wurden. Die Journalistin Jenan Moussa hat sie ausgewertet.Vergrößern des Bildes
Der IS-Terrorist und seine Frau Omaima A. aus Deutschland: Denis Cuspert alias Deso Dogg mit der Hamburgerin auf einem der Fotos, die in Syrien gefunden wurden. (Quelle: Screenshot/Al Aan TV)

Ein verlorenes Handy zeigt offenbar das Leben einer Deutschen als Ehefrau von wichtigen IS-Kämpfern. Die Frau war mit Deso Dogg alias Dennis Cuspert liiert und lebt heute unbehelligt in Hamburg.

Genau 24.634 Dateien waren auf dem Samsung-Handy, und sie bringen nun eine 34-jährige Hamburgerin offenbar in Erklärungsnot. Die Frau lebte in Raqqa und Homs in Syrien, lebte an der Seite zweier bekannter IS-Kämpfer und betrieb einen Propaganda-Kanal, wie ihr Handy verraten soll. Fotos zeigen sie mit Kalaschnikow. Das berichtet die libanesische Journalistin Jenan Moussa im arabischen Sender Al Aan TV.

Die Frau hat nun sogar ihr Kopftuch abgelegt und arbeitet neueren Einträgen in sozialen Netzwerken zufolge selbständig in der Kosmetikbranche. Einmal Sharia und zurück. Auf Anfragen von t-online.de hat sie nicht geantwortet, aber ihren Account bei Instagram gelöscht.

Die Story beginnt mit den Daten eines gefundenen Handys, die der Journalistin Moussa zugespielt wurden. Moussa von Al Aan TV ist bekannt für ihre investigativen Berichte über die Terrormiliz. 36 Gigabyte Fotos, Videos, Tickets, PDFs. Bei der wochenlangen Auswertung der Dateien stieß sie schnell darauf, dass die Frau mit zwei bekannten Deutschen zusammen war. Moussa erklärt, dass sie zunächst gedacht habe, die Besitzerin sei tot. "Ich war schockiert, als ich darauf stieß, dass sie unbehelligt in Hamburg lebt."

Zumindest bisher gibt es keine Ermittlungen der Hamburger Staatsanwaltschaft gegen die Frau, erklärte eine Sprecherin auf Anfrage von t-online.de. Zu möglichen Ermittlungen nach den Enthüllungen wollte die Behörde sich nicht äußern: "Allgemein gesprochen nehmen wir solche Informationen zur Kenntnis und reagieren entsprechend."

Die Bundesanwaltschaft erklärte, dass sie unter Abwägung von Aspekten wie Persönlichkeitsrechten Betroffener und Gefährdung von Ermittlungsverfahren keine Angaben macht – außer in besonders gelagerten Einzelfällen.

Behörden sehen aber auch keine strafbare Mitgliedschaft in einer ausländischen terroristischen Vereinigung darin, wenn eine Frau mit einem IS-Kämpfer im selbsterklärten "Kalifat" eheähnlich zusammengelebt hat. Der BGH entschied das im März 2018: Wer dort nur als Hausfrau, Gattin oder Mutter lebte, hat nicht direkt den Terror unterstützt. Manche Dateien auf dem Handy könnten die Hamburgerin aber belasten.

2015 über die Türkei Mann nachgereist

Den Daten auf dem Handy zufolge war sie im Januar 2015 ihrem aus dem Rhein-Main-Gebiet stammenden Ehemann Nadir Hadra Richtung Syrien nachgereist, einem Salafisten, der zuvor in Deutschland in der "Lies"-Bewegung mit Koranverteilungen aktiv war. Ein Verwandter begleitete sie in die Türkei, wo sie Hadra wiedersah. Der IS-Kämpfer nahm sie in die damalige IS-Hauptstadt Raqqa nach Syrien mit.

In dem Handy fand sich auch eine Bescheinigung des IS gespeichert, dass sie "Witwe eines Märtyrers" ist. Hadra starb nur sechs Wochen nach ihrer Ankunft bei der Schlacht um Kobane, auf dem Handy sind ihre letzten unbeantworteten Nachrichten an ihn. Die Terrormiliz zahlte 1.310 Dollar Entschädigung, zeigen Belege.

Und die Fotos zeigen, was bisher in Deutschland selbst Experten in der Salafistenszene nicht bekannt war: Die Hamburgerin mit tunesischen Wurzeln fand nun mit ihren Kindern ein neues Zuhause bei einem engen Freund ihres Mannes: Dennis Cuspert. Der frühere Rapper aus Berlin war eine zentrale Figur für die Propaganda des IS im deutschsprachigen Raum, er posierte auch in einem Enthauptungsvideo.

2012 war der aus Berlin-Kreuzberg stammende Cuspert untergetaucht, nachdem es in Bonn gewalttätige Auseinandersetzungen zwischen "Pro NRW" und radikalen Salafisten gegeben hatte. Ein Islamist hatte dabei auch zwei Polizisten mit einem Messer verletzt. Für den Messerstecher wurde gesammelt, als Spendenkonto angegeben wurde: ein Konto, das auf den Namen der Hamburgerin lief.

Drohung gegen Deutschland auf dem Handy

Von Moussa veröffentlichte Aufnahmen zeigen, dass die Hamburgerin sich schon in den Jahren vor ihrer Ausreise radikalisiert hatte. Auf Fotos ist sie mit Nikab in Hamburg zu sehen. In Syrien musste dann den Fotos zufolge auch ihre kleine Tochter die Vollverschleierung tragen. Der jüngere Sohn hält auf einem Foto eine Pistole in der Hand.

Auch die Mutter ist auf einem Foto mit Kalaschnikow zu sehen. Außerdem fand sich dort eine Montage mit Drohungen, die IS-Kämpfer vor dem Bundestag zeigen. Auf ihrem Handy war ein inzwischen gesperrter dschihadistischer Twitter-Account zur Unterstützung inhaftierter "Schwestern" eingerichtet.

Dem Bericht zufolge waren auf dem Handy auch Nachrichten von IS-Sympathisanten aus aller Welt, die bei ihr wegen Hilfe oder Rat nachfragten. Wegen des gut vernetzten Cuspert?

Er sorgte offenbar nicht nur für sie. Der Ex-Rapper, Kampfname, Abu Talha al-Almani, schickte ihr auch Liebes-Gedichte auf das Smartphone. Von den deutschen Behörden gab es nüchterne Post: In einem auf dem Handy gefundenen Schreiben teilt das Job-Center ihr mit, dass sie zum 1. April offiziell kein Hartz IV mehr erhält. Grund: "Ausreise ins Ausland (Syrien)".

Freiberuflich in der Beauty-Branche

Die jüngsten Dateien auf dem Handy sind von Ende 2015. Nach "Spiegel"-Informationen reiste sie im September 2016 über die Türkei wieder in die Bundesrepublik ein. Im Netz präsentiert sie sich heute top-gestylt als Freiberuflerin in der Beauty-Branche. Bilder zeigen eine Frau ihres Namens mit Urkunden nach zwei Lehrgängen, in den Kommentaren äußern sich Kundinnen lobend.

Verbindungen in die Islamistenszene könnte sie weiterhin unterhalten: Vergangene Woche gab es große Razzien beim Verein Ansaar International, der der Terror-Hilfe verdächtigt wird. Am Sonntag fragte die Hamburgerin einem Facebook-Posting zufolge dort nach: Wann denn jemand da sei, der Spenden entgegen nehmen könne? Ansaar- und IS-Anhänger gelten allerdings als verfeindet.

Moussa hat die Anschrift der Frau ausfindig gemacht. Die Tochter war allein zuhause, als die Reporterin klingelte. Das Kind sagte dort, sie seien nur in der Türkei und in Tunesien gewesen, dort hat die Frau ihre Wurzeln. Vom IS habe sie nie gehört. Bei einem Anruf von Moussa legte die IS-Witwe auf.

Sie ist nicht die einzige Frau aus Hamburg, die in das IS-Gebiet gereist war. Laut einer Aufstellung der Hamburger Sicherheitsbehörden nach einer AfD-Anfrage hatten sich 17 Frauen nach Syrien abgesetzt. Der Zweck der Reise war vielfach unklar. Im Februar wussten die Behörden von drei IS-Bräuten, die 2015 oder 2016 zurückgekehrt sind.


Wegen des Verdachts der IS-Mitgliedschaft läuft in Hamburg bisher nur ein Ermittlungsverfahren gegen eine Frau. Sie ist aber für deutsche Behörden bisher nicht greifbar. Diese Frau war zur Festnahme ausgeschrieben. Fragen dazu kann die Generalstaatsanwaltschaft nicht beantworten – "wegen einer möglichen Gefährdung der Ermittlungen".

Verwendete Quellen
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