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USA: Proteste wegen George Floyd – Trumps krudes Experiment mit dem Militär


Krise in Amerika
Trumps krudes Experiment

MeinungEine Kolumne von Fabian Reinbold

Aktualisiert am 08.06.2020Lesedauer: 4 Min.
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Donald Trump im Weißen Haus: Profitiert er am Ende gar von der Krise?Vergrößern des Bildes
Donald Trump im Weißen Haus: Profitiert er am Ende gar von der Krise? (Quelle: Erin Schaff/Pool/getty-images-bilder)

Wer ist am Ende: Donald Trump oder die US-Demokratie? Eine Woche erbitterter Proteste zeigt, wie weit der US-Präsident für den eigenen Vorteil bereit ist zu gehen – und wer sich widersetzt.

Washington hat in dieser Woche oft an eine Kampfzone erinnert. Brennende Barrikaden vor dem Weißen Haus, Militärpolizei in Schutzausrüstung, gepanzerte Humvees, wie man sie aus US-Einsätzen im Ausland kennt, prägten das Straßenbild. Sie werden die Fotos gesehen und die Schlagzeilen gelesen haben.

In Deutschland fallen die Kommentare zur Lage besonders scharf aus: Wahlweise spielt Donald Trump Diktator und "erklärt seinem Volk den Krieg" oder aber hat mit seinem Brachialkurs in der Protestwelle jetzt sein endgültiges politisches Aus besiegelt.

Ich sehe das anders. Und ich glaube, diese Woche war eine, in der manche Bilder und Schlagzeilen grob täuschen.

Nehmen wir die Analysen, laut denen Trumps Abwahl nun besiegelt sei. Tatsächlich sind die Indizien gerade erdrückend. In der Protestwelle, die sich um Amerikas große Wunde des Rassismus dreht, ist Trump ein Totalausfall, der wie üblich kein Interesse an Versöhnung hat. Seine Zustimmungswerte sinken, Konkurrent Joe Biden liegt in landesweiten Umfragen klar vorn und auch den meisten der wahlentscheidenden Bundesstaaten. Trump, der lange keine richtige Krise zu meistern hatte, wirkt überfordert von Corona-Krise, Wirtschaftskrise und der Protestwelle. Je düsterer die Lage fürs Land, desto mehr stößt die Selbstbezogenheit des Präsidenten auf.

Alles richtig, aber eben nur eine Momentaufnahme. Könnte Trump langfristig sogar von Unruhen profitieren? Möglich. Darf man den gnadenlosen Wahlkämpfer mit prall gefüllten Wahlkampfkassen unterschätzen? Auf keinen Fall. Und wenn ich eines in meinen Jahren mit Donald Trump gelernt habe, dann dies: Ein Monat mit Trump kann sich wie ein Jahr anfühlen. Die fünf Monate bis zum Wahltag sind eine halbe Ewigkeit und kein Mensch weiß, was bis zum 3. November alles noch passieren kann.

Und nun zu den bedrohlicheren der Analysen: Trumps Drohung, das Militär gegen die Proteste einzusetzen, hat Schockwellen um die Welt geschickt. Er probe die Diktatur, plane einen Staatsstreich, kann man auch bei geschätzten Kollegen lesen. Trägt Trump die US-Demokratie ins Grab?

Was dran ist, konnte man in dieser Woche am besten direkt in Washington beobachten – der Regierungsdisktrikt ist schließlich kein Bundesstaat, sondern direkt der Bundesregierung unterstellt. Hier kann Trump deutlich leichter das Militär einsetzen als im Rest des Landes.

Und er hat D.C. als Versuchslabor benutzt. Woanders blieb Trumps Drohung nur Rhetorik, hier wurde hingegen aufmarschiert.

Interessieren Sie sich für US-Politik? Washington-Korrespondent Fabian Reinbold schreibt über seine Arbeit im Weißen Haus und seine Eindrücke aus den USA unter Donald Trump einen Newsletter. , die dann einmal pro Woche direkt in Ihrem Postfach landet.

Nach dem Gewaltausbruch am Wochenende beorderte Trump Bundeseinheiten in die Stadt. Es folgte der Montagabend, als Kräfte der Bundesregierung auf ein Kommando von Justizminister William Barr mit Blendgranaten, Gummigeschossen und Tränengas einen friedlichen Protest auflösten, damit der Präsident vor einer Kirche eine Bibel in die Kameras halten konnte. Es ist ein Bild, das von Trumps Präsidentschaft bleiben wird.

Es war der Auftakt einer Militarisierung der Stadt: Kurz darauf hörte ich die Kampfhubschrauber ihre Runden im Tiefflug drehen. Ich sah immer mehr Polizeikräfte, aus allen möglichen Behörden: Drogenbehörde, Gefängnisbehörde, Behörde für Alkohol, Feuerwaffen und Tabak. Was es alles gibt.

Militärpolizei in Kampfmontur, Nationalgarden aus zehn Bundesstaaten ließ Trump bringen. Etwas abseits des Protests sah ich die Busse mit der Aufschrift "Adventure Tours", mit denen sie in die Stadt gekarrt wurden. Manche ließen sich überhaupt nicht identifizieren. Klassische Techniken von autokratischen Regimen, die nichts von Rechenschaftspflicht halten. Man wähnte sich eher in Turkmenistan als in Amerika.

Es wurde immer unübersichtlicher. Dies war Trumps große Einschüchterungstaktik. Dann ging noch das Bild vom Lincoln Memorial um die Welt, das Sie sicher gesehen haben. Schon stand die Erzählung vom Ende der liebgewonnenen US-Demokratie.

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Doch das war nur die halbe Wahrheit. Die erhöhte Polizeipräsenz beendete die Gewalt, aber nicht den friedlichen Protest, der größer und größer wurde. Washington ließ sich einfach nicht einschüchtern.

Der zivilen und militärischen Führung der Armee wurde es auch zu bunt. Trumps eigentliche Drohung, reguläre Soldaten zu schicken, blieb unerfüllt. Verteidigungsminister Esper wies das als unnötig zurück. Soldaten, die in Kasernen rund um Washington Quartier bezogen hatten, reisten wieder ab. Und das Lincoln Memorial sah am Donnerstag schon wieder ganz anders aus.

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Natürlich bleibt die Lage zerbrechlich und es strömen auch weiterhin verstörende Bilder aus Protesten in verschiedenen Städten in die Welt. Doch der Montagabend mit Trumps dreistem Wegwälzen friedlicher Demonstranten für einen geschmacklosen Fototermin war nicht nur Auftakt, sondern vorerst auch schon Höhepunkt und Kehrtwende in der Episode "Trump droht mit dem Militär".

Er tat es auch, weil zuvor bekannt geworden war, dass der Präsident in den Bunker des Weißen Hauses geführt wurde. Das ließ ihn schwach dastehen, in seinen Augen und denen seiner Gegner, weshalb er die Maßnahme als "Inspektion des Bunkers" schönlügen wollte. Die Aktion zur Kompensation war so bürgerfeindlich, dass es auch der Militärführung zu bunt wurde.

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Was bleiben wird, ist ein Präsident im zur Festung umfunktionierten Weißen Haus: Besessen davon, bloß nicht als Schwächling dazustehen und hochnervös ob seiner politischen Lage. Er wird natürlich weiter bei jeder Gelegenheit Grenzen austesten, um seinen eigenen Vorteil zu suchen.

Systematisch hat Trump seit Jahren Zweifel gesät an den Regeln, Gesetzen und Institutionen des Systems. Auch an den Wahlen, zuletzt dichtete er vor allem das wegen Corona gefragte Instrument der Briefwahl zum teuflischen Werkzeug seiner Gegner um.

Der Schaden ist noch nicht genau zu beziffern. Das stellt die große Herausforderung für die US-Demokratie dar – doch dass sie in dieser Woche sich zur Diktatur gehäutet hätte, bleibt vorerst ein Schauermärchen.

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