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Heidelore Rampp berichtet aus dem Leben eines Ex-Heimkindes


Aus dem Leben eines Ex-Heimkindes

Von dpa
Aktualisiert am 30.01.2014Lesedauer: 3 Min.
Heidelore Rampp musste selbst traumatische Zeiten im Heim durchleben.Vergrâßern des BildesHeidelore Rampp musste selbst traumatische Zeiten im Heim durchleben. (Quelle: dpa-bilder)
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Sie wurden als Luder oder Kriminelle stigmatisiert. Doch ganz normale Kinder und Jugendliche lebten in den 1950er und 1960er Jahren in deutschen Heimen. Jahrzehnte spΓ€ter kommt das dort erlebte und oft verschwiegene Unrecht ans Licht.

Der Tod der Mutter bedeutete für Heidelore Rampp den tiefsten Einschnitt ihres Lebens. Bis dahin wuchs das Einzelkind behütet im Schoß der Familie in Karlsruhe auf. "1957 wurde auf Knopfdruck alles anders", erzÀhlt die 68-JÀhrige, die heute in Stuttgart lebt. Damals war sie zwâlf Jahre alt und kam auf Wunsch ihres Vaters in ein Heim. Die nÀchsten viereinhalb Jahre waren eine Tortur: Sie wurde nicht nur erniedrigt und ausgebeutet, sondern auch geschlagen und vergewaltigt.

Rampp ist eines der bis zu 800.000 Kinder, die zwischen 1949 und 1975 in kirchlichen oder staatlichen Heimen in Westdeutschland lebten. Bundesweit haben bislang aber nur 9604 Menschen Leistungen aus den beiden Fonds fΓΌr Ex-Heimkinder erhalten, davon 3284 Betroffene aus der ehemaligen DDR.

"Verlassen, betrogen und angelogen"

Heidelore Rampp hat sich nicht kleinkriegen lassen. Sie hat sich dazu durchgerungen, offen mit dem Erlittenen umzugehen und sitzt heute im Beirat der Anlaufstelle Heimerziehung in Stuttgart. "Bei vielen ist es heute noch ein Tabu, von dem selbst enge AngehΓΆrige, sogar Ehepartner, nichts wissen", sagt Irmgard Fischer-Orthwein von der Anlaufstelle.

"Die Menschen fühlen sich schuldig für etwas, für das sie bei Gott nicht selbst schuld sind." Rampp weiß allerdings genau, wem sie ihr Schicksal zu verdanken hat. "Mein Vater hat mich nach dem Tod der Mutter als Last gesehen." Sie fügt bitter hinzu: "Er hat mich verlassen, betrogen und angelogen."

SchlΓ€ge mit dem Rohrstock

An den Tag vor rund 56 Jahren, als Vertreter des Jugendamtes sie quasi entfΓΌhrten, erinnert sie sich, als wΓ€re es gestern. Mit einer Autofahrt zum Arbeitsplatz des Vaters sei sie gelockt worden. Sie landete in einem evangelischen Heim in Lahr. Dort wurde sie anfangs in einen nur mit einer Pritsche und einem Hocker ausgestatten "Besinnungsraum" gesperrt. Alles sei darauf ausgerichtet gewesen, die PersΓΆnlichkeit der Kinder zu brechen: Waschen im Kollektiv, Verzicht auf Eigentum, Verbot von GesprΓ€chen, Zensur von Briefen.

Die MΓ€dchen mussten im angeschlossenen Hof schuften, Bildung wurde kleingeschrieben. Nichtige Bemerkungen reichten aus, um maltrΓ€tiert zu werden. Rampp erinnert sich an SchlΓ€ge mit dem Rohrstock. Dabei beschimpfte die Ordensschwester sie: "Du bist ein liederliches Subjekt." Erst der dritte Ausbruchsversuch, dem eine Γ€rztliche Untersuchung folgte, ΓΌberzeugte den Vater davon, sein Kind nicht lΓ€nger den Misshandlungen auszusetzen. "Bis dahin hat er sich das schΓΆngeredet und mir eine blΓΌhende Fantasie vorgeworfen."

Von Mitbewohnerinnen vergewaltigt

Nach einer kurzen Zeit in einem besseren Heim in Lârrach folgte der blanke Horror in einer Leonberger Anstalt für schwer erziehbare MÀdchen. "Dort habe ich in der Weißzeugstickerei gearbeitet wie nie mehr in meinem Leben", erzÀhlt Rampp, die bis zur Rente als SekretÀrin arbeitete. Geld hat sie dafür nie gesehen. Vom Fonds Heimerziehung hat sie allerdings die den Opfern zustehenden 300 Euro Rentenersatzleistung für jeden Monat Arbeit im Heim erhalten.

Das grâßte Leid fügten der Jugendlichen Mitbewohnerinnen zu. Die beiden Àlteren MÀdchen vergewaltigten sie im Schlafraum. Die Schwestern kanzelten das Opfer mit den Worten ab: "Du wirst schon das Deinige dazu beigetragen haben." Hatte das Erlebnis Folgen für spÀtere Beziehungen? Ja, meint die Mutter zweier Sâhne. Sie fasse schwer Vertrauen. "Mein Mann hat es nicht einfach gehabt", fügt sie hinzu. Nach Angaben der Anlaufstelle haben rund zwei Drittel der Betroffenen sexuelle Gewalt erlebt.

Die seelischen SchΓ€den hat Rampp nach einem beruflichen RΓΌckschlag 2006 aufgearbeitet. DafΓΌr schrieb sie ihre Leidensgeschichte nieder, allerdings um den Preis eines Nervenzusammenbruchs und zweier HΓΆrstΓΌrze. Rampp reichte gemeinsam mit anderen ehemaligen Heimkindern Petitionen beim Landtag und beim Bundestag ein. "Uns ging es nicht ums Geld, sondern um die Anerkennung des Leids." Noch immer verschlΓΆssen viele die schmerzvolle Vergangenheit im Innern. "Ich kann nur an alle appellieren, die Scham zu ΓΌberwinden und die Chance zu nutzen, das einzufordern, was uns zusteht."

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