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Kolumne Feminismus hat auch im Islam einen Platz


Gegen Unterdrückung
Feminismus gehört auch zum Islam

  • Lamya Kaddor
MeinungEine Kolume von Lamya Kaddor

09.03.2018Lesedauer: 4 Min.
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Mitglieder einer liberalen muslimischen Gemeinde beten in Köln: Auch im Islam lässt sich der Widerstand gegen die Unterdrückung der Frauen führen, findet unsere Kolumnistin.Vergrößern des Bildes
Mitglieder einer liberalen muslimischen Gemeinde beten in Köln: Auch im Islam lässt sich der Widerstand gegen die Unterdrückung der Frauen führen, findet unsere Kolumnistin. (Quelle: Archivbild/Oliver Berg/dpa)

Die Diskriminierung von Frauen beschränkt sich nicht auf einen Kulturkreis. Aber der Widerstand ist ebenfalls universell – auch innerhalb des Islam lässt sich der Kampf gegen Sexismus führen.

"Ich wünsche Ihnen noch ein fröhliches Brüten." Mit diesen Worten verabschiedete sich ein ehemaliger Bundesminister von mir nach einer Talkshow. Wir hatten noch im Gästeraum zusammengestanden und ich war damals schwanger.

"Möchtest Du mich als Zweitfrau heiraten?" Das fragte mich ein Mufti, den ich im Rahmen eines beruflichen Aufenthaltes in den USA getroffen hatte.

"Du wirst niemals Deutsche sein. Ich werde dich ficken und dann gehörst Du vergast!" Das war in einer E-Mail an mich zu lesen, die mir ein Mann jüngst unter seinem Klarnamen schrieb.

"Wie machen Sie das eigentlich mit Ihren Kindern, wenn Sie so viel arbeiten und so oft unterwegs sind?" Diese Frage höre ich andauernd von Männern und auch von Frauen.

Der Feminismus hat ein berechtigtes Anliegen

All solche Äußerungen zeigen, warum der Feminismus ein berechtigtes Anliegen hat. Männer müssen sich mit vergleichbaren Fragen beziehungsweise Aussagen kaum auseinandersetzen. Und wenn, ist es zwar ebenso unerfreulich, aber dennoch eine Ausnahme. Frauen, vor allem wenn sie sich in der Öffentlichkeit äußern (und da reichen schon die sozialen Medien), werden immer mit den Klischees der alten Rollenmuster traktiert oder mit sexualisierten Diskriminierungen und Gewaltfantasien konfrontiert.

Nun ich kann mir vorstellen, dass manche die Problematik der eingangs zitierten Aussagen gar nicht immer sehen. Was ist daran so schlimm, schwangeren Frauen das Gefühl zu geben, dass sie es tiergleich machen, wenn sie "brüten". Es war vermutlich nicht beleidigend gemeint, aber wenn diese Worte nach einer politischen Talkshow vor weiteren anwesenden Gästen süffisant ausgesprochen werden, fühlt frau sich unangenehm berührt und betroffen. Würde man denn umgekehrt mit einem werdenden Vater so sprechen? Würde man einem Mann, der sein Kind an der Hand hat, nach einer Talkshow noch ein fröhliches Großziehen wünschen?

Frauen werden oft auf ihre Gebärfähigkeit reduziert

Neben dem Ansinnen, Frauen nicht als reines Sexualobjekt zu sehen, muss ein Feminismus auch dafür sorgen, sie nicht dauernd auf ihre Reproduktions- und Gebärfähigkeit zu reduzieren. Diese beiden Funktionen des weiblichen Körpers sind immer noch zu häufig ein Hinderungsgrund für die Gleichstellung und Gleichberechtigung von Frauen – selbst in unserer modernen Gesellschaft.

Feminismus ist universell. Er muss in jedem Kulturkreis und jeder Gesellschaft die gleichen Ansprüche vertreten, wobei klar ist, dass dies in unseren freiheitlich-demokratischen Ordnungen wesentlich leichter ist als in patriarchalischen Gesellschaften mit ihren oft autoritären politischen Herrschaftsstrukturen. In Gesellschaften wie den europäischen, die sich immer weiter diversifizieren, liegt die Zukunft vor allem im intersektionalen Feminismus, der kultur-, religions- und länderübergreifend verstanden wird.

Selbstverständlich ist es problematisch, ja geradezu ätzend, wenn ich gefragt werde, ob ich mir die Ehe mit einem islamischen Geistlichen als Zweitfrau vorstellen könne; im Übrigen nicht das erste Mal, dass mir diese Frage als Muslimin gestellt wurde. Auch an diese Betrachtungsweise von Frauen muss der Feminismus ran. Abgesehen davon, dass ich nicht die Zweitfrau eines Mannes sein will, möchte ich genauso wenig, dass Männer willkürlich damit argumentieren können, ihr Glaube erlaube es ihnen.

Männliche Dominanz nicht durch Gott zu begründen

Frauen dürfen es nicht hinnehmen, wenn männliche Dominanz damit begründet wird, dass dies schon immer so gewesen sei oder – wenn das "Argument" ausgespielt ist – dass Gott patriarchale Verhältnisse angeblich legitimiere. Frauen, die die Möglichkeit haben, sich dagegen zu erheben, ohne Leib und Leben zu riskieren, sollten dies mit den ihnen zur Verfügung stehenden Mitteln tun. Es reicht mitunter schon, in der eigenen Familie dafür zu werben. Frauen indes, die sich durch öffentlichen Widerstand ernsten Gefahren aussetzen, wie jenen, die gerade im Iran gegen den Kopftuchzwang aufbegehren oder früher in Saudi-Arabien gegen das Autofahrverbot vorgegangen sind, haben eine besondere Hochachtung verdient.

Der Widerstand lässt sich auch innerhalb des Islam führen. Ein Beispiel dafür ist der islamische Feminismus von Frauen wie Amina Waddoud in den USA oder Rabeya Müller in Deutschland. Sie zeigen, dass man Religion im Kampf für die Frauenrechte nicht in Bausch und Bogen verdammen muss. Ihnen geht es darum, die selbst legitimierte Dominanz durch theologische Argumente zu entmachten. Letztlich steckt nämlich hinter den meisten gesellschaftlich relevanten Lehren der Religion immer ein Machtanspruch des männlichen Geschlechts. Schließlich haben, solang das Recht des Stärkeren galt, zumeist Männer in der Geschichte der Menschheit das Sagen gehabt. Dies klagt der islamische Feminismus zu Recht an.

Nicht jede muslimische Tradition ist frauenfeindlich

Zugleich bemüht er sich jedoch, nicht alles, was traditionelle muslimische Frauen ausmacht, per se als Unterdrückungssymbol und damit als frauenfeindlich zu kategorisieren. Eine pauschale Verdammung hat so viel mit Feminismus zu tun, wie der Anspruch jener Männer, die meinen, es sei zum Wohl der Frauen, wenn sie als Zweit-, Dritt- oder Viertfrau geehelicht würden, weil sie sie so vor dem sozialen Abstieg retteten.

Feminismus sollte "empowern" und nicht bevormunden. Statt Frauen selbst einer eigenen Überzeugung zu unterwerfen, sollte Feminismus Frauen das notwendige Werkzeug bereitstellen, damit sich Frauen in jeglicher Hinsicht frei entscheiden und entfalten können.

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