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Grundgesetz: Von der "Idiotenfibel" zum Fundament der Demokratie


70 Jahre Grundgesetz
Von der "Idiotenfibel" zum Fundament der Demokratie

Von Nathalie Rippich

23.08.2018Lesedauer: 3 Min.
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Verfassungskonvent: Unter dem Vorsitz des bayerischen Staatssekretärs Anton Pfeiffer arbeitete eine Expertenrunde die Grundlagen des späteren Grundgesetzes.Vergrößern des Bildes
Verfassungskonvent: Unter dem Vorsitz des bayerischen Staatssekretärs Anton Pfeiffer erarbeitete eine Expertenrunde die Grundlagen des späteren Grundgesetzes. (Quelle: ullstein-bild)

Heute vor 70 Jahren wurde auf einer Insel im Chiemsee der Grundstein für das Land gelegt, in dem wir heute leben. Aus einer "Idiotenfibel" ist das grandiose Grundgesetz erwachsen.

"Die Würde des Menschen ist unantastbar": So steht es im ersten Artikel des Grundgesetzes, der Verfassung der Bundesrepublik Deutschland. Seit dem 23. Mai 1949 ist sie in Kraft. Der Grundstein für dieses Fundament unserer heutigen Gesellschaft wurde vor 70 Jahren auf einer Insel im Chiemsee gelegt.

Dort trafen sich im August 1948 elf kluge Köpfe, um dem Land, das sich noch lange nicht von den Schrecken des Zweiten Weltkriegs und den Monstern der Diktatur erholt hatte, eine Grundstruktur zu geben. Es waren elf stimmberechtigte Berater samt weiterer Experten, die im Auftrag der elf Ministerpräsidenten in West-Deutschland verhandelten. Ihre Mission war klar: Sie sollten innerhalb von zwei Wochen einen Bauplan für einen neuen deutschen Staat entwerfen. Eine "Idiotenfibel", wie der Versammlungsführer Anton Pfeiffer das entstehende Verfassungsmanuskript nannte. Denn mit der Anleitung von der Herreninsel sollte der im September 1948 zusammentretende Parlamentarische Rat in den folgenden Monaten eine rechtsgültige Verfassung niederschreiben.

Das Grundgesetz ist Mahnung und Lehre

Das Ergebnis des Verfassungskonvents – so werden die zwei Wochen auf der Herreninsel in die Geschichte eingehen – kann sich sehen lassen. Heute vor 70 Jahren haben die Entsandten einen Entwurf vorgelegt, der in großen Teilen bis heute unser Leben prägt.

Das Grundgesetz, das aus dem Manuskript hervorgegangen ist, ist mehr als nur ein Gegenentwurf zur Weimarer Reichsverfassung, dem ersten Demokratieversuch der Deutschen. Diese wies – das konnten die damaligen Verfasser kaum vorhersehen – strukturelle Schwächen auf, die den Nationalsozialisten die Türen öffneten. Noch einmal, da war man sich auf der Herreninsel einig, darf eine Verfassung nicht versagen. Das Grundgesetz ist Mahnung und Lehre zugleich.

Die Demokratie steht fest wie das Amen in der Kirche

"Die Würde des Menschen ist unantastbar", prangt deshalb über allem, was im Grundgesetz noch folgt. Unabänderlich ist dieser erste Artikel, auch das steht in der Verfassung. Genauso wie die Verfasstheit Deutschlands als demokratische Republik, föderal, sozial und als Rechtsstaat. An diesen in Artikel 20 niedergeschriebenen Grundsätzen kann nicht gerüttelt werden, darf nicht gerüttelt werden. Keine Lücken, die Feinde der Demokratie ausnutzen können – nicht noch einmal!

Die Verfasser schützen mit den Grundgesetzen den Bürger vor dem Staat, vor der Macht der Mächtigen, vor Willkür. Und sie schützen das Grundgesetz selbst. Artikel 1 und 20 stehen fest wie das Amen in der Kirche, für die gilt die sogenannte "Ewigkeitsklausel". Alle anderen Artikel sind nur mittels Zweidrittelmehrheit im Bundestag und im Bundesrat zu ändern. So ist das Grundgesetz flexibel für gesellschaftliche Entwicklungen und doch wehrhaft gegen Angriffe.

Das heutige Deutschland ist an seiner Verfassung gewachsen

Eine der größten Stärken: Mit seinem Artikel 5 erlaubt es jedem, seine Meinung frei zu äußern. Das ist nicht selbstverständlich. Dass wir es aber genau dafür halten, zeigt, welche Kraft das Grundgesetz hat.

Das ist noch einmal um so bemerkenswerter, wenn wir uns an die Situation 1948 erinnern. 1948 gab es keine gesellschaftliche Revolution, keine Proteste, kein allgemeines Verlangen nach einer demokratischen Verfassung. Das Land lag zu großen Teilen noch in Trümmern. Viele Väter, Söhne, Brüder waren aus dem Zweiten Weltkrieg nicht nach Hause gekommen, Nahrung war knapp. Die Menschen hatten eigentlich andere Sorgen, als sich um eine Verfassung zu kümmern.

Und in genau dieser Zeit hatten einige wenige die Weitsicht, die innovative Kraft, in die Zukunft zu denken. Erst war das Grundgesetz, dann erwachte die Demokratie nach und nach zum Leben. An ihm ist die Gesellschaft gewachsen, hat gelernt. Einige wenige haben uns mit ihrem Glauben an eine bessere Zukunft das Leben ermöglicht, das wir heute führen. Ein Leben in Freiheit und Frieden. Genau darin liegt die Feierlichkeit des Grundgesetzes. Genau das ist seine Stärke.

Verwendete Quellen
  • Eigene Recherchen
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