Bis an die Grenze zum Weltraum Neue Waffensysteme sollen deutsche Luftverteidigung stärken

Die Bundeswehr reagiert auf die veränderte Bedrohungslage durch Raketen und Drohnen. Hunderte neue Waffensysteme sollen die Luftverteidigung stärken.
Die Bundeswehr hat Pläne vorangetrieben, ihre bodengebundene Luftverteidigung deutlich auszubauen. Laut dem Fachmagazin "Hartpunkt" sollen in den kommenden Jahren mehrere Hundert neue Waffensysteme und Tausende Flugkörper beschafft werden.
Hintergrund ist eine veränderte Bedrohungslage: Infolge des Krieges in der Ukraine und der Konflikte im Nahen Osten, so die Analyse im Bericht, sei deutlich geworden, dass mittlerweile nicht nur Staaten, sondern auch Milizen über weitreichende Raketen- und Drohnenwaffen verfügen. Der Schutz gegen solche Angriffe lasse sich nur durch ausreichend verfügbare und leistungsfähige Luftabwehrsysteme sicherstellen.
Ausbau der Verteidigungsfähigkeit in allen Abfangschichten
Bisher habe es der Bundeswehr vor allem an ausreichender Anzahl entsprechender Systeme gefehlt. Durch die Grundgesetzänderung zur Ausnahmeregelung bei Verteidigungsausgaben stünden nun erstmals Mittel bereit, um diese Lücken zu schließen.
Den Informationen von "Hartpunkt" zufolge plant die Bundeswehr die Verstärkung ihrer Luftabwehr in allen Abfangschichten. Allein für den Nahbereich werde mit einem Bedarf von 500 bis 600 Flugabwehrkanonen des Typs Skyranger gerechnet. Hinzu komme ein geplanter Aufbau von etwa 100 Flugabwehrpanzern mit Iris-T-SLS-Bewaffnung, die sich derzeit noch in Entwicklung befinden.
Auch bei den mittleren Reichweiten sollen zusätzliche Systeme des Typs Iris-T SLM beschafft werden. Die Luftwaffe strebe zunächst sechs weitere Einheiten an, langfristig könnte der Bedarf aber deutlich höher liegen. Darüber hinaus zeige sie Interesse an der Weiterentwicklung Iris-T SLX, die mit einer Reichweite von bis zu 80 Kilometern größere Distanzen abdecken soll als das derzeit eingesetzte SLM-System. Der Hersteller Diehl Defence arbeite an einem Startsystem, das beide Flugkörpertypen abfeuern könne. Nach Einschätzung von Beobachtern befinde sich das Verteidigungsministerium bereits in Gesprächen mit dem Unternehmen.
Bereits beauftragt wurde die Lieferung von acht Patriot-Feuereinheiten in der Konfiguration C3+ aus den USA. Nach Abgabe von drei Systemen an die Ukraine würde die Luftwaffe damit über insgesamt 17 Patriot-Einheiten verfügen. Begleitend dazu wurden mehrere Hundert Raketen vom Typ GEM-T und PAC-3 MSE bestellt. Für Letztere sollen die Startgeräte schrittweise auf die Version M903 umgerüstet werden, um sie mit den neuen Flugkörpern kompatibel zu machen. Ein weiterer Vertrag mit Raytheon für zusätzliche GEM-T-Raketen sei laut dem Bericht in Vorbereitung.
Erste Einheit noch dieses Jahr
Auch im Bereich der tragbaren Flugabwehr werde der Bedarf deutlich steigen. So sei geplant, 3.000 Stinger-Raketen zu beschaffen, von denen bereits 500 bei Raytheon bestellt worden seien. Gemeinsam mit den Niederlanden verfolge Deutschland zudem den Aufbau einer europäischen Stinger-Produktionslinie. Die Freigabe durch US-Behörden stehe allerdings noch aus.
In der höchsten Abfangschicht will die Luftwaffe künftig auf das in Israel entwickelte Arrow-4-System setzen. Dieses Waffensystem kann Ziele bis an die Grenze zum Weltraum abfangen und ist mit existierender Infrastruktur kombinierbar. Eine erste Einheit des Vorgängersystems Arrow-3 werde laut "Hartpunkt" noch in diesem Jahr im Nordosten Deutschlands in Betrieb genommen.
Noch ein Jahrzehnt, bis alle Systeme einsatzbereit sind
Parallel zum Ausbau der Systeme wird auch ein erheblicher Bedarf an Munition erwartet. So führe ein Skyranger beispielsweise 300 Patronen spezieller Air-Burst-Munition mit. Auf Grundlage dieser Zahlen lasse sich ein theoretischer Mindestbedarf von rund 4,5 Millionen Patronen berechnen, sollte die Bundeswehr 30 Tage lang einsatzbereit bleiben wollen. Auch bei Flugkörpern wie dem DefendAir, Iris-T SLS oder PAC-3 MSE ließen sich ähnliche Bedarfsprognosen ableiten.
Allerdings wird im Bericht darauf hingewiesen, dass es sich dabei um rechnerische Näherungen handelt. Selbst wenn sämtliche Beschaffungen erfolgen und ein entsprechender Munitionsvorrat angelegt wird, werde es voraussichtlich noch ein Jahrzehnt dauern, bis alle Systeme, Flugkörper und die notwendige Infrastruktur vollständig zur Verfügung stehen.
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