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Klebe-Proteste der Klimaaktivisten: "Anders geht es nicht mehr"


Provokativer Protest
Treiben die Klima-Kleber es zu bunt?


Aktualisiert am 01.11.2022Lesedauer: 3 Min.
Interview
Was ist ein Pro & Kontra?

Die subjektive Sicht zweier Autoren auf ein Thema. Niemand muss diese Meinungen übernehmen, aber sie können zum Nachdenken anregen.

Zwei Aktivistinnen der "Letzten Generation" im Berliner Naturkundemuseum: Am 30. Oktober klebten sie sich an den Stahlträgern eines Dinosaurierskeletts fest.Vergrößern des Bildes
Zwei Aktivistinnen der "Letzten Generation" im Berliner Naturkundemuseum: Am 30. Oktober klebten sie sich an den Stahlträgern eines Dinosaurierskeletts fest. (Quelle: Die letzte Generation/ Tenzin Heatherbell)

Die Fakten haben sie auf ihrer Seite, die öffentliche Meinung nicht so ganz: Mit Klebe-Protesten erregen Klimaaktivisten Aufmerksamkeit. Nutzt das der Sache?

Erst richtete die "Letzte Generation" das Schwert gegen sich selbst: Vor der Bundestagswahl 2021 traten mehrere Mitglieder in den Hungerstreik, um den Spitzenkandidaten der Parteien stärkere Klimaschutzversprechen abzuringen. Das klappte nur bedingt.

Es folgten Blockaden an Flughäfen und die symbolische Verlegung einer Pipeline vor dem Bundeswirtschaftsministerium. Alles ohne anhaltendes Medienecho.

Inzwischen haben die Klimakämpfer eine effektivere Strategie gefunden: Mit Sekundenkleber und Körpereinsatz legen sie den Verkehr lahm, besetzen Museen und Ministerien. Darunter sind nicht nur junge Aktivisten, sondern auch renommierte Wissenschaftler, Mütter und Priester. Das sorgt teils für Unverständnis, teils für Applaus und immer für Berichterstattung.

Aber: Hilft der Klebe-Protest dem Klima?

Ja, anders geht es nicht mehr

Das Pro von Theresa Crysmann

Gemälde im Millionenwert, Dinoknochen aus der Urzeit, Hauptverkehrsadern und das Finanzministerium: Klimaaktivistinnen und -aktivisten haben überall die Hand drauf. Und das ist gut so.

Der Ausnahmezustand, den sie mit Mut und Sekundenkleber heraufbeschwören, trägt die Klimakrise in Alltag und Medien. Das mag nerven, doch anders geht es anscheinend nicht.

Bevölkerung, Politik und Wirtschaft sind sich im Großen und Ganzen zwar einig: Das Zeitalter von Kohle, Öl und Gas muss vorbei sein, die Zukunft gehört den erneuerbaren Energien. Bei der Umsetzung der Energiewende hapert es allerdings gewaltig.

Also setzen die "Letzte Generation" und ihre Mitstreiter der Gesellschaft die Klebepistole auf die Brust. Sie zeigen: Die Klimakrise wird nichts und niemanden verschonen – wir auch nicht.

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Wer das als Verzweiflungstat bezeichnen möchte, liegt nicht falsch: Die Lage ist wahrlich zum Verzweifeln. Welchen Wert hat ein Landschaftsbild von Monet, wenn das Absterben nahezu aller Korallenriffe weltweit nur zu deprimiertem Schulterzucken führt?

Was haben wir aus dem Untergang der Dinos gelernt, wenn wir die Erderhitzung weiter so anfeuern, dass ganze Erdregionen in fünfzig Jahren unbewohnbar sein werden? Solche Fragen lassen die Aktionen der Klima-Kleber selbst zu Kunst werden.

Die Kontroversen, die sie damit kreieren, sorgen dafür, dass die Klimakrise endlich die nötige Aufmerksamkeit bekommt. Inwiefern sich daraus auch politischer Druck ergibt, muss sich noch erweisen. Doch die Chancen stehen nicht schlecht: Die einst als Schulschwänzerin verunglimpfte Greta Thunberg hat eine gigantische Klimabewegung angestoßen, die Millionen auf die Straßen geholt und den Klimaschutz überall auf die Agenda gehoben hat.

Doch nach knapp fünf Jahren sind die provokationsfreien Klimademos im politischen Grundrauschen untergegangen. Es ist Zeit für eine neue Eskalationsstufe. Die Klima-Kleber zeigen, wie das kreativ und gewaltfrei gehen kann. Ein Hoch auf Kartoffelbrei und Zivilcourage.

Nein, so lassen sich keine Mehrheiten finden

Das Kontra von Camilla Kohrs

Man stelle sich vor: Eine Radfahrerin wird von einem Lastwagen überrollt, ist schwer verletzt eingeklemmt. Das Spezialfahrzeug der Feuerwehr aber, das diesen Lastwagen anheben könnte, steckt im Stau – verursacht durch Klimaaktivisten, die sich auf die Fahrbahn kleben. Das Fahrzeug kommt zu spät zum Unfallort, die Einsatzkräfte müssen improvisieren, das Leben der Frau schwebt in Gefahr.

Die Geschichte kommt Ihnen bekannt vor? Kein Wunder. Denn sie ist wahr und hat sich so am Montag in Berlin zugetragen.

Der Fall ist nur ein bislang trauriger Höhepunkt der seit einigen Monaten andauernden Protestreihe. Ja, der Autoverkehr ist einer der größten Klimatreiber und es braucht dringend Lösungen. Nur: Welchen Sinn hat es, kilometerlange Staus zu verursachen?

Diejenigen, die auf Autos angewiesen sind, werden weiterhin fahren müssen. Wie Fahrdienste für Senioren, die etwa Mahlzeiten zu den nicht mehr mobilen Menschen bringen. Oder Handwerker, die ihre Ausrüstung kaum mit der S-Bahn oder dem Bus zu den Kunden transportieren können. Besonders bitter: Viele Handwerker werden nach Auftrag bezahlt. Stehen sie stundenlang im Stau, verlieren sie bares Geld.

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Natürlich staut es sich auch aus anderen Gründen. Nur: Muss es noch einen weiteren geben, der im Zweifel lebensrettende Maßnahmen verzögert?

Da hilft es auch nicht, dass die Klimaaktivisten darauf hinweisen, der Lastwagen habe den Unfall verursacht und nicht sie, und dass sie bei ihren Blockaden eine Rettungsgasse freilassen. Muss ein Rettungsfahrzeug durch einen kilometerlangen Stau fahren, verliert es trotzdem Zeit. Die Wut vieler Menschen ist deshalb verständlich.

Zwar erregen diese Protestaktionen Aufmerksamkeit. Doch ob diese wirklich dem Zweck nutzt, ist mehr als fraglich. Wie das Meinungsforschungsinstitut Civey für das Portal "web.de" ermittelte, sagen 75 Prozent der Deutschen, dass sich durch die jüngsten Aktionen ihre Einstellung gegenüber der Klimaschutzbewegung verschlechtert hat.

Das sollte den Aktivisten ein Warnsignal sein. Denn die Unterstützung aus der breiten Mitte der Gesellschaft ist entscheidend dafür, ob das Mega-Projekt Klimaneutralität gelingt. Statt sich also an Straßen oder Gemälde zu kleben, sollten die Demonstranten lieber die nerven, die die Entscheidungen tatsächlich treffen: die Politiker und Unternehmen.

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