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Steuern in Japan: Kommunen kämpfen um Steuerspenden


Teure Geschenke und andere Vorteile
In Japan eskaliert der Kampf um die Steuern

Von Tobias Eßer

22.08.2023Lesedauer: 3 Min.
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Krabbenfischen in Japan (Symbolbild): Im Gegenzug für ihre Steuergelder machen Kommunen den japanischen Bürgern teure Geschenke, unter anderem luxuriöse Speisen.Vergrößern des Bildes
Krabbenfischen in Japan (Symbolbild): Im Gegenzug für ihre Steuergelder machen Kommunen den japanischen Bürgern teure Geschenke, unter anderem luxuriöse Speisen. (Quelle: Imago)

Japan hat ein innovatives Steuersystem eingeführt. Doch was als Hilfe für abgelegene Kommunen begann, hat sich zu einem knallharten Wettkampf entwickelt.

Steuern zahlen dürfte wohl den Wenigsten gefallen – und doch sind die Abgaben an den Staat ein wichtiges Instrument, um grundlegende Dinge wie Straßen oder Schulen in Schuss zu halten. In Japan haben die Bürger es seit 15 Jahren sogar in der Hand, wohin ein Teil ihrer Steuern geht.

Der ehemalige Premierminister Yoshihide Suga hat das System entwickelt. Bürger können entscheiden, in welche Kommunen ein Teil ihrer Steuern fließen soll. Geld können sie auch dann verteilen, wenn sie gar nicht in der entsprechenden Kommune wohnen. Als Gegenleistung für ihre Abgabe erhalten sie Geschenke.

Der Kampf um die Steuergelder ist entbrannt

Ursprünglich sollte das System ländlichen Kommunen helfen, die durch die Landflucht in Japan nur noch wenige Steuereinnahmen hatten. Mittlerweile hat sich das System allerdings verselbstständigt, berichtet das "Wall Street Journal" (WSJ). In Japan ist ein knallharter Kampf um die Steuergelder der Bürger entbrannt.

Im vergangenen Jahr haben neun Millionen Steuerzahler in Japan einen Teil ihrer Steuern an Kommunen gezahlt, in denen sie nicht wohnen. Bis zu 20 Prozent ihrer Einkommensteuer können die Japaner so verteilen. Die Kommunen wiederum dürfen bis zu 30 Prozent der so generierten zusätzlichen Steuereinnahmen für Dankesgeschenke an die Spender reinvestieren. So wurden in der letzten Steuerperiode, die von März 2022 bis März 2023 dauerte, etwa 6,3 Milliarden Euro verteilt.

Die Kommunen wollen sich übertreffen

Angesichts dieser Geldsumme versuchen sich die japanischen Kommunen gegenseitig mit ihren Dankesgeschenken an die Steuerspender zu übertreffen. Dem Bericht des "WSJ" zufolge vergleichen viele Japaner die Umverteilung ihrer Steuergelder mittlerweile mit Onlineshopping. Denn die Kommunen geben vor dem Termin zur Entrichtung der Steuern in öffentlich einsehbaren Listen bekannt, welche "Geschenke" sie bei welchem "Spendenwert" verteilen.

"Meine Spende suche ich nicht wegen einer vorhandenen Verbindung zu irgendeiner Kommune aus", berichtet die Finanzberaterin Yoko Koizumi aus der Metropole Yokohama im Gespräch mit dem "WSJ". "Ich schaue mir die Listen der Kommunen an und denke 'Das würde ich gerne essen'". Koizumi nutzt das Programm, um ihre Speisekammer in jedem Jahr mit Fleisch, Fisch und Gemüse, aber auch mit Luxusprodukten wie Kaviar, Jakobsmuscheln und Krabben zu füllen.

Auch ihre Kinder hätten sich schon an das System gewöhnt. "Neben ihrer Badewanne hängt eine Landkarte, auf der wir die Ursprungsorte der Produkte in unserer Speisekammer markieren", erzählt die Finanzplanerin.

"Das System ist ein Fehler"

Mittlerweile kämpft das Innenministerium in Japan gegen die Außenwirkung, die das System mit sich bringt. "Das Umverteilungssystem der Steuern hat nichts mit Onlineshopping zu tun", sagt Yuta Akutsu, die im Ministerium für die kommunale Steuerverteilung zuständig ist, dem "WSJ". Nur um dann doch zuzugeben: "Es hat sich nur in etwas verwandelt, das wie Onlineshopping anmutet."

Doch wo es Gewinner gibt, muss es auch Verlierer geben. Einer davon ist der Stadtbezirk Setagaya in Tokio. Für das kommende Jahr prognostiziert die Kommune einen Verlust bei den Steuereinnahmen in Höhe von umgerechnet 63 Millionen Euro. "Das System ist ein Fehler", sagt Bürgermeister Nobuto Hosaka. Wenn es so weiterginge, könnte der Bezirk die Finanzierung von Straßenreparaturen und der Müllentsorgung nicht mehr stemmen.

Bis 2019 hatte sich Setagaya dagegen gewehrt, Geschenke für Steuerabgaben zu verteilen. Dann musste die Kommune wegen fehlender Gelder einknicken und Hotelgutscheine und teuren Schmuck anbieten – die Spendengelder verdoppelten sich daraufhin im Jahr 2020, berichtet das "WSJ".

Bürgermeister für einen Tag – für 6.300 Euro

Um die Gunst der Steuerzahler zu gewinnen, sind die Angebote für Geschenke immer wahnwitziger geworden. Goka, eine kleine Stadt nördlich von Tokio, versprach 2019 einen Kran, einen Kipplaster und drei Bagger im Gegenzug für eine Steuerspende in Höhe von 2,3 Millionen Euro.

Die Kleinstadt Takikawa auf der nördlichsten japanischen Hauptinsel Hokkaido geht noch einen Schritt weiter. Für eine Spende von umgerechnet rund 6.300 Euro können Steuerzahler für einen Tag zum Bürgermeister ernannt werden. Einen Tag lang dürfen sich Spender dann auf den Stuhl des Bürgermeisters setzen, einen Beschluss des Stadtrats abstempeln, mit Einwohnern über die Probleme der Stadt sprechen. Anschließend bekommen sie noch eine lokale Spezialität serviert – gekocht vom gewählten Bürgermeister der Stadt.

Mit dem System der Steuerumverteilung haben die japanischen Behörden ein Monster geschaffen, das sie nicht mehr zähmen können. Im Gespräch mit dem "WSJ" fordern mehrere Bürgermeister eine Veränderung des Systems, die allerdings als unwahrscheinlich gilt. Denn in der Bevölkerung ist das "Shoppen für Steuergelder", wie es die Finanzplanerin aus Yokohama nennt, sehr beliebt.

Verwendete Quellen
  • wsj.com: "Don’t Like Paying Taxes? Would Free Merch Change Your Mind?" (englisch)
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