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Marla Svenja Liebig: Wer den alten Namen nennt, wird angezeigt


Rechtsextreme Führungsfigur
Wer Marla Svenja Liebichs alten Namen nennt, wird angezeigt


Aktualisiert am 04.07.2025 - 22:55 UhrLesedauer: 5 Min.
Mit Schnäuzer, Hut und lackierten Fingernägeln: Marla Svenja Liebich auf der Anklagebank in Leipzig.Vergrößern des Bildes
Mit Schnäuzer, Hut und lackierten Fingernägeln: Marla Svenja Liebich auf der Anklagebank in Leipzig neben Verteidiger Sebastian Lehr. (Quelle: Live-Report Leipzig)
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Marla Svenja Liebich erstattet nach Änderung ihres Geschlechtseintrags Anzeigen wie am Fließband, wenn jemand ihren alten männlichen Vornamen nutzt. Das führt nun auch zu Ermittlungen gegen Liebich selbst.

Noch eine weitere Gefängnisstrafe für Marla Svenja Liebich? Im Berufungsprozess vor dem Landgericht Leipzig sitzt am Freitag eine Person mit Schnurrbart, lackierten Fingernägeln, Hut und schwarzer Hose. Eine Kette mit Davidstern hängt über dem schwarzen Oberteil mit Schulterbesatz in Leopardenoptik. Verhandelt wird ein mutmaßlicher Übergriff auf einen Fotografen im Jahr 2020. In Leipzig jetzt nutzt Liebich als Frau die Verhandlung als offene Bühne. In erster Instanz war Liebich wegen gemeinschaftlicher Körperverletzung zu sieben Monaten ohne Bewährung verurteilt worden – unter einem männlichen Vornamen.

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Dazu findet sich sehr knapp ein Detail im Verfassungsschutzbericht des Landes Sachsen-Anhalt, wo sich seit Jahren einiges über die Führungsfigur der rechtsextremen Szene nachlesen lässt. In einer Fußnote zum Kapitel "Rechtsextremistische Aktivitäten von Marla Svenja Liebich" heißt es: "Seit November 2024 ist Sven Liebich nach dem Gesetz über die Selbstbestimmung in Bezug auf den Geschlechtseintrag Marla Svenja Liebich zu nennen." Das Innenministerium hat vorab einen Hinweis von Liebich bekommen, dass darauf zu achten sei.

Die Angelegenheit ist pikant: Eine durch ständige Provokationen aufgefallene Person nutzt die neuen rechtlichen Möglichkeiten des Selbstbestimmungsgesetzes, das Transsexuellen deutlich mehr Rechte als in der Vergangenheit einräumt.

Der Geschlechtseintrag kann nach einer Gesetzesänderung seit November 2024 unkompliziert geändert werden: Während früher zwei psychiatrische Sachverständigengutachten vorgelegt werden mussten, genügte Liebich im November 2024 eine persönliche Erklärung. Und um Betroffene vor einem Zwangsouting zu schützen, gibt es ein "Offenbarungsverbot". Wer missgendert oder den alten Namen nutzt, um einer Person absichtlich zu schaden, riskiert ein Ordnungswidrigkeitenverfahren und eine Geldbuße bis zu 10.000 Euro.

1.000 Anzeigen sind der Plan

Liebich geht sogar weiter. Liebich erstattet Strafanzeigen wegen Beleidigung. Und das in einer Art, die auch zu neuen Ermittlungen führt.

Ein Posting auf Facebook oder X mit Nennung des alten Namens reicht vielfach, dass Liebich eine Anzeige formuliert. 1.000 Anzeigen nannte Liebichs Account auf X vor Kurzem als bald erreichbares Ziel, mehr als 500 seien schon an die Polizei Halle geschickt worden. Dort bestätigt ein Sprecher zumindest, dass "eine Vielzahl von Strafanzeigen wegen Beleidigung gegen verschiedene Personen bei der Polizeiinspektion Halle (Saale) eingegangen" ist. Der Autor dieses Beitrags ist auf das Thema überhaupt aufmerksam geworden, weil auch er angezeigt wurde.

Das Vorgehen sei beispiellos, sagt die Journalistin und Trans-Aktivistin Janka Kluge. Sie wisse von keinem anderen Fall, in dem jemand aus der Trans*-Community so vorgehe: "Liebich ist auch die einzige mir bekannte Person, die auf Schadenersatz von Journalisten klagt." Die 1959 als Junge geborene Kluge vollzog 1984 ihre Transition nach der Verabschiedung des Transsexuellengesetzes und gründete bald eine der ersten Selbsthilfegruppen für trans Menschen.

Sie hat schon erreicht, dass das frühere Portal "Pleiteticker" des Ex-Bild-Chefredakteurs Julian Reichelt sie nicht "Mann" nennen darf. Das sei im Gesamtkontext bewusst verunglimpfend und persönlichkeitsrechtsverletzend gewesen, entschied ein Gericht. "In allen Fällen, die ich kenne, geht es darum, verletzende Darstellung aus dem Netz zu bekommen. Ich habe auch keinen Schadenersatz geltend gemacht und keine Anzeige erstattet." Dafür hat Liebich sie nach eigenen Angaben mehr als zehnmal angezeigt. Kluge hat bisher noch kein entsprechendes Schreiben erhalten.

Liebich hetzte bei CSD : "Parasiten dieser Gesellschaft"

Vielleicht wird auch nie eines kommen. Nach Informationen von t-online stufen Behörden den weit überwiegenden Teil der von Liebich angezeigten Beiträge als nicht strafrechtlich relevant ein. Aufgrund der Fließbandanzeigen wird in Halle sogar auch gegen Liebich ermittelt, hat t-online aus Behördenkreisen erfahren. Der Vorwurf lautet: falsche Verdächtigung. Liebich schrieb auf X, dass die Polizei eine Anhörung als Beschuldigte geschickt habe und berichtete von einer Dienstaufsichtsbeschwerde gegen den Staatsschutz als Reaktion. Das sind Informationen, zu denen Journalisten keine offiziellen Bestätigungen bekommen. "Aufgrund der Persönlichkeitsrechte der Betroffenen sowie aus datenschutzrechtlichen Gründen können keine Auskünfte getroffen werden", heißt es vom Innenministerium in Magdeburg nur.

Die Anzeigen wegen Beleidigung erstattet mit Liebich eine Person, die selbst beim Christopher Street Day in Halle 2022 mitten in der Kundgebung den Teilnehmern zurief "Ihr seid Parasiten dieser Gesellschaft" und von "Trans-Faschisten" sprach. Solche früheren Äußerungen gegenüber LGBTQ-Menschen sind ein Grund, warum große Zweifel an tiefer Kränkung und Verletzung bei Liebich verbreitet sind.

Genau solche Empfindungen behauptet Liebich. Das Konvolut aus 523 Anzeigen sollte dem Leipziger Gericht in dem aktuellen Prozess die vermeintliche schwere psychische Belastung darlegen. "Die Anzeigen zu ignorieren, würde den Kontext der jahrelangen Anfeindungen ausblenden", schrieb Liebich dem Gericht.

Frauen- oder Männergefängnis?

Von Gesinnungsgenossen kommen diese angeblichen Anfeindungen wohl seltener: Die als notorische Provokationsfigur bekannte Person wird in der Szene dafür gefeiert, dass Liebich das Selbstbestimmungsgesetz vorführt und ins Lächerliche zieht – und vermeintliche Missbrauchsmöglichkeiten offenlegt. Durch Liebich ist eine Frage akut geworden, die stets als vermeintlich nur theoretisches Horrorszenario des Selbstbestimmungsgesetzes im Raum stand: Könnten Männer gezielt ihren Geschlechtseintrag ändern, um ins Frauengefängnis zu kommen?

Da kommen Liebich-Verfahren ins Spiel: Die Änderung des Geschlechtseintrags durch einfache Erklärung gegenüber dem Standesamt in Schkeuditz für 50 Euro fiel zusammen damit, dass Liebich absehbar der Gang hinter Gefängnismauern drohte.

Das aktuelle Leipziger Verfahren war da zwar noch in weiter Ferne. Ein anderes Verfahren stand aber vor dem Abschluss. Denn bereits im Juli 2023 war die Reizfigur unter anderem wegen Volksverhetzung, übler Nachrede und Beleidigung zu anderthalb Jahren Haft ohne Bewährung verurteilt worden. Nach einem gleichlautenden Berufungsurteil im August 2024 ging Liebich noch in die Revision, die Entscheidung war weiterhin nicht rechtskräftig. Aber die Richter des Oberlandesgerichts Naumburg hatten im Mai 2025 über Marla Svenja Liebich zu befinden, als sie die Revision zurückwiesen und die Strafe endgültig rechtskräftig wurde.* Liebich muss ins Gefängnis.

Die Rückkehr der Gutachten für Strafvollzug?

Doch das bedeutet nicht zwingend, dass die Adresse ein Frauengefängnis sein wird. Janka Kluge hält es für wichtig, "dass die Ministerien in Sachsen-Anhalt und Sachsen betont haben, dass es einen solchen angenommenen Automatismus nicht gibt". In Sachsen-Anhalt wurde Liebich verurteilt, der Wohnsitz in Sachsen bedeutet Haft dort. In beiden Ländern haben die Behörden erklärt, vor Haftantritt werde auch geprüft, ob eine "missbräuchliche" Änderung des Personenstandes vorliege. Zum Stand bei Liebich ist wiederum keine Auskunft zu bekommen.

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Kluge sieht an dieser Stelle die Gutachten wiederkommen, die mit dem Selbstbestimmungsgesetz bei der Änderung des Eintrags abgeschafft worden sind. "Nach meiner Meinung braucht es bei Verurteilungen wegen bestimmter Straftaten eine Begutachtung, ob eine Person wirklich überzeugt ist, trans zu sein oder im Frauengefängnis ein Paradies für Vergewaltiger erhofft." In der Trans-Community gebe es dazu auch andere Ansichten. "Ich persönlich halte das für absolut vertretbar, weil auch die Interessen von Frauen im Strafvollzug als vulnerable Gruppe geschützt werden müssen." So einfach liege die Sache nicht, wie Rechte es zur Diskreditierung des Selbstbestimmungsrechts gerne wollten.

Marla Svenja Liebich wird voraussichtlich kommende Woche erfahren, ob die Leipziger Richter das Urteil bestätigen. Die Verhandlung geht am Freitag weiter und dann ist mit dem Urteil zu rechnen.

*Wir hatten an dieser Stelle zunächst geschrieben, dass die Richter "Marla Sven Liebich vor sich sitzen" hatten. Liebich erschien aber zu der Verhandlung nicht.

Verwendete Quellen

Quellen anzeigenSymbolbild nach unten

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