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"Stormchaser" - auf der Jagd nach gefährlichen Unwettern


"Stormchaser"
Auf der Jagd nach gefährlichen Unwettern

Aktualisiert am 27.07.2021Lesedauer: 4 Min.
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Sie treffen sich im viele tausend Kilometer entfernten Tornado-Tal im Mittleren Westen der USA. Sie fahren dorthin, wo andere größte Gefahr fürchten: die "Stormchaser". Die Sturmjäger beobachten schwerste Unwetter aus nächster Nähe. Einer von Ihnen ist Dennis Oswald, Wetter-Fotograf und Student der Meteorologie. Mit ihm sprach wetter.info über seine außergewöhnliche Leidenschaft.

wetter.info: Herr Oswald, Sie jagen Gewittern und Stürmen hinterher. Ein ziemlich ausgefallenes Hobby...

Mit den Jahren ist das Motiv Wetter immer interessanter für mich geworden. Seit einiger Zeit gehe ich gezielt auf die Suche nach Wetterereignissen, um spannende Bilder einzufangen, und warte nicht auf das Wetter.

Foto-Serie
wetter.info: Wie finden Sie Ihre Motive, und wie bereiten sie sich vor?

Viele Wetterlagen sind aus Sicht eines Meteorologen nicht so interessant, für einen Fotografen aber ein schönes Motiv. Nicht die schwersten Gewitter sind immer die schönsten. Für einen ganz normalen Aprilschauer braucht man nicht viel Vorbereitungszeit. Anders sieht es bei sehr dynamischen Wetterlagen aus. Hier deutet sich häufig schon Tage vorher an, dass was Spannendes passieren könnte. Ich habe täglich einen Blick auf die Wetterkarten und sehe, wo es sich lohnt hinzufahren. Dann lege ich auch mal viele Kilometer mit dem Auto zurück.

wetter.info: Was ist für Sie das Faszinierende an Gewitterstürmen?

Wenn es in der Atmosphäre brodelt, spüre ich eine innere Unruhe und will dahin, wo es bald krachen könnte. Die Prozesse, die wir an der Uni gelernt hat, können wir live und vor Ort beobachten. Allerdings, es sind auch Leute beim Stormchasing dabei, die nur das Adrenalin spüren wollen und auf pure Sensation aus sind. Das Adrenalin spüren wir auch, aber unser Interesse ist wissenschaftlicher Natur. Viele von uns arbeiten auch an der Schadensanalyse nach schweren Unwettern mit.

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wetter.info: Welches Wissen und Rüstzeug braucht man, um als Stormchaser unterwegs zu sein - wenn man nicht nur auf der Suche nach dem nächsten Adrenalin-Kick ist?

Man sollte mit den grundlegenden Zusammenhängen in der Meteorologie vertraut sein und einschätzen können: Drohen schwere Gewitter, oder bleibt es voraussichtlich bei Schauern? Das ist auch für die eigene Sicherheit wichtig. Es gibt Leute, die fahren, ohne es zu ahnen, direkt in die Gefahr hinein. Obwohl die wenigsten von uns studierte Meteorologen sind, haben die meisten eine Menge Erfahrung und sich nebenbei vieles angeeignet.

wetter.info: Sie fahren regelmäßig in besonders unwettergefährdete Gebiete in den USA. Warum gerade dorthin?

In einigen US-Bundesstaaten sind die Bedingungen dafür optimal: Im Frühjahr gibt es dort das höchste Unwetteraufkommen, und die Weite der Landschaft ermöglicht uns eine perfekte Sicht auf das Wettergeschehen.

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wetter.info: Wie sieht ein typischer Tagesablauf bei der Sturmjagd aus?

Der Wecker klingelt meist sehr früh. Nach einem kurzen Frühstück folgt die Besprechung der Wetterkarten und Radarbilder. Anschließend suchen wir das Zielgebiet aus. Die wichtigste Frage lautet immer: Wo ist die höchste Wahrscheinlichkeit für Schwergewitter. Das kann auch bedeuten, dass man 300 Meilen weiterfahren muss. Meist gehen die Unwetter zwischen drei und fünf Uhr nachmittags los, dann gerät man schon morgens unter Zeitdruck. Meist verbringen wir viele Stunden im Auto. Wenn wir im Zielgebiet angekommen sind, heißt es häufig: warten, warten, warten. Manchmal bilden sich gar keine Gewitter, dann war alles umsonst. In gewisser Weise ist das Wetter auch unberechenbar. Mit etwas Glück geht’s aber sofort los.

wetter.info: Wie finden Sie den Platz mit der besten Sicht auf das Gewitter?

Wir entscheiden uns für eine Gewitterzelle oder eine ganze Reihe von Zellen entlang einer Kaltfront und versuchen, an die Flanke von dem Gewitter zu kommen, von der man den besten Blick und den sichersten Platz hat. Das ist meist im Bereich der Anströmung, also dort, von wo die Gewitterzelle warme Luft ansaugt. Dann versuchen wir, mit dem Gewitter mitzuschwimmen. Manchmal geht das bis tief in die Nacht.

wetter.info: Sie entsprechen gar nicht dem Bild vom tollkühnen Sturmjäger, der mit seinem Auto direkt in das Unwetter steuert, womöglich noch in einen Tornado.

Wir wollen gar nicht in diese Gewitter reinkommen. Vor einer ausgewachsenen Superzelle in den USA habe ich den höchsten Respekt. Es fallen tennisballgroße Hagelkörner, und der Wind weht bis hin zur Orkanstärke. Wenn man Pech hat, wütet ein gefährlicher Tornado, der in Regen gehüllt und unsichtbar ist. Dort drin ist es viel zu gefährlich. Außerdem sieht man in dem Unwetter gar nichts. Unser Ziel ist, möglichst nahe ran zu kommen, aber nicht in die Gefahrenzone zu geraten. Aus sicherer Entfernung ist die ganze Dynamik in den Zellen am besten zu erfassen. Wir wollen ja die schönen Strukturen sehen, ganz besonders ich als Fotograf.

wetter.info: Sind sie schon mal in eine gefährliche Situation geraten?

Es kommt vor, dass sich am Ende eines Sturmtages Gewitter entlang einer ganzen Linie bilden. In einem solchen Fall kann es passieren, dass wir keinen Ausweg finden und uns von dem Unwetter überrollen lassen müssen. Dann suchen wir Schutz, zum Beispiel unter einem Tankstellendach. Aber bei einer Superzelle versuchen wir das immer zu vermeiden. Die Kraft der Unwetter ist nicht zu unterschätzen.

wetter.info: Einige Sturmjäger interessieren sich vor allem für Tornados.

Das i-Tüpfelchen eines schweren Gewitters ist natürlich ein Tornado: Sehr kurzlebig, gewaltig und auf kleinstem Raum aktiv. Toll einen zu sehen, aber uns interessiert das ganze Gewitter.

wetter.info: Segler wünschen sich gegenseitig "Mast und Schotbruch" wenn es aufs Wasser geht. Was geben sich Sturmjäger mit auf den Weg?

Wir verabschieden und meist mit “see you under the Mesocyclone“, das ist der rotierende Aufwindbereich einer Superzelle.

wetter.info: Vielen Dank für das Gespräch, Herr Oswald.

Das Interview führte Rickmer Flor

Quelle: wetter.info

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