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Unfallzahlen steigen: Radfahren auf deutschen Straßen immer gefährlicher


Unfallzahlen steigen stark
Radfahren auf deutschen Straßen wird immer gefährlicher

Von Dietmar Seher

22.02.2019Lesedauer: 3 Min.
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Im toten Winkel: Nach einem schweren Verkehrsunfall in Berlin liegt ein zerstörtes Fahrrad an einer Straßenkreizung.Vergrößern des Bildes
Im toten Winkel: Nach einem schweren Verkehrsunfall in Berlin liegt ein zerstörtes Fahrrad an einer Straßenkreizung. (Quelle: Olaf Wagner/imago-images-bilder)

Radfahren boomt – und ist hochgefährlich geworden. Die Zahl der Radunfälle und der auf Straßen tödlich verunglückten Radfahrer steigt steil an. Experten fordern Abbiege-Kameras für Lkw, Helmpflicht für alle Radnutzer und Alko-Tests bei Pedelec-Piloten.

Über Deutschlands Straßen rollen jetzt fast so viele Fahrräder wie die Republik Einwohner zählt. 73,5 Millionen sind es nach Daten von Statista. Der Boom ist ungebrochen. Aber er hat offenbar einen hohen Preis. Zwar liegen noch keine vollständigen Unfallzahlen für Deutschland für das Jahr 2018 vor. Es zeichnet sich aber ab, dass im letzten Jahr die Zahl der Radunfälle deutlich angestiegen ist und die der Verkehrstoten unter den Radfahrern bei über 430 liegt – 50 mehr als noch 2017.

Das geht unter anderem aus Berechnungen der Bundesanstalt für Straßenwesen und Prognosen aufgrund erster Länderergebnisse hervor. Einer der Hauptgründe: Die Zunahme der bis zu 45 Stundenkilometer schnellen und damit gefährlicheren Pedelecs, die gerne von Älteren genutzt werden.

35 Prozent mehr Fahrradunfälle in Essen

Auf einer Konferenz der Gewerkschaft der Polizei (GdP) zur Verkehrssicherheit ist der Unfalltrend im bevölkerungsreichsten Bundesland Nordrhein-Westfalen bekannt geworden. Danach sind hier in den ersten neun Monaten des letzten Jahres mehr als 13.000 Radfahrer verunglückt. Experten rechnen mit über 16.000 im ganzen Jahr. Von Januar bis September starben 50 Radfahrer auf den Straßen zwischen Rhein und Weser. Das waren in diesen drei Quartalen bereits so viele wie im ganzen Jahr 2017. Großstädte wie Essen melden Radunfall-Zunahmen von bis zu 35 Prozent.

Die NRW-Daten decken sich mit Entwicklungen anderswo in Deutschland. So starben in der bayerischen Landeshauptstadt München von Januar bis Anfang Dezember 2018 fast doppelt so viele Radfahrer im Straßenverkehr wie im ganzen Jahr 2017. In Bayern insgesamt sind es laut Verkehrsstatistik 2018 mit 77 Fällen zehn Prozent mehr als im Vorjahr, berichtet der Bayerische Rundfunk. Hamburg meldet für 2018 zumindest auch einen Anstieg der Unfälle mit Fahrrädern um acht Prozent, wie das "Hamburger Abendblatt" meldet: Bei den 3.393 Unfällen starben demnach zwei Menschen.

GdP fordert Helmpflicht für alle Radfahrer

Unter diesen Vorzeichen drängen Experten zu verstärkten Schutzmaßnahmen. Während eine EU-Vorschrift zum Einbau von Abbiege-Kameras in Lkw bereits auf dem Weg ist, um vor allem die Zahl der Kollisionen zwischen Lastkraftwagen und Fahrrädern beim Rechtsabbiegen der Lkw zu senken, fordert zum Beispiel die GdP zusätzlich eine Helmpflicht für alle Radfahrer, so, wie sie schon für Mofas gilt – zumindest aber für alle mit Elektromotor angetriebenen Pedelecs, auch für die, die nur bis Tempo 25 zugelassen sind.

Gleichzeitig diskutieren Polizeikreise über die Notwendigkeit einer Senkung der Promillegrenze auf 0,5 und von mehr Alkoholkontrollen. Heiko Müller, GdP-Vize in Nordrhein-Westfalen: "Die Polizei Hessen macht derzeit Furore mit wiederholten Alkoholkontrollen bei Lkw-Fahrern. Gut so. Vielleicht geht das auch mal im Sommer vor dem ein oder anderen Biergarten, bevor sich Menschen, die das eigentlich nicht mehr tun sollten, in den Sattel ihres hochmotorisierten Pedelecs schwingen und den nächsten Fußgänger niedermähen."

Der Allgemeine Deutsche Fahrradclub ADFC sieht Gründe für die deutlich erhöhten Unfallzahlen in einer maroden Straßeninfrastruktur ("frustrierend und gefährlich für alle"), aber besonders auch im Abbiege-Verhalten von Lkw-Fahrern. Im ersten Halbjahr 2018 starben durch Abbiegefehler der schweren Fahrzeuge 20 Radfahrer, darunter viele Kinder. Seit 2013 ist das eine Steigerung um 35 Prozent. Der ADFC fordert neben einem schnellen Einbau von Abbiegeassistenten zudem einen eigenen grünen Pfeil für Radfahrer, bei dem sie an Kreuzungen vor den Lkw vorzeitig rechts abbiegen und so Abstand zu abbiegenden Lkw gewinnen können.

Die "Helmpflicht für alle" gilt aber als die politisch schwierigste Schutzmaßnahme. Auf der Verkehrssicherheitskonferenz der Gewerkschaft wies der Medizinrechtler Michael Herkenhoff darauf hin, dass neben den Armen der Kopf und das Gesicht von Fahrradfahrern mit einem Verletzungsrisiko von fast 40 Prozent besonders anfällig sind. Die Zahlen stehen auch in einem Rechtsgutachten der Kanzlei Eick und Partner zur Haftungsfrage bei Radunfällen, das für die Landesregierungen in Baden-Württemberg und Thüringen erstellt wurde.


Der Widerstand in der radfahrenden Bevölkerung gegen den Helm ist allerdings groß, wie aus dem gleichen Gutachten hervorgeht. Zwar behauptet bei Umfragen die Hälfte der Befragten, mit Helm unterwegs zu sein. Der Praxistest fällt anders aus. Bei einer Untersuchung der Bundesanstalt für Straßenwesen in Göppingen, Amberg, Gotha, Münster, Duisburg und Potsdam durch Zählungen an Knotenpunkten beobachtete die Behörde das Verhalten von mehr als 16.000 Radfahrern im Alter ab 6 Jahren. Nur 17 Prozent von ihnen trug einen Helm. Am ehesten schützten sich so – mit 31 Prozent – Jugendliche, am wenigsten ausgerechnet Senioren ab 60, von denen weniger als jeder zehnte einen Helm aufsetzte.

Verwendete Quellen
  • eigene Recherche
  • Statista
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