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Corona-Eklat bei Tönnies: Virus wanderte wohl von Schlachthof zu Schlachthof


Coronavirus wanderte wohl von Schlachthof zu Schlachthof

  • Jonas Mueller-Töwe
Von Jonas Mueller-Töwe

24.06.2020Lesedauer: 4 Min.
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Die Westcrown-Zentrale in Dissen: Mitarbeiter dieser Firma könnten eine Schlüsselrolle beim Corona-Ausbruch bei Tönnies gespielt haben.Vergrößern des Bildes
Die Westcrown-Zentrale in Dissen: Mitarbeiter dieser Firma könnten eine Schlüsselrolle beim Corona-Ausbruch bei Tönnies gespielt haben. (Quelle: Noah Wedel/imago-images-bilder)

Zwischen den großen Ausbrüchen in den Schlachthöfen von Tönnies und des Konkurrenten Westcrown gibt es Verbindungen. Offenbar trafen sich infizierte Mitarbeiter beider Unternehmen.

Der Covid-19-Ausbruch bei Deutschlands größtem Fleischproduzenten Tönnies in Rheda-Wiedenbrück steht möglicherweise in Zusammenhang mit dem großen Ausbruch beim Konkurrenten Westcrown. In der Phase kurz vor dem ersten großen Infektionsgeschehen bei Tönnies Mitte Mai kam es laut Informationen von t-online.de zu mehreren Treffen von Beschäftigten beider Unternehmen, die später positiv auf Corona getestet wurden.

Gottesdienst und Restaurantbesuch

Laut Darstellung des Unternehmens Tönnies und des Kreises Güterlsloh infizierten sich einzelne Mitarbeiter in einem Gottesdienst in der näheren Umgebung und kehrten danach ahnungslos in den Betrieb zurück. In die Kirche getragen wurde der Erreger möglicherweise von Westcrown-Mitarbeitern aus dem nicht weit entfernten Dissen. Etwa zeitgleich trafen sich andere Mitarbeiter beider Unternehmen laut Auskunft des Landkreises Osnabrück in einem Restaurant. Auch in diesem Fall werden Infektionsketten weiter ermittelt.

Über das Ausmaß der Konsequenzen des Gottesdienstes besteht hingegen Uneinigkeit. Während Tönnies fast den gesamten Ausbruch Mitte Mai auf die Kirchengemeinde zurückführt – nur eine Infektion sei ein Reiserückkehrer gewesen – antwortete die Kreisverwaltung auf Anfrage von t-online.de: "Wir konnten nicht lückenlos die Infektionskette auflösen." Bei Tönnies habe es nicht ausschließlich Infizierte im Personenkreis der Gemeinde gegeben, der "Patient Null" könne möglicherweise nicht festgestellt werden. Die Kirchengemeinde bestreitet beide Darstellungen entschieden.

Mehr Infektionen ab Ende Mai

t-online.de hatte bereits berichtet, dass ein Gottesdienst Mitte Mai ein entscheidender Moment für das weitere Infektionsgeschehen im Schlachthof Rheda-Wiedenbrück gewesen sein könnte. Nun kommt ein Restaurantbesuch anderer Beschäftigter hinzu. Fest steht: Ab diesem Zeitpunkt schossen die gemeldeten Corona-Fälle aus dem Betrieb in die Höhe.


Bis dahin war der Tönnies-Großbetrieb in Rheda-Wiedenbrück von Infektionen weitgehend verschont geblieben. Während die Konkurrenten Westfleisch und Westcrown damals bereits mit großen Ausbrüchen zu kämpfen hatten, ergaben sich bei Tönnies aus den vom Land angeordneten Reihentestungen nur verhältnismäßig wenige Infektionen. Am 22. Mai schloss der Kreis Gütersloh die Maßnahme ab. Rückblickend ein mehr als unglücklicher Zeitpunkt.

Kontakte zwischen Mitarbeitern

Denn nur einen Tag zuvor meldete der Landkreis Osnabrück in Niedersachsen, dass sich mittlerweile mehr als die Hälfte der 280 Westcrown-Mitarbeiter am niedersächsischen Standort Dissen infiziert hatten. Dazu trug möglicherweise auch bei, dass ein Subunternehmer Werkvertragsarbeiter zwischen Standorten hin- und her verschob. Der Westfleisch-Standort Coesfeld hatte bereits zwei Wochen zuvor schließen müssen. Wenig später traf es dann den Standort Dissen des Tochterunternehmens Westcrown. Von Rheda-Wiedenbrück ist dieser Schlachthof nur eine halbe Stunde Autofahrt entfernt.

Die Nähe des Standorts hatte Auswirkungen auf die Sozialkontakte der Mitarbeiter: Laut Landkreis Osnabrück trafen sich Beschäftigte beider Unternehmen am 16. Mai in einem Restaurant – mehrere der Gäste wurden später positiv getestet. Andere Mitarbeiter der Fleischkonzerne Westcrown und Tönnies feierten sogar gemeinsam Gottesdienst. Am 17. Mai saßen sie zusammen in einer kleinen Kirche an der Landesgrenze.

Arbeitsbedingungen begünstigten Verbreitung

t-online.de hat keinerlei Hinweise darauf, dass in den dortigen Veranstaltungen Mitte Mai Abstände nicht eingehalten oder sonstige Hygienemaßnahmen nicht beachtet wurden. Unter anderem liegt Videomaterial der Gottesdienste vor. Trotzdem trugen von dort Tönnies-Mitarbeiter der späteren Darstellung des Unternehmens und des Kreises Gütersloh zufolge das Coronavirus in den Schlachthof Rheda-Wiedenbrück. Im dortigen Betrieb herrschten offenbar - ähnlich wie in Dissen – günstigste Bedingungen für seine Verbreitung.

In eben dieser Woche stellte die Bezirksregierung Detmold dort Mängel im Arbeitsschutz fest. Die Abstände in der Kantine waren zu gering. Da hatte das Unternehmen im Rat der Stadt bereits eingeräumt, dass zur Aufrechterhaltung der Produktion nicht überall der Mindestabstand gewährleistet werden könne. Hinzu kamen laut Robert Koch-Institut die niedrigen Temperaturen im gekühlten Betrieb. Auch das könne eine Rolle gespielt haben, heißt es. Als weiterer Risikofaktor gilt die mangelhafte Unterbringung der Arbeitnehmer.

Kreis Gütersloh schloss die Kirche

Zwei Tage nach der Schreckensmeldung in Dissen, am 23. Mai, schloss die kleine Kirche an der Landesgrenze schließlich für 14 Tage. "Wir haben der Kirche dazu geraten, um das Infektionsgeschehen unter den Gemeindemitgliedern zu beobachten", sagte Kreissprecher Jan Focken t-online.de. Es ist unklar, auf welcher Grundlage der Ratschlag erteilt wurde. Focken beantwortete eine entsprechende Frage nicht. Ein Zusammenhang mit dem Infektionsgeschehen in Dissen liegt aufgrund des Zeitraums allerdings nahe.

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Laut Tönnies wendeten sich kurz darauf zwei Mitarbeiter besorgt an das Unternehmen, die nach eigenen Angaben an Veranstaltungen der Gemeinde teilgenommen hatten. Anschließend sei die gesamte Abteilung getestet worden. Das Ergebnis: 19 neue Corona-Fälle. Die Laborergebnisse gingen zu dieser Zeit zuerst dem Unternehmen zu. Am 27. Mai ging es mit der neuen Entwicklung an die Öffentlichkeit – und sah in den Kirchenbesuchen den Auslöser.

Gemeindesprecher: "Die haben gelogen"

Ein Sprecher der Gemeinde bestreitet die Darstellung hingegen vehement, dass Infektionen bei Tönnies in Zusammenhang mit Gottesdiensten dort stehen. "Es ist schon lange klar, dass die, die das behaupten, gelogen haben", sagte er t-online.de. Bis zuletzt seien alle Tönnies-Mitarbeiter der Gemeinde negativ getestet worden. Dem Gesundheitsamt lägen die Kontaktlisten vor.

Doch auch die Kreisverwaltung bestätigte zwei Tage später am 29. Mai: "Einzelne Infektionen sind auf Kontakte in einer Kirche zurückzuführen. An Veranstaltungen in eben dieser Kirche haben auch Mitarbeiter von Westcrown und Tönnies teilgenommen." Auf erneute Nachfrage von t-online.de bestätigte der Landkreis nochmals das Infektionsgeschehen dort "mit einigen wenigen positiv Getesteten". Unter den Infizierten bei Tönnies seien aber auch Menschen gewesen, die sich nicht diesen Infektionsketten zurechnen ließen.

t-online.de hat die Unternehmen Tönnies und Westcrown um Stellungnahmen gebeten. Beide Unternehmen reagierten bislang nicht.

Verwendete Quellen
  • eigene Recherchen
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