Rechtsextremist reist ein Eine Stadt wehrt sich gegen diesen Mann
Eine Lesung Martin Sellners treibt in Marburg Menschen auf die Straße, Rauchbomben werden gezündet. Der Auftritt des Rechtsextremisten fällt offenbar spärlich aus.
Mehrere Tausend Menschen sind in Marburg gegen eine Lesung des Rechtsextremisten Martin Sellner auf die Straße gegangen. Zu einer Kundgebung am Abend, zu der die Stadt und das Netzwerk für Demokratie und gegen Rechtsextremismus aufgerufen hatten, kamen nach Angaben der Polizei rund 2.500 Menschen. Eine Stadtsprecherin sprach von mehr als 3.000 Menschen. Zu einem Demonstrationszug vom Marktplatz in die Oberstadt zuvor kamen der Polizei zufolge knapp 1.000 Personen, eine dritte geplante Demonstration sei kurzfristig abgesagt worden.
Sellner wollte nach Angaben der Stadt am Montagabend "an einem bislang nicht bekannten Ort" aus seinem Buch "Remigration" lesen. Die Veranstaltung sollte in Privaträumen geplant sein, auch der Zeitpunkt war der Stadt nicht bekannt. Die Polizei teilte am späten Abend mit, die Lesung habe in Gladenbach stattgefunden. Dies ist etwa 20 Kilometer von Marburg entfernt. Erkenntnissen der Polizei zufolge kamen etwa 50 Menschen zu der Lesung.
Wie die "Oberhessische Presse" berichtet, soll der Auftritt des Österreichers hingegen nur vor und 30 Leuten stattgefunden haben. Und zwar in einem nicht eben mondänen Ambiente. Demnach fand die Lesung in einem "düsteren Raum zwischen Kebaphaus und Fahrschule" statt. Um Blicke von außen zu vermeiden, war der Raum mit einem roten Tuch verdunkelt. Wie die Lokalreporter berichten, soll zwischendurch immer mal Applaus zu hören gewesen sein.
Sellners Thesen "Gefahr für das Gemeinwesen"
Kein Applaus, dafür deutlichen Protest hatte es auch im Bereich eines Baumarktes in Marburg gegeben, wo es zu Straßenblockaden einer Gruppe von etwa 150 Personen kam. Vereinzelt wurden auch Rauchtöpfe gezündet, so die Polizei weiter. Die Einsatzkräfte hätten teilweise Personen von der Straße gehoben.
Marburgs Oberbürgermeister Thomas Spies (SPD) hatte vor der Veranstaltung geschrieben: "Wir missbilligen deutlich und mit allem Nachdruck, dass Martin Sellner in Marburg Thesen zur Vertreibung eines Teils unserer Einwohnerinnen und Einwohner propagieren will." Die Stadt erachte Sellners "menschenfeindliche Thesen" als eine Gefahr für das Gemeinwesen sowie für die Demokratie und Verfassung. Auch zahlreiche Redner bei der Kundgebung vor dem Erwin-Piscator Haus machten unmissverständlich deutlich, dass man das Gedankengut Sellners und seiner Anhänger in Marburg nicht toleriere.
Eigentlich hätte die Lesung Sellners wohl in einem Verbindungshaus einer studentischen Burschenschaft im Zentrum von Marburg stattfinden sollen. Doch der starke Protest vieler Marburger hatte den 35-Jährigen offenbar zur Flucht aus der Stadt gezwungen.
Sellner war der Kopf der rechtsextremen Identitären Bewegung in Österreich. Im November 2023 hatte er bei einem Treffen in einer Potsdamer Villa über "Remigration" gesprochen. Das Medienhaus "Correctiv" hatte das Treffen öffentlich gemacht. Wenn Rechtsextremisten den Begriff verwenden, meinen sie in der Regel, dass eine große Zahl von Menschen ausländischer Herkunft das Land verlassen soll, auch unter Zwang.
Der Begriff "Remigration" war zum Unwort des Jahres gewählt worden. Ein geplantes Einreiseverbot für Sellner nach Deutschland war vor Gericht gescheitert.
- op-marburg.de: Veranstaltung verlegt: Martin Sellner tritt in Gladenbach auf (kostenpflichtig)
- Mit Material der Nachrichtenagentur dpa