Larry Nassar: Fast gestorben wegen eines Spruchs bei Sportübertragung

Der US-Sportarzt Larry Nassar wurde im Gefängnis Opfer einer brutalen Attacke. Nun kommen immer mehr Details zu dem Angriff ans Licht.

310 Jahre. Solange betragen zusammengenommen die Freiheitsstrafen, die der Sportmediziner Lawrence Gerard Nassar in mehreren Gerichtsprozessen wegen systematischen sexuellen Missbrauchs und Vergewaltigung erhielt. Er sitzt sie derzeit in einem Hochsicherheitsgefängnis in Florida ab, ohne Aussicht auf Begnadigung. Im Gefängnis war Nassar am Sonntag zum Opfer einer brutalen Messerattacke geworden, bei der der 59-Jährige schwer verletzt wurde.

Nun kommen die genauen Umstände des Angriffs ans Licht. Demnach soll Nassar gemeinsam mit anderen Insassen ein Tennismatch der Damen in Wimbledon im Fernsehen angeschaut haben. Offenbar machte er im Zuge der Übertragung einen anzüglichen Kommentar, von dem sich ein Mithäftling provoziert fühlte. Wie US-Medien berichten, ging Nassar später in seine Zelle und wurde dort von dem Mithäftling mit einem selbstgebastelten Messer attackiert.

Insgesamt zehnmal stach der Angreifer auf Nassar ein, traf ihn am Hals, im Rücken und in der Brust. Mehrere andere Gefängnisinsassen wurden auf das Geschehen aufmerksam, sie fielen dem Mithäftling in den Arm und zogen ihn weg. Nassar wurde sofort ins Hospital eingeliefert, unter anderem stellten die Ärzte schwere Stichverletzungen und einen Lungenkollaps bei ihm fest. Derzeit befindet er sich in stabilem Zustand.

Täter hatte schon einmal versucht, einen Mithäftling umzubringen

Wie das US-amerikanische Onlinemagazin "The Daily Beast" von einem Insassen erfahren haben will, soll Nassar während der Sportübertragung einen "widerlichen Spruch" gebracht haben. Demnach sagte der ehemalige Betreuer des US-Olympiateams der Turnerinnen angesichts des Damenmatches in Wimbledon, er wünschte, dass dort "Mädchen spielen" würden.

Nassar erlangte traurige Berühmtheit als Serien-Sexualstraftäter. Er hatte gestanden, als verantwortlicher Sportarzt der US-Nationalmannschaft der Turnerinnen, des US-Turn-Olympiakaders und des Turnkaders der Universität von Michigan Schutzbefohlene jahrzehntelang sexuell belästigt und missbraucht zu haben. Zudem wurde er des Besitzes von Kinderpornografie für schuldig befunden. Insgesamt hatten 265 junge Frauen und Mädchen angegeben, von dem Arzt missbraucht worden zu sein.

Auch US-Superstar Simone Biles gehörte zu den Opfern Nassars. Die Turnerin hatte 2021 vor einer Untersuchungskommission des US-Senat gegen den Arzt ausgesagt und sich dabei auch zum Umgang des Federal Bureau of Investigation (FBI) mit dem Fall geäußert. Dem FBI waren schwere Versäumnisse vorgeworfen worden. Demnach hatte die Ermittlungsbehörde Nassar bereits 2015 im Visier, jedoch blieb der Arzt noch mehr als ein Jahr lang unbehelligt und konnte mehr als 70 weitere junge Frauen missbrauchen.

Der Häftling, der Nassar mutmaßlich angegriffen und niedergestochen hatte, war laut Angaben des TV-Senders "CBSNews" bereits 2006 auffällig geworden, als er im Gefängnis einen Justizbeamten attackierte. 2011 soll er bereits einmal versucht haben, einen Mitgefangenen zu erstechen. Er sitzt derzeit wegen Drogenhandels eine 20-jährige Haftstrafe in dem Hochsicherheitsgefängnis in Florida ab.

Sarah Klein, eines von Nassars Opfern, sagte "CBSNews", dass sie die Nachricht vom Angriff auf ihren Peiniger nur bedingt mit Genugtuung erfülle. "Als Überlebende macht das meinen Heilungsprozess nicht einfacher. Ich wünsche mir nicht, dass er in seinen Fünfzigern durch die Hand eines Mithäftlings stirbt, sondern als alter Mann, der den Rest seines Daseins hinter Gittern verbracht hat. Das ist für mich Gerechtigkeit."