Artensterben: Warum rotten wir die Tiere aus?
Die subjektive Sicht des Autors auf das Thema. Niemand muss diese Meinung ΓΌbernehmen, aber sie kann zum Nachdenken anregen.
Guten Morgen, liebe Leserin, lieber Leser,
heute mΓΆchte ich Ihnen von Klaus erzΓ€hlen. Der spielt nΓ€mlich eine wichtige Rolle in meinem Leben. In den vergangenen Jahren habe ich einige KlΓ€use kennengelernt, manche herzensgut, andere weniger, aber keiner ist wie dieser: immer entspannt, immer frΓΆhlich, immer genΓΌgsam. Dem Klaus reichen ein paar Quadratmeter fΓΌr seinen Alltag, ein Dach ΓΌber dem Kopf, Petersilie morgens und MΓΆhren abends. Ah, und Dill natΓΌrlich, damit kann man ihm eine riesige Freude machen. HΓ€lt man ihm ein StrΓ€uΓchen Dill vor die Nase, stΓΌrzt er sich begeistert darauf und verputzt es binnen Minuten, rΓΌmpft ein paarmal anerkennend das NΓ€schen und schaut zufrieden in die Landschaft.
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Ich habe es sonst nicht so mit Haustieren, aber der ist richtig niedlich, der Klaus. Mit seinem weiΓen Fell leuchtet er nachts wie eine kleine Sonne, und wenn es mal schneit, dann hΓΌpft er durch die Flocken wie ein Schneeball. Gemeinsam mit seinem Kumpel, einem anderen Zwergkaninchen, lebt er Wand an Wand mit mir: ich drinnen, er drauΓen im Hasenstall. Gemeinsam haben wir Corona ΓΌberstanden und die Radicchio-Krise gemeistert (das war im Herbst, als es tagelang keinen Radicchio gab, lag wohl am Wetter, wir haben den bitteren Salat beide schmerzlich vermisst). Gemeinsam gehen wir durch dick und dΓΌnn.
So wie mir geht es Millionen Menschen: Sie mΓΆgen ihren Hasen oder ihren Wauwau, sie lieben ihre Katze, ihren Piepmatz oder ihre Fische, sie teilen ihr Leben mit Vierbeinern, Flossen- oder FlΓΌgeltrΓ€gern. Das Schicksal von Tieren rΓΌhrt viele Menschen sogar stΓ€rker als das anderer Zweibeiner. Als vor ein paar Wochen in einem Berliner Hotel ein riesiges Aquarium platzte und Tausende Fische verendeten, war die Anteilnahme grΓΆΓer als bei manchem UnglΓΌck mit menschlichen Opfern.
Nun frage ich mich: Wenn es so viele tierliebende Leute gibt β und das ist ja vielerorts auf dem Globus Γ€hnlich β, warum misshandeln wir dann so viele Tiere so brutal, foltern sie oder rotten sie ganz aus? Warum kauft man Eier aus KΓ€fighaltung im Wissen, dass Abertausende KΓΌken geschreddert oder vergast werden? Warum trinkt man Billigmilch und isst Hackfleisch fΓΌr 79 Cent die hundert Gramm, deren Spender in MastknΓ€sten zu Eutermonstern aufgepumpt und in stickigen Lkw durch halb Europa gekarrt werden, bevor man sie in Schlachtfabriken verbluten lΓ€sst? Das Kostenargument allein lasse ich nicht gelten; jeder kann sich in einem Land wie unserem auch mit wenig Geld schmackhaft, aber tierschonend ernΓ€hren.
Wollen viele aber offensichtlich nicht. Ob auf dem Teller, auf der StraΓe oder im Kleiderschrank: Die Mehrheit der Menschen pflegt einen Lebensstil, der rΓΌcksichtslos ist und nach und nach Zigtausende Arten vom Antlitz des Planeten ausradiert. Mehr als 7.000 Tierarten in Deutschland gelten als gefΓ€hrdet oder sind sogar vom Aussterben bedroht, darunter bekannte Gesellen wie der Feldhamster und das Birkhuhn, die SumpfschildkrΓΆte und der Luchs. Weltweit sind es 41.000 Arten, neben Tieren auch viele Pflanzen.
Daran sollten wir uns nicht nur heute erinnern, am Tag des Artenschutzes. Der wurde vor zehn Jahren in Erinnerung an das Washingtoner ArtenschutzΓΌbereinkommen von 1973 eingefΓΌhrt. Damals schworen mehrere LΓ€nder, die Vielfalt des Lebens auf der Erde zu erhalten, nach und nach haben 183 Staaten den Vertrag ratifiziert.
Sie halten sich aber nicht daran. Obwohl seither viele Schutzprogramme eingerichtet worden sind, geht die Ausnutzung und Ausrottung ungebremst weiter. Weil das Abkommen mit 5.800 Tier- und 30.000 Pflanzenarten nur einen Bruchteil der mehrere Millionen Arten umfassenden Vielfalt betrifft. Weil sich der Mensch rapide vermehrt, immer mehr Lebensraum beansprucht und die Natur zubetoniert, die Meere zumΓΌllt und die AtmosphΓ€re verpestet. Weil nicht nur die Amerikaner und die Chinesen Wohlstand vor GenΓΌgsamkeit setzen, sondern auch wir in unseren europΓ€ischen Γberflussgesellschaften ziemlich rΓΌcksichtslos unterwegs sind. Wenn ich sehe, wie viele Leute zwei Autos vor dem Haus stehen haben, im Supermarkt Kiwi aus Neuseeland kaufen und gedankenlos Essensreste wegwerfen, wie sie nach MΓΌnchen, Malle oder Miami jetten und Billigklamotten aus Asien shoppen, die sie dann nur dreimal tragen, ja, dann schaue ich mir manchmal den Klaus mit seinen langen Ohren an und frage mich selbstkritisch: Warum nehmen wir uns kein Beispiel an so einem genΓΌgsamen HΓ€schen? Muss ja nicht bedeuten, dass wir nur noch Dill und Petersilie knabbern, aber ein bisschen mehr RΓΌcksicht auf all die anderen Lebewesen mΓΌsste doch machbar sein, oder?
Termine des Tages
Der Bundeskanzler besucht heute US-PrΓ€sident Joe Biden in Washington. Die beiden reden ΓΌber den Ukraine-Krieg, Panzerlieferungen und klimafreundliche Subventionen. Kritische Fragen, zum Beispiel nach dem wochenlangen Panzerstreit, wollen sie wohl nicht ΓΆffentlich beantworten, weshalb keine gemeinsame Pressekonferenz geplant ist. Unser USA-Korrespondent Bastian Brauns ist trotzdem im Oval Office dabei β und weiΓ auch, warum dieser Besuch so wichtig ist.
Die Klimaschutzbewegung Fridays For Future ruft weltweit zu Protesten auf. Allein in Deutschland soll es mehr als 200 Aktionen geben. Die Aktivisten fordern den Kohleausstieg bis 2030, eine vollstΓ€ndig erneuerbare Energieversorgung bis 2035 und das sofortige Ende aller Subventionen fΓΌr fossile EnergietrΓ€ger.
Fahren oder nicht fahren ist hier die Frage: WΓ€hrend FDP-Minister Volker Wissing die Verkehrsprognose bis 2051 vorstellt, ruft die Gewerkschaft Verdi zu Warnstreiks im ΓΆffentlichen Nahverkehr auf. Bundesweit wird wohl in vielen StΓ€dten Stillstand herrschen.
Die RaumfΓ€hre "Crew-Dragon" dockt an die Internationale Raumstation an. An Bord sind zwei Amerikaner, ein Russe und ein Emirati. WΓΌrden sich die Menschen doch ΓΌberall so gut verstehen wie im Weltall!
Was lesen?
Erinnern Sie sich an das dramatische Fischsterben in der Oder? Greenpeace-Experten haben nun den wahrscheinlichen Grund gefunden.
Im Bundestag hat Olaf Scholz seine Ukraine-Politik verteidigt. Dabei hatte er eine kleine Sensation dabei, berichten unsere Reporter Johannes Bebermeier und Tim Kummert.

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WΓ€hrend der Flutkatastrophe jettete sie als Umweltministerin in den Mallorca-Urlaub β das erzΓΌrnte viele Menschen und beendete ihre Politikkarriere. Nun hat Ursula Heinen-Esser ein neues TΓ€tigkeitsfeld: Lobbyismus. Unser Rechercheur Jonas Mueller-TΓΆwe hat die Details.
Eklat im Bundestag: Die deutsch-iranische Parlamentariergruppe ist vorerst Geschichte. Unsere Reporterin Annika Leister hat die HintergrΓΌnde recherchiert.
Was war?
Im Jahr 2009 ereignete sich in der KΓΆlner Innenstadt eine Katastrophe. Was geschah, erfahren Sie auf unserem Historischen Bild.
Was erfreut mich?
Erinnern Sie sich an Blessing, das Neugeborene im Hungergebiet Ostkenias, ΓΌber das ich wΓ€hrend meines dortigen Besuchs im Dezember berichtete? Damals war die Kleine abgemagert, krank und dem Tod nΓ€her als dem Leben. Nach dem Bericht im Tagesanbruch spendeten mehrere Leserinnen Geld fΓΌr das MΓ€dchen. Nun hΓΆre ich aus Nairobi: Es geht Blessing deutlich besser. Sie ist noch nicht vollstΓ€ndig genesen, aber dank der Spenden bekommt sie nun die nΓΆtige Γ€rztliche Behandlung. Auch ihre Mama Christina ist glΓΌcklich.
Ich wΓΌnsche Ihnen einen glΓΌcklichen Tag.
Herzliche GrΓΌΓe
Ihr
Florian Harms
Chefredakteur t-online
E-Mail: t-online-newsletter@stroeer.de
Mit Material von dpa.
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