Piraten-Politiker: "Der Markt bewirkt einen Scheiß" Mieter protestieren vor dem Rathaus gegen LEG-Konzern

In Aachen protestieren Mieter gegen den Wohnungskonzern LEG wegen unzumutbarer Wohnverhältnisse. Lokalpolitiker suchen nach Wegen, um Missstände trotz beschränkter Einflussmöglichkeiten zu beheben.
Rund 80 Menschen haben am Samstag in Aachen an einer Kundgebung gegen Missstände beim Wohnungskonzern LEG teilgenommen. Zu der Veranstaltung hatten die Initiative "Recht auf Stadt" und der Mieterschutzverein Aachen aufgerufen. Neben Vertretern der beiden Initiativen waren auch Lokalpolitiker und eine Reihe betroffener Mieter anwesend.
Fotos auf Schautafeln dokumentierten Missstände, die laut Veranstaltern von der LEG nicht oder nur zögerlich behandelt werden. Zu sehen waren Schimmel in Wohnungen, abgeplatzter Putz an Wänden und ein defektes Rohr, das ein Treppenhaus flutet. Außerdem: Müllberge, ungepflegte Grünanlagen und mit Gras überwucherte Sandkästen für Kinder.
Mieterschutzverein macht auf dauerhafte Probleme aufmerksam
Zu Beginn ihrer Rede erinnerte Sandra Keilhauer, Geschäftsführerin des Mieterschutzvereins Aachen, daran, dass die LEG in einer Wohneinheit in der Region "seit Jahren" ein Tor, das eigentlich die Parkplätze der Bewohner sichern soll, nicht einbaut. Dadurch hätten Obdachlose und Drogenabhängige ständig Zugang und nutzten das Areal als Toilette.
Die Mieter litten schon seit Jahren unter diesen Zuständen, sagte Keilhauer. In anderen Wohnkomplexen gebe es wiederum defekte Briefkästen, aus denen manchen Mietern die Post gestohlen werde. Auch diese würden nicht repariert. Anderswo werde Gartenpflege über die Nebenkosten abgerechnet, obwohl es gar keinen Garten gebe.
"Gesetze müssen Mieter und Menschen schützen, nicht Investoren", sagte Jakob von der Initiative "Recht auf Stadt" auf den Stufen des Aachener Rathauses. Unzählige Missstände zählte er auf und kam zu dem Schluss: "Hilfe gibt es keine. Das Unternehmen ist kaum erreichbar, auf Reparaturen muss monatelang gewartet werden oder Handwerker erscheinen nicht zu Terminen." Trotzdem würden die Mieten bei jeder Gelegenheit erhöht und in den Nebenkostenabrechnungen Leistungen berechnet, die es nie gegeben hat. Das müsse aufhören, forderte er.
Mieter teilen ihre Probleme mit dem Konzern öffentlich
Auch einige Mieter nahmen an der Versammlung teil. Sie hatten die Möglichkeit, ans offene Mikrofon zu treten und ihre Erlebnisse schildern. Nur drei von ihnen nahmen das Angebot an. Unter ihnen ein älterer Mann. Er berichtete vom ewigen Hin und Her mit der LEG wegen falscher Nebenkostenabrechnungen. Die LEG habe immer wieder bestritten, seine Widersprüche per Post erhalten zu haben, sagte der Mann. Am Ende sei sogar ein Inkassounternehmen auf ihn angesetzt worden. Doch nach wiederholtem Widerspruch sei die Forderung schließlich zurückgezogen worden.
Ein anderer Mann kritisierte eine DHL-Packstation, die der Konzern vor einem Jahr im Foyer eines Hauses eingerichtet habe. Diese sei ihm zufolge an den Allgemeinstrom des Hauses angeschlossen worden. Zudem gebe es dort nun deswegen eine Kameraüberwachung. "Jeder muss an dieser dämlichen Packstation vorbei ins Haus und wird sehr wahrscheinlich gefilmt." Mithilfe des Mieterschutzes bemühe man sich derzeit, "dass die LEG endlich zusichert, dass das Ding nicht abgerechnet wird auf unsere Kosten. Und dass wir und auch unsere Besucher nicht einfach gegen sämtliche Datenschutzvorgaben gefilmt und überwacht werden", ergänzte der Mieter.
Probleme der Mieter sind vielfältig und komplex
Eine ältere Frau, deren Ehemann pflegebedürftig ist, berichtete, dass sie bereits seit zwei Jahren auf einen Umbau ihres Bades warte. Sandra Keilhauer, Geschäftsführerin des Mieterschutzvereins, erläuterte t-online den komplexen Fall ausführlich. Demnach sollen die Mieter einen Eigenanteil von mehreren Tausend Euro tragen. Dabei sei unklar, wie lange sie noch dort wohnen bleiben können. "Für die LEG wäre es ja auch ein Vorteil, ein Badezimmer, das neu gemacht wird, wieder weiterzuvermieten, falls die Familie auszieht." Kostenvoranschläge der Handwerker lägen vor und die Pflegeversicherung übernehme einen Teil der Kosten. Die LEG sage jedoch, dass sie den Rest nicht bezahlen werde, weshalb die Mieterin weiterhin für ein pflegegerechtes Badezimmer kämpfen müsse.
Im zweiten Teil der Kundgebung diskutierten Lokalpolitiker auf dem Podium mit den Veranstaltern. Allerdings waren nur vier Politiker der Einladung gefolgt: Linken-Ratsfrau Ellen Begolli, die bei den Kommunalwahlen als Kandidatin für das Amt der Oberbürgermeisterin antritt; SPD-Ratsmann und Bürgermeister Norbert Plum, UWG-Ratsmann Christoph Allemand und Piraten-Ratsmitglied Dirk Szagunn. Allemand und Szagunn gehören der Fraktion "Die Zukunft" an. Das Fazit der vier Lokalpolitiker fiel ernüchternd aus: Die LEG falle in den Bereich der Landespolitik, auf einen solchen Konzern habe die kommunale Politik also wenig Einfluss.
Sind den Lokalpolitikern die Hände gebunden?
Sozialdemokrat Plum rät den Betroffenen, sich direkt an den Aufsichtsratsvorsitzenden zu wenden und um Abhilfe zu bitten. "Denn der muss ja dann auch mal was tun", sagte Plum. Das habe "mehr Wucht" als nur einen Sachbearbeiter anzuschreiben. UWG-Ratsmann Allemand vermutet hingegen ein "System" hinter dem Nichthandeln der LEG, da dies der "Profitmaximierung" diene. Piraten-Ratsherr Szagunn erinnert daran, dass solche Zustände eintreten, weil Politiker und Unternehmen meinten, "der Markt würde irgendetwas regeln, aber wir sehen in allen Lebensbereichen: Der Markt bewirkt einen Scheiß!" Eine Privatisierung von Wohnungen, Wasserwerken und der Bahn diene nur der "Maximierung von Profiten".
Und doch: Das Quartett kam zu dem Schluss, dass der Lokalpolitik keineswegs die Hände ganz gebunden sind. Schimmel in Häusern macht krank, weshalb die kommunalen Gesundheitsbehörden hier einschreiten könnten. Zudem könnten lokale Behörden eingreifen, wenn Gefahrenstellen für Menschen und die Allgemeinheit nicht behoben werden. Die vier Lokalpolitiker wollen daher prüfen, ob man künftig solche Hebel lokalpolitisch ansetzen könne. Dafür gab es Applaus von den Teilnehmern und Betroffenen.
- Reporter vor Ort