t-online - Nachrichten für Deutschland
t-online - Nachrichten für Deutschland
Such IconE-Mail IconMenü Icon



HomeRegionalBerlin

Brandenburg: Kolkraben attackieren neugeborene Kälber – Bauer fordert Jagd


Landwirt fordert Jagd
"Die Zunge ausgehackt": Kolkraben greifen Kälber an


19.04.2024Lesedauer: 3 Min.
Nachrichten
Wir sind t-online

Mehr als 150 Journalistinnen und Journalisten berichten rund um die Uhr für Sie über das Geschehen in Deutschland und der Welt.

Zum journalistischen Leitbild von t-online.
imago images 0419885227Vergrößern des Bildes
Kolkrabe im Flug (Symbolbild): Erwachsene Tiere haben bis zu 130 Zentimeter Spannweite. (Quelle: IMAGO/Ralf Kistowski)

Ein Bauer im Berliner Umland klagt über Kolkraben, die neugeborene Kälber angreifen. Die ehemals fast ausgerotteten Tiere haben sich wieder ausgebreitet.

Am Feldweg, der an der Weide entlangführt, stehen hohe Bäume. Noch sind sie recht kahl, deshalb sind die schwarzen Vögel gut zu erkennen, die ruhig auf Ästen sitzen und in die Ferne zu starren scheinen. Als Bauer Thorsten Peters* mit seinem mächtigen Pick-up an den Bäumen vorbeifährt, krächzen zwei Vögel kurz auf und fliegen dann mit kräftigen Flügelschlägen davon. Erst jetzt sieht man, wie groß die Tiere sind. Es sind Kolkraben, bis zu 130 Zentimeter Spannweite erreichen erwachsene Tiere. Und für Bauer Peters sind sie ein Problem. Seinen echten Namen will er lieber nicht veröffentlicht sehen.

"Da hinten im Wald haben sie ihre Nester", sagt Peters und deutet in die Ferne. Er schätzt, dass es rund um seinen Hof, der im Umland Berlins liegt, etwa 100 Kolkraben gibt. "Und da hinten sieht man, was das Problem ist", sagt er, ein Fernglas im Anschlag. Mehrere Raben kreisen über der Weide, wo die Rinder des Bauern stehen. Es sind etwa 100 Mutterkühe, die dort im Frühjahr ihre Kälber zur Welt bringen. Und auf diese Kälber hätten es die Kolkraben abgesehen, sagt Peters.

"Das passiert, wenn Artenschutz ausartet"

Immer wieder gibt es in Brandenburg Berichte über Raben, die neugeborene Kälber attackieren, Weichteile wie Augen oder Klauen anpicken und sie schwer verletzen. Laut Landesbauernverband ist das ein lang bekanntes Problem für Weidetierhalter. Peters sagt, dass es sich bei ihm in den letzten fünf bis sechs Jahren verschlimmert habe, weil immer mehr Raben kämen. "Das passiert, wenn Artenschutz ausartet", sagt er.

Der kritischste Moment sei die Geburt eines Kalbes, sagt der Bauer. Die Kolkraben würden darauf warten und ihre Chance ergreifen. "Neulich kamen wir zur Weide, da hatten sie einem Neugeborenen die Zunge ausgehackt", sagt er. Häufig würden sie auch die weichen Klauen anhacken, solange das Kalb noch aus der Mutterkuh herausguckt. Auf seinem Handy zeigt er Bilder von verletzten Tieren. In diesem Jahr hätten sie bereits vier Kälber einschläfern müssen. Den wirtschaftlichen Schaden schätzt er auf 15.000 bis 20.000 Euro. Noch hinzu komme der Stress für die Mutterkühe. Die Zahl der Totgeburten sei in den letzten Jahren deutlich nach oben gegangen, sagt der Viehzüchter. Das hänge aus seiner Sicht mit dem durch die Raben verursachten Stress zusammen.

Wenn man Berlins Wildtierbeauftragten Derk Ehlert anruft, braucht er nur ein Stichwort. Es scheint, als könne Ehlert über jede erdenkliche Tierart ohne Vorbereitung ein minutenlanges Referat halten. "Kolkraben sind die größten Singvögel der Erde", sagt er sofort. Man hört, wie fasziniert er von den Tieren ist.

"Kolkraben sind eine wichtige Gesundheitspolizei"

Die Klagen von Bauern über die Raben kennt Ehlert. Er glaubt, dass der Ruf der Tiere zu schlecht ist. "Kolkraben sind eine wichtige Gesundheitspolizei", sagt er. Sie seien eigentlich keine Raubtiere, würden höchstens kranke Tiere attackieren. Das möge auf Menschen brutal wirken, sei aber wichtig für die Natur.

Auf den Kuhweiden hätten sie es im Frühjahr vor allem auf die Nachgeburten abgesehen. Bauern müssten diese seiner Ansicht nach schneller und gründlicher entsorgen, um nicht so viele Raben anzuziehen. "Es ist wie im Supermarkt. Wenn etwas im Angebot ist, dann kommen auch viele", sagt Ehlert. Viele Bauern würden seiner Einschätzung nach den Mehraufwand scheuen.

Bauer Peters kennt das Problem mit den Nachgeburten. Er sagt auch, dass er und seine Mitarbeiter diese einsammeln würden. Man könne aber nicht immer schnell genug sein. Generell erhöhe der Kampf mit den Kolkraben seinen Personalaufwand enorm. Schon am frühen Morgen würden Mitarbeiter auf die Weide fahren und die Vögel mit Lärm vertreiben. Das helfe aber nur kurz. "Es ist beeindruckend, mit welcher Intelligenz die Kolkraben vorgehen", sagt Peters. Sie würden schnell verstehen, dass ihnen durch lärmende Mitarbeiter keine Gefahr drohe.

Anfang des 20. Jahrhunderts war der Kolkrabe vom Menschen in weiten Teilen Europas fast ausgerottet worden. Seit die Tiere nicht mehr gejagt werden dürfen, hat sich der Bestand erholt. Inzwischen gilt er laut Naturschutzbund Brandenburg hierzulande nicht mehr als gefährdet.

Bauer Peters fordert, dass Kolkraben wieder gejagt werden dürfen. Außerhalb der Brutzeit müsse es Jägern erlaubt sein, eine gewisse Anzahl der Tiere zu schießen, findet er. Derk Ehlert hält das für keine gute Idee. "Kolkraben sind Teil der heimischen Natur", sagt er. Darauf müssten sich alle einstellen.

*Der Name wurde auf Wunsch des Protagonisten geändert.

Verwendete Quellen
  • Reporter vor Ort
  • Telefonisches Interview mit Derk Ehlert
Loading...
Loading...
Loading...
Loading...
Loading...
Loading...
Loading...
Loading...
Loading...
Loading...
Loading...
Loading...

ShoppingAnzeigen

Loading...
Loading...
Loading...
Loading...
Loading...
Loading...
Loading...
Loading...
Loading...
Loading...
Loading...
Loading...



TelekomCo2 Neutrale Website