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Zum journalistischen Leitbild von t-online.Berliner Sängerin Ellice Die nächste Shirin David?

Ellice steht auf der Bühne, seit sie elf Jahre alt ist. Ihre Jugend verbringt die Berlinerin zwischen Castings, Tonstudio und Schulwechseln – für einen Traum, der nicht nur ihr allein gehört.
Ellice kann oft kaum glauben, wie man ihre Musik so sehr fühlen kann. Junge Mädchen rennen in die erste Reihe, um ihr möglichst nahe zu sein. Ihre Fans tragen weiße Schleifen im Haar, haben erst Blumen für Ellice und später einander im Arm. Wenn Ellice singt, sind sie ihr Chor, der jedes Wort auswendig kennt. Sie sind ein Grund, warum Ellice das gewöhnliche Leben einer 17-Jährigen gegen das auf der Bühne eintauscht. Sie sagt, sie tue es für ihre Fans und für sich selbst. Ein Traum? Wenn ja, dann sicherlich auch einer, der ihr von ihrer Mutter vorgeträumt wurde.

Zur Person
Ellice Klawon, geboren 2007 in Berlin, wuchs wechselweise bei ihrem Vater in Berlin und bei ihrer Mutter in Fürstenwalde auf. Bereits mit elf Jahren stand sie auf der Bühne des Friedrichstadtpalasts, mit 16 bei "The Voice Kids", und im selben Jahr landete sie ihren ersten Hit: "Angst>Liebe", der mittlerweile knapp 40 Millionen Streams allein auf Spotify hat. 2025 ging sie auf ihre erste eigene Tour. Am 4. Juli erscheint ihr Album "Ellice im Wunderland".
Gegenwärtig sieht es danach aus, als könne sie die nächste Nina Chuba oder Shirin David werden, ein weiteres junges Vorbild für die noch jüngere Hälfte der Gen Z. Auf der Bühne tanzt sie selbstbewusst und singt ihre Balladen mit Kopfstimme. Sie hat ihre Show im Griff. Aber wie sieht ihr Leben zwischen Jugend, Musik und Erfolgsdruck aus? Wie viel Ehrgeiz verkraftet ein junger Mensch? t-online wirft einen Blick hinter die Kulissen.
Verloren oder voll im Leben?
Wenige Stunden vor ihrem Konzert wabert Vanilleduft durch ihre Garderobe im Backstage des Huxleys in Berlin. Ellice kommt mit einem zum Turban aufgewickeltem Handtuch auf dem Kopf aus der Dusche. Sie setzt sich aufrecht an einen Tisch mit Make-up-Utensilien, dahinter ein riesiger Spiegel. Rechts und links von ihrem Gesicht große Glühbirnen, die jede einzelne ihrer Hautporen beleuchten.
"Ohne meine Mom wäre ich nicht da, wo ich jetzt bin", sagt Ellice und befreit sich von ihrem Handtuch-Turban. Zwar habe ihre Mutter erst nicht daran geglaubt, dass sie gut genug singe. "Das hat mich verletzt", sagt sie. Trotzdem wurde sie von ihrer Mutter insgesamt dreimal bei der Casting-Show "The Voice Kids" angemeldet. Bis es klappte und Ellice sich ins Finale sang. Ihre Haare trug sie in dieser Zeit pink gefärbt – auch eine Idee ihrer Mutter, um sich von der Konkurrenz abzusetzen.
"Ich vertraue meiner Mom blind", sagt Ellice. Ihre Mutter, Marika Klawon, ist Ellices "Momagerin" – eine Wortkombination aus "Mom" und "Managerin". Sie sitzt auf einem Ledersofa in der Garderobe, ihre Füße hat sie auf dem Couchtisch davor abgelegt. Die blonden langen Haare trägt sie zur Hälfte hochgesteckt, ein Schlüsselband baumelt an ihrem Hals. Sie wirkt jung, aber müde. "Hast du Hunger?", fragt sie und schlurft aus dem Raum, nachdem Ellice genickt hat.
"Ich vertraue ihr blind"
"Irgendwann bezahle ich sie dafür", sagt Ellice und lässt ein Zippo-Feuerzeug unter einer Wimpernzange entlanggleiten. Sie setzt die Zange an den Wimpern an und drückt zu. Bisher verdient Ellice mit ihrer Musik offenbar nicht genug, um ihrer Mutter ein entsprechendes Managerinnen-Gehalt zahlen zu können – vielleicht auch weil Ellice zudem noch eine offizielle Managerin, einen Tourmanager, eine PR-Managerin und einen Social-Media-Manager engagiert.
Mit einer halben Schrippe und einem Stück Streuselkuchen auf einem Teller kommt Marika Klawon zurück in die Garderobe und stellt ihn wortlos neben ihrer Tochter auf den Tisch. Ellice sagt: "Ich kann nicht ohne sie, sie ist mein Lebenselixier."
Auf die Bühne muss sie später allein. Sie sitzt auf einem weißen Klavier und singt, begleitet von einem Pianisten und einem Mann am Cello. Im Hintergrund bewegen sich riesige Blumen aus weißem Papier mechanisch auf und ab.
"Danke, Papa"
Es ist für Ellice etwas Besonderes, dass an diesem Abend nicht – wie sonst – nur ihre Mutter im Publikum sein wird, sondern auch ihr Vater, sagt sie. Früher habe sie oft bei ihm im Arbeitszimmer gesessen und mit ihm Songs "zum Spaß" aufgenommen. Sie malt mit einem hellbraunen Stift Linien auf ihre Nase, Stirn und Wangen, um ihrem Gesicht mehr Kontur zu geben. Während ihre Mutter sie nach anfänglichen Zweifeln unterstützte, sei ihr Vater immer skeptisch gewesen, ob sie mit ihrer Musik einmal erfolgreich werden könne. "Danke, Papa", sagt sie, lacht und verwischt die Linien mit ihren Fingern. Jeder Handgriff sitzt. "Ich weiß nicht, ob er mich damit anspornen wollte, aber ich wollte es ihm zeigen."
- Neil Young in Berlin: So war das Konzert in der Waldbühne
Neben der Musik macht Ellice ihr Abitur. Statt zu lernen, geht sie trotzdem oft lieber shoppen am Ku'damm oder am Hackeschen Markt. "Ich bin nicht dumm", sagt sie, "schlau, aber blond" – ein Zitat von Shirin David, bekannt aus Songs wie "Bauch, Beine, Po" oder "Nur mit dir". Auch ihre Bühnenoutfits erinnern an die Rapperin: knappe Shorts, Crop Tops, ein weißes Blumenkleid mit Corsage, lange blonde Haare. Man könnte fast denken, es sei David selbst, die mit zwei Tänzerinnen auf der Bühne steht und Choreografien tanzt. Aber es ist Ellice, die mit den Hüften kreist.
So selbstsicher wie beim Tanzen auf der Bühne ist sie nicht immer. Ihre Songs handeln von der Angst, verletzt zu werden, und von der Suche nach Liebe. "Ich bin doch auch nur ein Teenage Girl", sagt sie dazu und lacht. Ihr Gesichtsausdruck wird ernster, als sie sich mit einem Pinsel Puder auf die Wangenknochen tupft. Dabei rascheln die vielen Freundschaftsbänder mit Perlen, Herzen und Kleeblättern an ihrem Arm.
It's about my life. Ich mache mich damit ziemlich nackig.
Ellice
Mehrmals habe sie die Schule wechseln müssen, weil ihre Schulkameradinnen sie ausgeschlossen hätten. "Ich habe nicht immer jemanden, mit dem ich reden kann", sagt Ellice. Wenn es ihr schlecht geht, singt sie. Das hilft. Einen Streit mit ihrer Freundin von früher hat sie in ihrem ersten Song "Stummes Klavier" verarbeitet. Es ist eines der ruhigeren Lieder, die Ellice vor dem Konzert nervös werden lassen – ein schwerer Song mit hohen Tönen, die sie treffen muss. Außerdem hat sie Sorge, dass sie auf der Bühne weinen wird, weil ihre Familie da ist. "It's about my life", sagt Ellice, "ich mache mich damit ziemlich nackig."
Dass sie deshalb manchmal an ihre Grenzen stößt, nimmt sie in Kauf. "Ich hatte noch nie für etwas anderes Ehrgeiz, ich will das unbedingt", sagt sie. Aber auch sie habe Tage, an denen sie sich nicht genug Mühe gebe und sich dann mit ihrer Mutter streite. Schließlich stecke auch ihre Mutter "Fleisch, Blut und Tränen" in die Karriere von Ellice.
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Kurz vor dem Ende des Konzerts sitzt Ellice selbst am Klavier. Das Instrument dreht sich mitsamt der Sängerin um die eigene Achse. Die Mädchen im Publikum singen mit, umarmen sich und weinen. Ellice schaut in unzählige glänzende Augen. In solchen Momenten falle es ihr schwer, sich zu konzentrieren. Zwar steht ihre Mutter ihr zur Seite, eine beste Freundin im gleichen Alter wie diese Mädchen habe sie aber nie gehabt. Und trotzdem liefert sie ab: Sie verspielt sich nicht, ihre Stimme bleibt klar. "Gebt mir alle ein Herz", schreit sie und ihr Konzert endet mit Hunderten aus Fingern geformten Herzen.
Am 7. Juli wird Ellice 18. "Finally", wie sie sagt. Am selben Tag soll es eine große Überraschungsparty zum Release des neuen Albums "Ellice im Wunderland" für Ellice und ihre Fans geben. Die Idee hatte ihre Mutter.
- Interview mit Ellice
- Konzertbesuch in Berlin
- tagesspiegel.de: "Berliner Sängerin Ellice setzt auf ihre Mutter als Managerin"