Höchster Wert seit Beginn der Erfassung Zahl antisemitischer und israelfeindlicher Attacken verdoppelt

Beleidigungen von Juden kommen oft per Mail an oder werden in Internetportalen veröffentlicht. Aber es trifft auch Juden und Israelis auf der Straße. Die Zahl der Vorfälle ist in Berlin zuletzt stark angestiegen.
2.521 antisemitische und antiisraelische Beleidigungen, Beschädigungen, Bedrohungen und Angriffe sind im vergangenen Jahr von einer Dokumentationsstelle erfasst worden. Das war die höchste Zahl seit Beginn der Erfassung, wie die Recherche- und Informationsstelle Antisemitismus Berlin (RIAS) mitteilte. Und es waren etwa doppelt so viele Taten wie 2023, als es insgesamt 1.270 Vorfälle gab. Davor waren es etwa 1.000 pro Jahr.
"Es zeigen sich die anhaltenden Auswirkungen der antisemitischen Reaktionen auf die Massaker des 7. Oktober 2023 und den darauffolgenden Krieg zwischen Israel und der Hamas", stellte RIAS in dem 92 Seiten umfassenden Bericht fest. Fast die Hälfte der Taten (44 Prozent) habe einen Bezug zum Terrorangriff oder dem Krieg gehabt.
Viele registrierte Vorfälle sind Beleidigungen in Mails oder auf Internet-Plattformen. Aber es gebe auch gezielte Beschädigungen, Anfeindungen und Beleidigungen von Angesicht zu Angesicht sowie 53 dokumentierte Angriffe und 2 Fälle von starker Gewalt.
Antisemitismus im Alltag zermürbt
"Betroffene wurden meist im Kontext spontaner Begegnungen von Unbekannten geschlagen, getreten, angerempelt oder angespuckt", schrieb RIAS. Antisemitismus im Alltag, auf der Straße, im Verkehr, in den Unis, in Kneipen, beim Konzert oder beim Einkaufen wirke auf viele zermürbend.
Unter den 99 dokumentierten Sachbeschädigungen seien 54 Beschädigungen von Gedenkorten. Stolpersteine, Mahnmale, Gedenktafeln und Denkmäler seien zerkratzt, besprüht oder beklebt worden. Meistens habe es sich um Gedenkstellen an den Holocaust gehandelt, aber auch Trauerstellen für die von der Hamas entführten Geiseln seien Ziele gewesen. Betroffen war vor allem der Berliner Innenstadtbereich und dort die Bezirke Mitte, Friedrichshain-Kreuzberg und Neukölln.
45 Vorfälle mit Kindern als Opfer
RIAS berichtete auch von 45 Vorfällen, bei denen jüdische und israelische Kinder in der Schule, auf der Straße oder auf dem Sportplatz angefeindet oder angegriffen worden seien. Vor allem seien die Taten von anderen Kindern und Jugendlichen, oft von Mitschülern, ausgegangen.
208 Demonstrationen mit antisemitischen Parolen, Reden oder Plakaten wurden registriert. Die meisten davon gehörten dem Spektrum des antiisraelischen Aktivismus an, also der Pro-Palästina-Bewegung.
Präsent in der Stadt waren auch Symbole oder Schriftzüge, die den Terror gegen Israel verherrlichten, etwa rote Dreiecke als Symbol der islamistischen Terrororganisation Hamas. Auch "Intifada"-Rufe wurden zur Terrorverherrlichung gezählt.
Großteil der Taten kann keiner Seite eindeutig zugeordnet werden
Der große Teil der Taten (70 Prozent) konnte laut RIAS keiner politisch-extremistischen Seite eindeutig zugeordnet werden, weil oft die nötigen Informationen fehlten. Knapp 16 Prozent (398 Vorfälle) stammten aus dem antiisraelischen und oft propalästinensischem Spektrum. Rechtsextremisten seien für 108 Vorfälle (4,3 Prozent) verantwortlich.
RIAS führte in dem Jahresbericht zahlreiche Beispiele von Angriffen, Beleidigungen und Beschädigungen an. So wurden etwa ein Mann und eine Frau, die sich in einem Imbiss in Neukölln auf Hebräisch unterhielten, beleidigt, geschlagen und bespuckt. Eine andere Frau wurde wegen eines Anhängers an einer Kette auf der Straße angespuckt.
Im November sei in Neukölln die Jugendmannschaft eines jüdischen Fußball- und Sportvereins nach einem Spiel von einer Gruppe von Jugendlichen antisemitisch beleidigt und angegriffen worden. Als die jüdischen Spieler die Kabine verließen, seien sie mit "Free Palestine" und Schimpfwörtern angeschrien und mit einem Messer bedroht worden.
- Nachrichtenagentur dpa