Beamter angeblich durch Tritte verletzt Zweifel an Darstellung der Polizei zu Pro-Palästina-Demo

Vor einigen Wochen eskalierte in Berlin eine Pro-Palästina-Demonstration. Die Polizei teilte danach mit, dass ein Beamter brutal ins Krankenhaus getreten worden sei. Aber stimmt das wirklich?
Der Fall machte damals über die Grenzen der Hauptstadt hinweg Schlagzeilen: Am 15. Mai eskalierte in Kreuzberg eine pro-palästinensische Demonstration. Die Polizei berichtete von 1.100 Teilnehmenden, von aggressiver Stimmung, von zahlreichen Angriffen auf Einsatzkräfte durch Schläge, Tritte und Flaschenwürfe.
Besonders schwer wog aber ein Detail: Ein Polizist sei von Demonstranten in die Menge gezogen, niedergetrampelt und schwer verletzt worden, meldete die Polizei. Wörtlich hieß es in der Pressemitteilung: "Mehrere Gewalttäter in der Menge des Versammlungsgeschehens griffen gezielt einen Polizeibeamten an, brachten ihn zu Boden und traten massiv auf ihn ein." Er sei so erheblich verletzt worden, dass er stationär in einem Krankenhaus behandelt werden müsse.
Der Vorfall führte zu Empörung und vielen Medienberichten, auch t-online berichtete darüber. Berlins Regierender Bürgermeister Kai Wegner (CDU) sprach von einem "feigen, brutalen Gewaltakt". Recherchen von "Süddeutscher Zeitung" und dem NDR wecken jetzt aber Zweifel an der Darstellung der Polizei.
Das zeigt das neue Video
Der Bericht der beiden Medien stützt sich auf eine Videoanalyse der Rechercheagentur "Forensis", die den Angaben zufolge eine Aufnahme von der Demonstration zugespielt bekommen hat. Es handle sich dabei um Material einer 360-Grad-Kamera eines freien Journalisten namens Mohannad Darabee. Laut "Tagesspiegel" ist Darabee Mitglied im "Palestine Solidarity Movement". Zusätzlich haben die Journalisten weitere Videos analysiert, die in sozialen Medien gepostet wurden.
Der verletzte Polizist trug dem Bericht zufolge an diesem Tag die Kennung 24111. Auf Videoaufnahmen ist zu sehen, wie er zunächst proaktiv mit Kollegen den Demonstrationsaufzug betritt, offenbar, um einen Teilnehmer festzunehmen. Es kommt zu körperlichen Auseinandersetzungen, Polizisten schubsen Demonstrierende, Demonstrierende schubsen Polizisten. Es ist eng und unübersichtlich.
Auf den Aufnahmen ist zu sehen, wie Polizist 24111 gemeinsam mit Kollegen einen Mann festnimmt. Ein anderer Polizist macht eine Schlagbewegung in Richtung des Protestlers, woraufhin dieser zu Fall kommt. 24111 begibt sich selbst ebenfalls auf den Boden, um den Mann an den Beinen zu packen und zu fixieren. In dem Gedränge wird ein weiterer Demonstrant von einem anderen Polizisten in Richtung von 24111 geschubst, der sich immer noch am Boden befindet. Der andere Polizist gerät kurz ins Straucheln. Ob er dabei auf Polizist 24111 tritt, der vor ihm liegt, ist im Video nicht klar zu sehen.
Wobei brach der Polizist sich die Hand?
Kurz darauf steht Polizist 24111 wieder. Von hinten kommt ein vermummter Demonstrant, der erst einen daneben stehenden Polizisten schubst und tritt und dann auch 24111 leicht schubst. 24111 schlägt daraufhin mit den Händen auf den Demonstranten ein. Im engen Gedränge schlägt er noch weitere Demonstranten. Durch einen Schubser oder einen Tritt bringt er eine Demonstrantin offenbar zu Boden. Dann wird 24111 in der Menschenmenge in Richtung eines weißen Autos gedrückt, auf dem er sich mit beiden Händen kurz abstützt. Kurz darauf hält er den rechten Arm in Schonhaltung, weil er sich offenbar verletzt hat. Später wird klar, dass er sich die Hand gebrochen und Prellungen am Oberkörper erlitten hat.
Dem Bericht zufolge wurde der verletzte Polizist 24111 kurz darauf von Kollegen aus dem Gedränge geführt. Die Szene ist auf den veröffentlichten Videos nicht mehr zu sehen. Polizeisprecher Florian Nath sagte "SZ" und NDR, dass er den Verletzten selbst hinter den Absperrungen auf einer Bahre habe liegen sehen. "Er war nicht ansprechbar, er ist ständig weggeklappt", so Nath. Sanitäter hätten ihm die Schutzkleidung vom Körper geschnitten. Was passiert ist, habe er selber nicht gesehen. Die Aussage des Beamten sei aber recht eindeutig. "Er hat ausgesagt, er sei zu Boden getreten worden", so Nath. Bis heute sei der Beamte nicht dienstfähig.
Die Polizei bleibt bei ihrer Darstellung der Ereignisse. Man habe aus der Bevölkerung Videos von dem betreffenden Tag zugesendet bekommen, sagte Polizeisprecher Nath "SZ" und NDR. Es seien auch Aufnahmen dabei, die zeigen würden, wie der Beamte zu Boden gerissen werde. Ob "SZ" und NDR diese Aufnahmen vorgelegt wurden, geht aus dem Bericht nicht hervor. Die Generalstaatsanwaltschaft wollte sich dem Bericht zufolge nicht zu den laufenden Ermittlungen äußern.
- sueddeutsche.de: "Was geschah mit Polizist 24111?" (kostenpflichtig)
- berlin.de: Pressemitteilung der Polizei Berlin vom 16. Mai 2025
- tagesspiegel.de: "Neues Video sät Zweifel an Polizei-Darstellung vom Nakba-Tag"