Mehr als 150 Journalistinnen und Journalisten berichten rund um die Uhr für Sie über das Geschehen in Deutschland und der Welt.
Zum journalistischen Leitbild von t-online.Freispruch für El Hotzo Wann ist ein Witz ein Witz?

Nach dem gescheiterten Attentat auf Donald Trump macht der Satiriker El Hotzo einen Witz, der ihm zahlreiche Anzeigen einbringt. Vor Gericht reißt er wieder Witze und erringt einen schnellen Sieg.
Dass er zuallererst Satiriker ist, will Sebastian Hotz an diesem Tag von Anfang an klarmachen. "Wir sehen uns in Handschellen wieder", witzelt er in Richtung der versammelten Presse vor dem Gerichtssaal. Als die Kameraleute im Saal ihre Auftaktbilder aufnehmen, unterhält er sich mit seinen Verteidigerinnen lautstark über Kochrezepte. Als ihn nach dem Urteil jemand fragt, ob er jetzt wieder witzig werde, antwortet er: "Nein, nie wieder. Es ist jetzt over mit witzig, ich werde wieder Betriebswirt."
Aber ist El Hotzo wirklich so entspannt, wie er tut? Sein Outfit, grauer Anzug, weißes Hemd, sieht wirklich eher nach Betriebswirt aus als nach Twitter-Superstar. Der Medienrummel aus 20 akkreditierten Journalisten plus mehreren Kamerateams scheint ihm nicht ganz geheuer. Allzu aufdringliche Pressevertreter hält ihm ein Mann mit Glatze vom Leib, der wie ein Personenschützer wirkt.
Der 29-jährige Internetsatiriker Hotz steht heute wegen eines Twitterposts vor Gericht. Kurz nach dem gescheiterten Mordattentat auf den damaligen US-Präsidentschaftskandidaten Donald Trump vergleicht er im Juli 2024 – nach 2 Uhr morgens – den US-Politiker mit "dem letzten Bus". Beide "leider knapp verpasst." 15 Minuten später legt er nach. "Ich finde es absolut fantastisch, wenn Faschisten sterben." Kurz darauf löscht er die Posts wieder, die Welle der Empörung ist aber nicht mehr aufzuhalten.
Knapp 50 Anzeigen gehen wegen der Posts bei der Berliner Polizei ein. Der damalige Vizepräsident des Bundestages, Wolfgang Kubicki (FDP), sagt: "Ich gehe davon aus, dass die Staatsanwaltschaft sich mit diesem Tweet beschäftigen wird." Damit behält er recht.
Nach der Anklageerhebung hatte es das Amtsgericht zunächst abgelehnt, ein Verfahren gegen Hotz zu eröffnen. Erst nach einer Beschwerde der Staatsanwaltschaft kippte das Landgericht diese Entscheidung, weshalb es jetzt zur Verhandlung kommt.
"Ein Witz bleibt ein Witz"
Die Anklage wirft Hotz die Billigung von Straftaten vor. Laut Staatsanwalt soll er mit seinen Posts "ein psychisches Klima" geschaffen haben, in dem ähnliche Angriffe wahrscheinlicher werden könnten.
Der Satiriker verteidigt sich mit einem vorbereiteten Statement. Deutschland sei auf der ganzen Welt für zwei Dinge bekannt, für sehr schlechten Humor und sehr viele Faschisten. "Ich habe mir zur Aufgabe gemacht, mich gegen beides einzusetzen." Das klappe mal mehr und mal weniger, sagt Hotz. Er sei zwar unseriöser als öffentlich-rechtliche Kollegen, aber ein Witz bleibe ein Witz. "Wenn schlechte Witze illegal wären, wäre die deutsche Justiz stark überlastet."
Der Staatsanwalt sieht das anders. Die Äußerungen seien geeignet gewesen, den öffentlichen Frieden zu stören, sagt er in seinem Plädoyer. Sie seien in eine Zeit gefallen, in der es ohnehin zu besonders vielen Angriffen auf Mandatsträger gekommen sei. "Bundesländerübergreifend" habe Hotz Empörung ausgelöst. Satiriker stünden nicht über dem Gesetz, man dürfe in Deutschland nicht alles sagen. Außerdem müsse man sich die Frage stellen, warum der Angeklagte sich auf die Satirefreiheit berufe, die Posts aber trotzdem gelöscht habe. "Ein Koch in der Küche kann auch nicht sagen, jetzt wird es mir zu heiß, jetzt gehe ich hinaus." Hotz muss lachen und schaut entgeistert zu seiner Verteidigerin. Der Staatsanwalt fordert eine Geldstrafe von 6.000 Euro.
"Eine Empörungswelle rechtsgerichteter Personen"
Die Verteidigerin des Satirikers hält dagegen. Sie kann nicht verstehen, warum es überhaupt zur Verhandlung gekommen ist, und bezeichnet den entsprechenden Beschluss des Landgerichts als "Realsatire". Darin werde angezweifelt, dass es sich bei den Äußerungen um Satire handle, weil Hotz sie auf einem "privaten X-Account" getätigt habe und nicht im Rahmen einer Satiresendung. "Ich weiß nicht, ob die Richter des Landgerichts Social Media kennen", sagt die Verteidigerin. Knapp 50 Anzeigen könne man nicht als Indiz dafür nehmen, dass der öffentliche Frieden gestört wurde. "Es war eine Empörungswelle rechtsgerichteter Personen, die sich am linksgerichteten El Hotzo stören."
Nur gut eine Stunde nach Beginn der Verhandlung spricht die Richterin Hotz frei. Es handle sich bei den Posts um "straffreie Satire". Hotz, mit dem Rücken zur Presse gewandt, atmet durch.
Vor dem Saal wird El Hotzo wieder von den Kamerateams belagert und schaltet zurück in den Witzmodus. Dem RBB sage er gar nichts, "erst, wenn ich wieder eine Sendung habe". Der Sender hatte als Reaktion auf die Trump-Posts die Zusammenarbeit mit ihm beendet. Mit Begleitung eilt er durch die verwinkelten Gänge des Moabiter Gerichtsgebäudes davon.
Am Ausgang, abseits des Trubels, bleibt er für ein paar Nachfragen von t-online noch einmal kurz stehen. Ob der Eindruck stimmt, dass er sehr erleichtert auf das Urteil reagiert habe? Er hätte ungern mehrere Tausend Euro bezahlt, ja. "Das wäre stressig geworden." Ob es bei dem Urteil nicht um mehr als um Geld gegangen sei, etwa um seinen ganzen Berufsstand? "Ich bin nicht als Vertreter der Meinungsfreiheit hier, das ist ja Quatsch", sagt Hotz. Alle in seinem Beruf wüssten, dass das hier "eher ein kleiner Schauprozess" sei, als dass wirklich Kunstfreiheit verhandelt würde. Wer diesen "Schauprozess" gegen ihn angezettelt habe, könne man online gut nachlesen.
Vor dem Gerichtsgebäude wartet ein Reporter des rechtsextremen österreichischen Fernsehsenders "Auf1" auf Hotz, der ihm Kamera und Mikrofon ins Gesicht hält und auf ihn einredet. Nach einem kurzen Wortgefecht steigt Hotz in ein bereitstehendes Miles-Mietauto und fährt davon.
- Reporter vor Ort