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Berliner Clubs öffnen: "sollten uns nicht von Putin beeinflussen lassen"


Klub-Eröffnung in Berlin
Tanzen trotz Krieg

Von Janek Kronsteiner

05.03.2022Lesedauer: 4 Min.
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Zwei Feiernde vor einem Berliner Klub (Montage): Die Ukraine-Krise beim Tanzen in den Köpfen.Vergrößern des Bildes
Zwei Feiernde vor einem Berliner Klub (Montage): Die Ukraine-Krise beim Tanzen in den Köpfen. (Quelle: allefarben-foto/Janek Kronsteiner/imago-images-bilder)

In Berlin haben nach einer monatelangen Corona-Pause die Klubs wieder geöffnet. Überschattet wird die erste Partynacht vom Krieg in der Ukraine – doch einigen verdirbt das nicht die Feierlaune.

Eine halbe Stunde noch, dann wird endlich getanzt. "Und der Klub sieht so gut aus wie seit einigen Monaten nicht", freut sich Robin Schellenberg, Betreiber vom Klub "Klunkerkranich". Schon um 16 Uhr öffnen hier an diesem Freitag die Türen auf dem Dach der Neukölln Arkaden – zum ersten Mal seit dem vergangenen Herbst, als die Berliner Klubs und Diskotheken erneut coronabedingt schließen mussten. Ob das die letzte Pandemie-Pause war?

Seit zwei Jahren hätten sie auf diesen Moment gewartet, erzählt Schellenberg. "Immer, wenn wir die Normalität schnuppern konnten, kam ein neuer Schlag vor die Stirn." Doch jetzt sei der Normalbetrieb zum Greifen nah, glaubt Schellenberg.

Aber kann man überhaupt von Normalität sprechen, wenn in der Ukraine Raketen einschlagen? Richtig feiern fühle sich aktuell falsch an, gesteht Schellenberg. Feiern gehen passe trotzdem in die Zeit: Jeder Mensch müsse sich auch um sich selbst kümmern. "Auch wenn unsere Probleme aktuell nicht so groß sind wie die der Menschen in der Ukraine. Wir bringen uns auf Vordermann, damit wir danach wieder besser helfen können."

Kluberöffnung in Berlin: Friedrichshain noch verhalten

Ein unbändiger Drang nach Selfcare im Klub ist in Friedrichshain noch nicht zu spüren. In anderen Zeiten wuselten schon mehr Feierwütige um den Boxhagener Platz als an diesem Freitag. Entlang der Simon-Dach-Straße sind die Bars zwar voll besetzt, die Bänke vor den Spätis bleiben aber größtenteils leer. Bei Temperaturen um den Gefrierpunkt trauen sich nur Raucher regelmäßiger vor die Tür. Manch einer verschlingt noch einen Döner am Stehtisch vorm Laden. Die meisten Personen auf dem Gehsteig hoffen jedoch darauf, dass der Freund sich fix für eine Biersorte im Späti entscheidet.

Wer Lust hat zu feiern, läuft zum RAW-Gelände. Noch nicht alle Läden sind geöffnet, aber im "Cassiopeia", "Badehaus Berlin" und "Der Weiße Hase" stehen die Türsteher schon bereit. Auch vorm "AVA Club" stehen Leute an.

Doch heute machen die Schlangen vor den mobilen Corona-Teststationen denen vor den Klubtüren Konkurrenz. Auch Geboosterte müssen am Eingang einen negativen Corona-Test vorweisen, dafür müssen sie im Innenraum keine Masken tragen. Ein radikales 2G-plus-Konzept. Vielen fällt erstmals an der Klubtür auf, dass ihnen der Corona-Test fehlt.

Für manche endet der Abend schon nach dem Schnelltest: Am Rande des RAW-Geländes sitzt eine Gruppe junger Frauen auf einer Treppe und diskutiert, wie sie mit dem positiven Ergebnis umgehen sollen – und wie sie nun nach Hause kommen.

Booster und Test für viele neu

Auch Franziska (38) erwischt die Frage des Türstehers nach einem negativen Coronatest auf dem falschen Fuß. Dennoch ist die Hotelangestellte vom Testkonzept der Klubs begeistert. Franziskas Begleitung Kerstin (39) hält es dagegen für Geldmacherei. Die Schnelltests seien zwar für sie kostenlos, aber: "Jetzt zahlt der Steuerzahler, damit ich feiern gehen kann." Franziskas gute Laune über den Neustart der Klubs kann Kerstin damit nicht verderben: "Nur nervig, dass die Touristen mir bald wieder vor die Haustür kotzen."

Markus (40) benötigt für den Einlass in den Klub ebenfalls noch einen negativen Test und steht deshalb in der Schlange vor einem Krankenwagen, der zum mobilen Testzentrum umfunktioniert wurde. Beim Warten faucht Markus Drängler an, die versuchen, etwas schneller ihren Nasenabstrich zu bekommen. Sobald der negative Corona-Test vorliegt, will Markus die Bar "Zum schmutzigen Hobby" ansteuern.

Während der Wartezeit erinnert er sich, wie er noch im November 2021 in Kiew feiern war. "Die Klubszene dort hat mich sehr an Berlin in den Neunzigerjahren erinnert. Alles irgendwie handgemacht." Große Sorgen um Deutschland macht er sich nicht: "Ich habe keine Angst, dass der Krieg nach Berlin kommen könnte."

Krieg in den Köpfen

Noé Trovato und Simon Daulte (beide 21) sorgen sich hingegen sehr um einen ukrainischen Freund. Die beiden kommen aus Lausanne in der Schweiz. Noé macht aktuell ein Praktikum in Berlin, Simon lernt am Goethe-Institut. Dass die Schweiz vor wenigen Tagen doch noch Sanktionen gegen Russland erließ und damit von ihrer Neutralität abrückte, ist für beide ein historischer Einschnitt. "Aber Kriege wie diesen gab es schon immer, nur, da er jetzt in Europa ist, reden wir plötzlich darüber."

Luna (24) hat den Krieg immer im Hinterkopf, wie sie sagt. "Es klingt vielleicht blöd, aber ich finde, wir sollten uns nicht von Putin beeinflussen lassen", meint die Studentin aus dem Ruhrgebiet. In Berlin will sie gerne einen Technoklub besuchen, nachdem sie in Nordrhein-Westfalen unter der Woche bereits Karneval gefeiert hat.

Spenden zum Re-Opening

Der Spagat zwischen einem ausgelassenen Neustart und dem Respekt vor der Situation der Ukrainerinnen und Ukrainer fordert auch die Berliner Klubs. Einige nutzen bereits seit Beginn der Krise ihre Social-Media-Accounts, um auf Hilfsmöglichkeiten aufmerksam zu machen. Am Mittwoch hatte die Berliner Clubcommission angekündigt, das Re-Opening mit Spendenaktionen für die Ukraine zu verbinden.

Feiernde, die durch Gästelistenplätze in den Klub gelangen, könnten motiviert werden, den gesparten Eintritt für ein Hilfsprojekt zu spenden. Einige Klubs spenden auch einen Teil des Eintrittsgeldes an Projekte, die den Menschen in der Ukraine zugutekommen. Welche Projekte unterstützt werden sollen, ist den Klubs überlassen.

"Klubs sind Orte der Solidarität und des politischen Engagements", hatte Clubcommission-Sprecher Lutz Leichsenring in einer Pressemitteilung erklärt. Trotz der großen Herausforderungen nach zwei Jahren Pandemie sei es für die Berliner Klubs selbstverständlich, jetzt Hilfen zu organisieren.

Not ist nicht gleich Not

Auch der Klub "Klunkerkranich" von Robin Schellenberg sammelt Spenden und macht auf Hilfsprojekte aufmerksam. "Not ist nicht gleich Not", zitiert Schellenberg die Soligruppe "United we stream": "Die Menschen in der Ukraine brauchen gerade die Hilfe. Auch wenn es bei unseren Klubs in den letzten zwei Jahren finanzielle Notlagen gab, ist das nicht vergleichbar."

Der Freude über die offenen Tanzflächen tut all das keinen Abbruch. Schellenberg: "Ich grinse trotz Krieg im Kopf." Die Vorfreude auf den Sommer lasse ihm keine andere Möglichkeit. "Auch in schweren Phasen dürften wir gerne ein Lächeln im Gesicht tragen."

Verwendete Quellen
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