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Brutale Attacke mit Flasche auf Amateur-Schiedsrichter: "Ich hatte Todesangst"


Fußballer holt mit Flasche aus
Schiedsrichter beleidigt und bedroht: "Ich hatte Todesangst"

Von Steffen Koller

Aktualisiert am 04.05.2023Lesedauer: 4 Min.
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Ein Schiedsrichter zeigt die Rote Karte (Symbolfoto): Kurz nach Abpfiff kam es zu den brutalen Szenen.Vergrößern des Bildes
Ein Schiedsrichter zeigt die Rote Karte (Symbolfoto): Kurz nach Abpfiff kam es zu den brutalen Szenen. (Quelle: IMAGO/Pius Koller)

Nach einer dramatischen Schlussphase bei einem Kreisklassenspiel attackiert ein Spieler einen Schiedsrichter. Der macht das öffentlich.

Der Vorfall wühlt ihn noch immer auf. Leon Jöstingmeiers Stimme am Telefon ist angespannt, mal redet er schnell, dann wieder macht er lange Pausen. Doch er will erzählen, was er als Amateur-Schiedsrichter aus dem Landkreis Wesermarsch am Wochenende bei einem Spiel in Sillenstede erlebt hat. Denn den Vorfall öffentlich zu machen, hält der 24-Jährige für wichtig.

Es ist Sonntag, der 30. April, als Jöstingmeier das Spiel des TuS Sillenstede gegen die zweite Auswahl des SV Wilhelmshaven pfeift. Das Spiel ist eng, bis zur 96. Minute steht es 3:3 zwischen dem Erst- und Zweitplatzierten der Liga. Dann gibt der 24-Jährige einen Elfmeter für die Heimmannschaft. Diese schießt letztlich den finalen Spielstand von 4:3 und gewinnt die Partie.

"Nazi", "Hurensohn" und Morddrohung

Tatsächlich hatte er das bereits am Dienstag öffentlich gemacht. Da schrieb er auf seinem Instagram-Account über die Attacken, denen er nach einem Spiel in der Kreisklasse ausgesetzt gewesen sei, und von der Todesangst, die er dabei ausgestanden habe. Wüst beschimpft worden sei er und beinahe mit einer Bierflasche verletzt. Nur weil die eigenen Mitspieler ihren Kollegen zurückgehalten hätten, sei er unverletzt geblieben. Seitdem ist der Post vielfach geteilt und kommentiert worden. Jöstingmeier hofft, dass die Aufmerksamkeit für Fall vielleicht etwas ändert.

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"Das war ein Albtraum"

Dass Partien mal hitziger seien und in knappen Spielen die Emotionen hochkochten, habe er bereits erlebt. Doch die Szenen von Sonntag hatten laut Jöstingmeier eine andere Qualität. "Ich hatte Todesangst", sagt er. "Auch jetzt habe ich noch Angst."

Jöstingmeier habe nur durch das Eingreifen mehrerer Ordner und mit Unterstützung von Spielern der Heimmannschaft in das Vereinsheim gebracht werden können. Dort habe er sich eingeschlossen. Noch immer lasse ihn das Erlebte nicht los, sagt er. Bereits am Dienstag zog der 24-Jährige erste Konsequenzen und teilte über seinen Instagram-Account mit, dass er bis Saisonende keine Spiele mehr alleine pfeifen werde. "Das war ein Albtraum", heißt es dort unter anderem.

Für ihn bedeute das Erlebnis zwar keinen endgültigen Rückzug vom Schiedsrichterwesen, jedoch wolle er nun erst mal nur als Assistent an der Seitenlinie agieren. Spiele als Schiedsrichter zu leiten, komme momentan nicht infrage. Zu sehr nehme ihn der geschilderte Gewaltausbruch mit.

"Das hatte eine ganz andere Dimension"

Jöstingmeier begann vor etwa sechs Jahren, als Schiedsrichter Spiele der ersten und zweiten Kreisklasse zu pfeifen, in Landesliga-Partien könne er auch als Assistent mitwirken. Erlebt habe er so etwas zuvor nicht. "Das hatte eine ganz andere Dimension, das war eine ganz andere Nummer", sagt er. Warum der Spieler ihn so anging, kann sich Jöstingmeier nicht erklären. Eine Vorgeschichte habe es nicht gegeben. Zudem sei es das erste Spiel des SV Wilhelmshaven gewesen, dass er als Unparteiischer leitete.

Seiner Meinung hätten Beleidigungen und Bedrohungen zugenommen in den vergangenen Jahren. Eine Anzeige habe er noch nicht erstattet, behalte sich dies aber vor. "Ich überlege noch."

SV Wilhelmshaven suspendiert Spieler

Der Spieler habe sich nicht bei ihm gemeldet. Zwar räumt er ein, dass die Verantwortlichen des SV Wilhelmshaven ihn angerufen hätten, "doch ich habe direkt aufgelegt". "Ich möchte das momentan einfach nicht."

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Der SV Wilhelmshaven postete am Mittwoch via Instagram eine Stellungnahme zum Vorfall. Darin heißt es unter anderem: "Der SV Wilhelmshaven e.V. zeigt sich vom Verhalten eines Spielers seiner zweiten Herrenmannschaft tief erschüttert. Der Verein verurteilt jegliche Form der Diskriminierung, die untragbaren Äußerungen und Geschehnisse aufs Schärfste." Das Betragen des Spielers sei mit "den Werten des SVW in keiner Art und Weise vereinbar", wird Teamchef Florian Schmidt dort zitiert.

In der Konsequenz sei "der Spieler unmittelbar aus der Mannschaft und dem Verein ausgeschlossen worden". Weiter heißt es in dem Statement: "Der SV Wilhelmshaven bittet den betroffenen Schiedsrichter Leon Jöstingmeier ehrlich um Entschuldigung und sucht den direkten Kontakt, um die Geschehnisse vom vergangenen Sonntag gemeinsam aufzuarbeiten. Leider ist Herr Jöstingmeier derzeit nicht zu einem persönlichen Gespräch bereit. Der Verein bietet ihm weiter volle Unterstützung an."

Unterstützung in den sozialen Medien

In den sozialen Netzwerken erhält Jöstingmeier viel Zuspruch, die Anteilnahme ist groß. Unter seinem Instagram-Post haben sich seit Dienstag mehr als 250 Kommentare gesammelt, über 7.000 Menschen fügten ein "Like" hinzu. Ein Nutzer schreibt beispielsweise: "Manchmal fragt man sich echt, was mit den Menschen nicht stimmt. Es ist Fußball. Emotionen, schön und gut. Aber Gewalt geht gar nicht."

Andere können Jöstingmeiers Entscheidung, nun an die Seitenlinie zu wechseln, nachvollziehen. Sie hätten selbst ähnliche Situationen erlebt, jedoch "null Unterstützung" von Verbänden erfahren. Andere wiederum reden dem 24-Jährigen gut zu und ermutigen ihn, sein Hobby nicht aufzugeben. "Bleib stark und lass dich nicht von solchen primitiven Individuen unterkriegen", schreibt ein Nutzer. Ein weiterer meint: "Lass dir dein tolles Hobby nicht nehmen!"

Jöstingmeier wünscht sich indes "härtere und konsequentere Strafen seitens der Verbände". Viel Hoffnung mache er sich jedoch nicht. "Das ist schon zu häufig vorgekommen im Amateurfußball. Ich sehe da zurzeit keine Besserung."

Verwendete Quellen
  • Telefonat mit Schiedsrichter Leon Jöstingmeier
  • instagram.com: Profil von leonoriginal99
  • instagram.com: Profil von sv_wilhelmshaven_ev
  • fussball.de: 2. Kreisklasse
  • Eigene Recherche
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