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Sollen wir doch nicht mehr auf die Wissenschaft hören?


"Letzte Generation" fordert Gesellschaftsrat
Sollen wir doch nicht mehr auf die Wissenschaft hören, Herr Bläul?


07.02.2023Lesedauer: 3 Min.
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Klimaaktivist Christian Bläul wird nach Klebe-Protest in Dresden von der Straße getragen. Eine ähnliche Aktion hatte dem Dresdner in Schweden eine Haftstrafe eingebracht. (Quelle: IMAGO/Sylvio Dittrich)

Dem Oberbürgermeister stellen sie ein Ultimatum, die Polizei ermittelt. Nur neu sei die Forderung nicht, verrät Dresdens bekanntester Klimaaktivist.

Sie hatten angekündigt, Deutschland lahmzulegen – doch am Montag waren die Straßenblockaden der "Letzten Generation" nach wenigen Minuten beendet. Nach einer halben Stunde rollte der Verkehr auf der Dresdner Kreuzung Columbusstraße/Wernerstraße wieder, teilte die Polizei am Montagabend mit.

Für die Beamten fast schon ein Routineeinsatz – nur die Forderung der Protestierenden war neu: Statt fürs 9-Euro-Ticket und ein Tempolimit klebten sich die Aktivisten nun auch für ein "kleines Deutschland im Losverfahren" auf die Straße.

Woher stammt auf einmal dieses neue Thema der "Letzten Generation", das die Dresdner Klimaaktivistin Aimée van Baalen vergangene Woche bei "Hart aber fair" einem breiten Publikum vorstellte – und das noch mehr Kritik erntet als üblich? Und was steckt dahinter?

Mit "kleines Deutschland im Losverfahren" ist ein Gesellschaftsrat gemeint. Er soll nach dem Willen der "Letzten Generation" aus per Losverfahren ermittelten Bürgern bestehen, die einige Wochen lang mit Experten diskutieren und dann Lösungen für drängende Probleme wie eben die Klimakrise erarbeiten. In den Kommentarspalten kommen bei vielen Nutzern dunkle Erinnerungen an vergangene Räterepubliken hoch.

Seit zwei Jahren interne Forderung

Neu sei die Forderung auf jeden Fall nicht: "Intern wünschen wir uns einen Gesellschaftsrat bereits seit dem Sommer 2021", erklärt der Dresdner Christian Bläul und Sprecher der "Letzten Generation" t-online.

Doch auf einmal kann es gar nicht schnell genug gehen: Am Mittwoch wandte sich die "Letzte Generation" mit einem Schreiben an Oberbürgermeister Dirk Hilbert (FDP) und setzte ein Ultimatum: "Wir erwarten von Ihnen ein öffentliches Zeichen zur Unterstützung eines Gesellschaftsrates", heißt es im Schreiben, das von vier Aktivistinnen und Aktivisten unterzeichnet wurde und t-online vorliegt.

OB lässt Ultimatum ablaufen

Das Ultimatum ist bereits am Sonntag abgelaufen – eine Reaktion habe es bislang nur von der Dresdner Stadtratsfraktion "Dissidenten" gegeben, die sich aus Politikern der Grünen, der Piraten und der Satirepartei Die Partei zusammensetzt. Der Vorstand der Dresdner Stadtratsfraktion von Bündnis90/Die Grünen kritisiert die angekündigten Protestformen der "Letzten Generation" hingegen scharf: "Wir halten die von euch proklamierten Mittel nicht vereinbar mit unseren demokratischen Grundüberzeugungen und für kontraproduktiv und gefährlich für unsere gemeinsamen Ziele", so eine deutliche Passage des offenen Briefes, der am Montagabend versendet wurde.

Laut dem Schreiben sieht das radikale Klimabündnis keine andere Möglichkeit, als nun "gegen den aktuellen Kurs Widerstand zu leisten" und kündigt "eine maximale Störung der öffentlichen Ordnung" an – "diszipliniert und gewaltfrei". Wie die Polizei Dresden t-online mitteilte, wird gerade die "strafrechtliche Relevanz" des Schreibens untersucht.

"Gesellschaftsrat handelt weniger populistisch"

Dass die Forderung nach einem Gesellschaftsrat nach der "Hart aber fair"-Sendung so negativ aufgenommen wurde, lag für Bläul an der Schwierigkeit, die komplexe Forderung in wenigen Minuten herunterzubrechen: "Möglicherweise haben das auch viele so verstanden, dass wir den Bundestag abschaffen wollen." Allerdings hatte Moderator Louis Klamroth vergangenen Montag der Dresdner Klimaaktivistin mehrfach die Möglichkeit gegeben, sich zu erklären.

Im Gegensatz zu gewählten Politikern hätte ein geloster Gesellschaftsrat nicht zu befürchten, abgewählt zu werden, begründet Bläul die Forderung: "Das ist das große Problem der Politik. Wenn alle Angst davor haben, abgewählt zu werden, wird gar nicht oder populistisch entschieden." Allerdings sind populistische Entscheidungen gerade von Volksentscheiden bekannt.

"Ich sehe darin einen sehr großen Unterschied", hält Bläul dagegen: "Bei einem Volksentscheid steht meist eine Ja-Nein-Frage im Vordergrund und meine Beobachtung aus Regionen, wo es Volksentscheide gibt, zeigt, dass sich die Menschen gar nicht so sehr damit beschäftigen – das kann man auch nicht verlangen."

Anders sehe es bei dem geforderten Rat aus: Wenn Menschen dafür bezahlt würden, hätten sie die Ruhe, sich die verschiedenen Meinungen anzuhören – und könnten natürliche Abwehrreaktionen ablegen, hofft Bläul. Letztlich würde ein "kleines Deutschland" mehr wissenschaftsbasierte Entscheidungen treffen als der Bundestag.

Verwendete Quellen
  • Mitteilung der Polizei Dredsden vom 6. Februar 2023
  • archive.org: Webseite der "Letzten Generation" vom 17. November 2021
  • Telefonat mit Polizeisprecher
  • Telefonat mit Christian Bläul
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