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Zum journalistischen Leitbild von t-online.Brückeneinsturz in Dresden "Da werden sich die Baufirmen freuen"
In der Nacht ist die Carolabrücke teilweise eingestürzt. Das treibt viele Dresdner ans Elbufer. Die einen schauen schweigend auf die Trümmer, andere sprechen laut von einer Verschwörung.
Auch am Mittag strömen immer noch viele Menschen zur Carolabrücke am Elbufer. Sie wollen das Unglaubliche mit eigenen Augen sehen. Eine unter den Brückengästen ist eine Frau aus dem Stadtteil Pieschen: "Als ich heute früh Nachrichten geschaut habe, dachte ich erst, das sei ein Scherz", sagt sie.
Gleichzeitig wussten viele Dresdner angeblich schon, dass ihre Stadt ein "Brücken-Problem" habe. "Der Tüv hat ja bereits festgestellt, was an der Carolabrücke faul ist", so die Frau aus Pieschen weiter. "Aus meiner Sicht hat da die Stadt total versagt, hier die richtigen Maßnahmen einzuleiten." Tatsächlich hatte der sogenannte Brücken-Tüv 2021 bei dem eingestürzten Teil der Brücke rostende Stahlteile an der Unterseite und an den Rändern gefunden. Auch die Abdichtung im Bereich der Straßenbahngleise war bemängelt worden.
Ein anderer Dresdner aus dem Stadtteil Laubegast zeigt sich zurückhaltender. Er möchte erst abwarten, bis die Statiker alles untersucht haben. "Aber es braucht einen Schuldigen – mal schauen, ob das Ministerium oder so geschlampt hat."
Bei einer kurzfristig anberaumten Pressekonferenz äußerte der Abteilungsleiter Brücken- und Ingenieurbauwerke der Stadt Dresden bereits einen ersten Verdacht: Zu DDR-Zeiten sei womöglich viel Streusalz in die Brückenkonstruktion eingedrungen. Zwar sei in der Vergangenheit bereits ein Chloridentzug an dem Bauwerk vorgenommen worden, doch an der Abbruchstelle stehe ein Mast der Verkehrsbetriebe. Dieser könne durch eine marode Befestigung auf der Brücke eine undichte Stelle verursacht haben. Dies seien aber nur Vermutungen, die überprüft werden müssten, betonte er. "Da werden sich die Baufirmen freuen", wirft ein Mann am Elbufer auf diese Theorie hin ein. "Die werden jetzt alle Dresdner Brücken noch mal überprüfen."
Anderen erscheint diese Version zu unspektakulär. "Ich hoffe, dass der Staatsschutz ermittelt", schaltet sich eine ältere Dame ins Gespräch ein. "Komisch, dass so was anderthalb Wochen nach der Wahl passiert." Sie verdächtigt Linksextreme aus der Dresdner Neustadt. "Die Brücken in Deutschland sind alle so schlecht", versucht ihr ein älterer Herr zu widersprechen, bevor er sich aufs Fahrrad schwingt und davonfährt. Auch die Polizei Dresden weist solche Gerüchte entschieden zurück. Zum jetzigen Zeitpunkt gebe es weder Anhaltspunkte für einen Anschlag noch ein Ermittlungsverfahren.
Sorge vor steigendem Elbpegel
Viel realer erscheint die Gefahr eines möglichen Starkregens. Ein Tiefdruckgebiet soll enorme Regenmassen besonders in den Südosten Deutschland bringen. "Für Dresden ist das eine Katastrophe, gerade mit Blick auf das Hochwasser, das uns die nächsten Tage drohen könnte", sagt ein Mann aus dem Dresdner Umland. "Und jetzt finden Sie erst mal einen Kran, der die tonnenschweren Brückenteile wegschaffen kann."
In den nächsten Tagen soll der Elbpegel allerdings keinen kritischen Pegel erreichen. Wie sich die Lage nächste Woche entwickelt und ob bis dahin die tonnenschweren Brückenteile aus der Elbe geborgen werden können, ist ungewiss. "Wenn ein Hochwasser kommt, wird das ja noch mal an der Brücke wackeln", befürchtet eine Anwohnerin.
- Reporter vor Ort
- Telefonat mit Christoph Springer, Sprecher der Weißen Flotte Sachsen
- saechsische.de: So fiel die letzte Brückenprüfung aus (kostentpflichtig)