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Querdenker verschleppt Tochter aus Essen nach Paraguay


Enkelin von Essens Ex-OB Reiniger
Auf der Suche – "Querdenker" verschleppt Mädchen nach Paraguay

Von Christof Paulus

Aktualisiert am 30.05.2022Lesedauer: 4 Min.
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Anne-Maja Reiniger-Egler in der paraguayischen Hauptstadt Asunción (Archivbild): Dort sucht die Essenerin derzeit nach ihrer Tochter Clara.Vergrößern des Bildes
Anne Maja Reiniger-Egler in der paraguayischen Hauptstadt Asunción (Archivbild): Dort sucht die Essenerin derzeit nach ihrer Tochter Clara. (Quelle: Privat)

Anne Reininger-Egler ist verzweifelt: Ihr Ex-Mann hat die gemeinsame Tochter nach Paraguay verschleppt – aus Sorge vor einer "Corona-Diktatur". Auf die Polizei will sie sich nicht allein verlassen und macht sich selbst auf die Suche.

Von ihrer Tochter Clara hat Anne Reiniger-Egler schon lange nichts mehr gehört. Die letzte Nachricht, die sie erhielt, liegt ein halbes Jahr zurück und stammt vom Vater der Zehnjährigen. Dieser ist mit Clara, ihrer Stiefschwester Lara und deren Mutter aus Deutschland ausgereist – und hat sich in einem Abschiedsbrief erklärt.

Ein "Überwachungsstaat in Angst, Krieg und Krankheit" sei Deutschland. Er fabuliert von "experimentellen Genspritzen" und der "Pflicht der Eltern, Kinder zu schützen". Und dass es bald nicht mehr möglich sei, "aus dem Land zu fliehen". Eines ist nur allzu offensichtlich: Claras Vater lässt sich von Verschwörungstheorien aus der Querdenker-Szene leiten.

Verschlepptes Mädchen ist Enkelin von Essens Ex-OB

Der Fall, über den bereits "Spiegel" und "Bild" berichteten, beginnt mit der Corona-Pandemie – und macht nun Station in einem Land, das bei Verschwörungsideologen so beliebt ist wie kaum ein anderes.

Reiniger-Egler verlässt sich nicht allein auf die Behörden, sie sucht selbst. Deshalb ist die Essenerin, Tochter von Ex-Oberbürgermeister Wolfgang Reiniger, nun schon zweimal nach Paraguay gereist. Denn dorthin soll ihr Ex-Ehemann die gemeinsame Tochter gebracht haben.

Wenn ein Elternteil ein Kind entführt, heißt das juristisch "Kindesentziehung". Vor allem wenn es dabei ins außereuropäische Ausland geht, wird es kompliziert, auch wenn Deutschland Mitgliedsstaat des Haager Kindesentführungsübereinkommens ist, das solche Fälle zu regeln versucht. Reiniger-Egler ist mit ihrem Schicksal nicht allein: 2018 meldete das Bundeskriminalamt 968 entzogene Kinder.

Was Paraguay bei Verschwörungsideologen beliebt macht

Wie Reiniger-Egler auf Nachfrage von t-online bestätigt, habe ihr Ex-Mann seine Tochter, Frau und Stieftochter ursprünglich nur auf eine Wochenendreise mitnehmen wollen – so hatte er es angekündigt. Doch statt nach London flogen die vier zunächst nach Madrid. Und dann nach Asunción, der Hauptstadt Paraguays.

Nun widmet sich IT-Projektleiterin Reiniger-Egler mit ihrem Mann in Vollzeit der Suche nach Clara und Lara. Bislang erfolglos. "Ich hoffe auf die Mithilfe der Bevölkerung", sagt sie. "Jeder, der einen Hinweis auf meine Tochter geben kann, den bitte ich im Namen meines Kindes, sich bei der Polizei zu melden."

Dass die beiden Mädchen mutmaßlich nach Paraguay verschleppt wurden, ist kein Zufall. Dort gibt es viele deutsche Auswanderer, Städte wie Hohenau tragen ihre Geschichte schon im Namen. Es hat Tradition, dass unter den Zuwanderern viele sind, die mit der freiheitlich-demokratischen Verfassung Deutschlands wenig anfangen können.

Paraguay ist ein beliebtes Ziel für "Querdenker"

Während der Corona-Zeit wurde Paraguay besonders bei Pandemieleugnern und Maßnahmengegnern beliebt. Was Menschen wie Claras Vater nach Paraguay trieb: Dort gab es bis Januar keine Impfpflicht bei der Einreise. Das stieß jedoch bei Einheimischen auf Unverständnis, etwa bei der Tourismuschefin von Hohenau. Sie sagte der "Tagesschau", sie verstehe nicht, warum die Regierung auf einen Impfnachweis verzichte – bis das Land schließlich die Regeln änderte.

Doch auch wenn Paraguay mittlerweile bei der Einreise einen Nachweis dafür sehen will, dass die Ankömmlinge mindestens zweimal geimpft sind: Clara, Lara und ihre mutmaßlichen Entführer sind nun da. Seit Ende November, seit einem halben Jahr weit weg von Deutschland: eingereist, noch bevor das Land seine Regeln verschärfte.

Korrupte Polizisten verhindern Rettung von Clara Reiniger

Auf der Suche nach ihrer Tochter ist Reiniger-Egler nun zum zweiten Mal in Südamerika. Kurz vor ihrer ersten Reise im Februar hatte die Polizei die vier Gesuchten fast ausfindig gemacht. Als die Einsatzkräfte allerdings in dem Dorf eintrafen, waren die Räume leer, offenbar erst kurz zuvor verlassen. Korrupte Dorfpolizisten hatten die Besucher gewarnt, vermuteten die Ermittler.

Dann sollte Reiniger-Egler wieder zurück, zu viel Staub habe sie aufgewirbelt, das könne die Suche erschweren, sagte die Staatsanwaltschaft. Also folgte sie der Bitte trotz Bedenken, die paraguayische Polizei könne die weitere Suche schleifen lassen.

Beteiligt an der Suche nach Clara sind Interpol, die Deutsche Botschaft, Paraguays Polizei und Staatsanwaltschaft sowie die Kinderrechtsorganisation CDIA – und die Essener Staatsanwaltschaft. Der Vorwurf an Reiniger-Eglers Ex-Mann: Kindesentziehung. Sie habe das alleinige Sorge- und Aufenthaltsbestimmungsrecht, teilt Reiniger-Egler mit. Auf der Suche nach Clara ist sie vor einigen Wochen wieder nach Paraguay geflogen.

Reiniger-Egler sucht in Paraguay die Öffentlichkeit

"Die Ungewissheit ist unerträglich", sagt die Mutter. Und ist sicher: "Meine Tochter wird mich schmerzlich vermissen." Vermutet würden die Flüchtenden aufgrund von Hinweisen im Bezirk Guairá, berichtet sie. Allerdings könnte die Gruppe auch in andere Landesteile oder über die Grenze in Nachbarländer geflohen sein, die Behörden schließen das nicht aus.

Immerhin: Bei ihrer Suche ist Reiniger-Egler nicht alleine. Ihr Mann ist dabei, der Vater von Claras verschwundener Stiefschwester Lara sucht ebenfalls. Freunde von Reiniger-Egler haben zudem einen Verein gegründet: "Wieder zurück" heißt er und soll Eltern helfen, die in einer ähnlichen Situation wie Reiniger sind.

Die sucht indes auch in Paraguay den Weg an die Öffentlichkeit. Für Montag sei eine Pressekonferenz geplant, Reiniger-Egler denke zudem über eine Belohnung nach. Und es gibt ein Fahndungsplakat. Darauf lächeln Clara und Lara. Für Anne Reiniger müssen es Bilder aus einer anderen Zeit sein.

Verwendete Quellen
  • Statement von Anne Reiniger-Egler
  • "wieder-zurueck.de": Startseite
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