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NSU 2.0-Prozess in Frankfurt: Angeklagter kündigt Aussage an


"NSU 2.0" Prozessauftakt
Angeklagter kündigt Aussage an

Von afp, t-online, RF

16.02.2022Lesedauer: 3 Min.
Der Angeklagte Alexander M. vor dem Gericht in Frankfurt: Er soll einen "Tag X" geplant haben.Vergrößern des BildesDer Angeklagte Alexander M. vor dem Gericht in Frankfurt: Er soll einen "Tag X" geplant haben. (Quelle: Arne Dedert/AFP-bilder)
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Mit der Verlesung der Anklage hat vor dem Landgericht Frankfurt am Main der Prozess um eine Serie von Drohschreiben mit der Unterschrift "NSU 2.0" begonnen.

Zum Prozessauftakt der "NSU2.0"-Drohschreiben wurde am Mittwoch die Anklage vor dem Landesgericht Frankfurt verlesen: Der Angeklagte Alexander M. soll zwischen Anfang August 2018 und Ende März 2021 per E-Mail, SMS oder Fax insgesamt 116 Drohschreiben mit volksverhetzenden, beleidigenden und drohenden Inhalten an Politiker und andere Persönlichkeiten des öffentlichen Lebens verschickt haben. Unterschrieben waren diese mit dem Synonym "NSU 2.0".

Das Kürzel nimmt Bezug auf die rechtsextremistische Zelle Nationalsozialistischer Untergrund (NSU). Konkret wirft die Anklage M. neben 67 Fällen von Beleidigung versuchte Nötigung, Bedrohung, Volksverhetzung, das Verbreiten von Kennzeichen verfassungswidriger Organisationen, die Verunglimpfung des Andenkens Verstorbener, Störung des öffentlichen Friedens durch Androhung von Straftaten und öffentliche Aufforderung zu Straftaten vor.

Zudem werden ihm tätlicher Angriff auf Vollstreckungsbeamte, der Besitz kinder- und jugendpornografischer Schriften sowie ein Verstoß gegen das Waffengesetz zur Last gelegt. Lange Zeit stand in dem Fall die hessische Polizei selbst unter Verdacht, weil die nicht frei zugänglichen Daten der Betroffenen von Computern der Polizei abgerufen wurden.

Frankfurt: Angeklagter zeigt Medienvertretern den Mittelfinger

Die Daten soll sich M. telefonisch erschlichen haben. Er ist den Ermittlern zufolge vorbestraft und wurde zuletzt 2014 verurteilt. Bereits im Jahr 1992 hatte er sich demnach als Kriminalbeamter ausgegeben und wurde in diesem Zusammenhang wegen Amtsanmaßung verurteilt. Vor dem Beginn des Prozesses streckte M. den anwesenden Fotografen und Kameraleuten am Mittwoch beide Mittelfinger entgegen.

Rund drei Stunden lang las Staatsanwalt Sinan Akdogan die Drohschreiben in kompletter Länge vor. In vielen Mails wurden die gleichen Formulierungen benutzt. Die Drohbriefe, die häufig in Form eines behördlichen Schreibens oder eines Gerichtsurteils verfasst waren, habe der erwerbslose 54-jährige Mann regelmäßig mit "Heil Hitler" unterzeichnet. Sich selbst habe er "SS-Obersturmbannführer" oder nach den Mitgliedern des NSU Uwe Mundlos und Uwe Böhnhardt genannt.

Er habe den Adressaten unter anderem mit Worten wie "Verpiss dich lieber, solange du hier noch lebend rauskommst" gedroht oder damit, dass Familienangehörige "mit barbarischer, sadistischer Härte abgeschlachtet" würden. In einem Drohschreiben habe er mit Planungen für einen "Tag X" gedroht. "Der Angeklagte nahm billigend in Kauf, den öffentlichen Frieden, mit der Aussage, die Planungen für einen Tag X liefen auf Hochtouren, zu stören", sagte Akdogan.

Mehrere Bombendrohungen an Gerichte und Schule

Zudem soll M. mehrere Bombendrohungen an Gerichte und an die Walter-Lübcke-Schule in Wolfhagen verschickt haben. Auf seine Spur kamen die Ermittler nach eigenen Angaben durch akribische Ermittlungsarbeit vor allem in Internetblogs und -foren.

Auf der extremistischen Plattform "PI-News" stieß die Polizei auf einen Nutzer, dessen Beiträge in Form und Duktus Ähnlichkeiten mit den "NSU 2.0"-Drohschreiben aufwiesen. Anfragen beim Betreiber der Schachplattform zu den verdächtigen Profilen sowie Bestandsdatenabfragen bei Telefonanbietern führten schließlich im April 2020 zur Identifizierung des Verdächtigen.

Über Internetrecherchen wurde dann auf einer Schachplattform ein namensgleiches Profil gefunden – weitere wurden über die genutzte IP-Adresse entdeckt. Aus den Drohschreiben und den Online-Kommentaren ergaben sich zudem zahlreiche Bezüge zu Berlin und dort zum direkten Wohnumfeld des Beschuldigten.

Betroffene glauben nicht an die Theorie des Einzeltäters

Zu den Opfern der Drohschreiben zählten überwiegend Frauen wie die damalige hessische Linken-Fraktionschefin Janine Wissler sowie die Kabarettistin Idil Baydar und die bekannte Frankfurter Anwältin Seda Başay-Yıldız. Betroffen waren zudem mehrere Ermittler sowie die Satiriker Christian Ehring und Jan Böhmermann. Im Prozess werden sie als Zeugen und Geschädigte geführt.

Besonders die Adressatinnen dieser Drohbriefe glauben nicht an die Theorie eines Einzeltäters und fordern eine lückenlose Aufklärung. Im Fall der Staatsanwältin Seda Başay-Yıldız wurden, 90 Minuten bevor das erste Drohschreiben verschickt wurde, ihre Daten und die der gesamten Familie 17-mal im ersten Polizeirevier abgerufen. Damals wurde gegen Polizeibeamte ermittelt, die bis heute vom Dienst suspendiert sind (Mehr dazu lesen Sie hier).

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Sorge bereite, dass der hessische Innenminister Peter Beuth (CDU) die Anklage als Anlass genommen habe, die Polizei als entlastet zu sehen. "Nur wenn auch die Frage einer möglichen Verstrickung hessischer Polizeibehörden aufgeklärt ist, kann der Ermittlungskomplex NSU 2.0 abgeschlossen werden", betonte Anna Gilsbach aus dem Vorstand des Republikanischen Anwaltvereins RAV.

NSU 2.0-Prozess: Angeklagter kündigt Aussage für Donnerstag an

Die Fraktion der Linken im Hessischen Landtag rief zu einer Mahnwache vor dem Gericht zum Prozessbeginn auf. "Wir wollen unsere Solidarität mit den Betroffenen des NSU 2.0 zum Ausdruck bringen und klar machen: Rechte Netzwerke in Polizei, Sicherheitsbehörden und Militär müssen konsequent aufgedeckt und zerschlagen werden", sagte der Linken-Abgeordnete Hermann Schaus

M. kündigte nach Verlesung der Anklage eine "umfangreiche Einlassung" zu den Vorwürfen am nächsten Prozesstag am Donnerstag an. Die Vorwürfe wolle er "nicht unkommentiert im Raum stehen lassen". Bis Ende April sind noch 13 weitere Verhandlungstermine angesetzt.

Verwendete Quellen
  • Nachrichtenagentur AFP
  • Eigene Recherche
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