Deutschlands "sozialster Saftladen" Unternehmer schafft Jobs für Menschen mit Handicap
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Zum journalistischen Leitbild von t-online.Ihr Name ist Programm: "Das Geld hängt an den Bäumen" heißt eine kleine Firma in Hamburg, die Obst von ungenutzten Streuobstwiesen und privaten Gärten erntet. Corona ist an ihnen nicht spurlos vorbeigezogen.
Schwervermittelbare Jobsuchende pflücken die Äpfel, Birnen und Beeren. Eine Familienmosterei macht daraus Säfte und Schorlen. Das ist das Konzept des Hamburger Unternehmens. Jetzt ist der soziale Saftladen in Schieflage geraten. Der Verkauf ging – Corona-bedingt – um mehr als die Hälfte zurück.
An vielen Bäumen vergammelt das Obst, weil die Zeit zum Pflücken fehlt. Beim Anblick seiner eigenen runzeligen Äpfel im Garten kam dem Hamburger Agenturchef Jan Schierhorn vor gut zehn Jahren die Idee, Benachteiligten eine Chance zu geben. So wie Simon Riedel und Samuel Wolters, die im Lager aushelfen oder beim Ernten. "Mit vergessenen Menschen vergessene Ressourcen retten, das sehen wir als unsere Pflicht", sagt Geschäftsführerin Nancy Menk.
Kein Einsatz von Düngemitteln
Neben den Streuobstwiesen gehören gepachtete Flächen dazu, die in Wasserschutzgebieten oder an Deichen liegen. "Wir erhalten alte Sorten wie Finkenwerder Herbstprinz, Juwel aus Kirchwerder, Prinz Albrecht von Preußen, Dithmarscher Paradiesapfel, Schöner aus Haseldorf und Roter Münsterländer", erklärt Menk. Bei Bedarf wird Obst nachgekauft.
Düngemittel und Chemie zur Schädlingsbekämpfung kommen nicht zum Einsatz. Den Pflanzenschutz übernehmen heimische Raubtiere wie der Marder oder Vögel. Neue Bäume pflanzt das ökologische Sozialunternehmen, um die Biodiversität zu steigern und die grüne Lunge im Norden zu vergrößern. Alte Bäume werden nicht gefällt, sondern dienen als Wohnstätte für Insekten.
Naturprodukte werden an die Haustür geliefert
Eine kleine Mosterei in Aurich stellt im schonenden Verfahren die naturtrüben Säfte und Schorlen her. Ohne Zucker und chemische Zusätze, ohne Konservierungsstoffe und unfiltriert. Online georderte Ware liefern die Fahrer für Hamburger Abnehmer direkt bis vor die Haustür. Seit kurzem gehört auch Honig zum Angebot, denn im vergangenen Jahr hat das Unternehmen einen seiner 20 Mitarbeiter zum Imker ausbilden lassen.
"Jede verkaufte Flasche hilft, Arbeitsplätze für Menschen mit einer Behinderung zu schaffen und die Umwelt zu schützen", betont Menk, die sich um die Zukunft sorgt.
Corona sorgt für Ausfälle
Außer Privatpersonen orderten Gastronomiebetriebe, Anwaltskanzleien und das Hamburger Rathaus die Flaschen mit den Namen der drei langjährigen Mitarbeiter Olaf, Simon und Samuel. Seit dem Herbst-Lockdown gingen die Bestellungen zurück. Um 70 Prozent.
Um gegenzusteuern, erfand Nancy Menk die Retterbox. Für rund 50 Euro gab es eine handgemachte Holzkiste mit selbstgemachten Produkten. Die Kisten sind mittlerweile ausverkauft, Unterstützung ist weiterhin willkommen. In Form von Bestellungen oder Spenden.
- Gespräch mit Geschäftsführerin Nancy Menk
- Webseite von www.dasgeldhaengtandenbaeumen.de