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365-Euro-Ticket: Für einen Euro pro Tag durch ganz Deutschland?


SPD-Politiker fordert 365-Euro-Ticket
"Booster für Verkehrswende": Für einen Euro pro Tag durch ganz Deutschland?

  • Patrick Schiller ist t-online Regio Redakteur in Hannover.
InterviewVon Patrick Schiller

12.07.2022Lesedauer: 5 Min.
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Hannovers Regionspräsident Steffen Krach (SPD) fordert nach dem 9-Euro-Ticket ein neues Nahverkehrskonzept – bundesweit.Vergrößern des Bildes
Hannovers Regionspräsident Steffen Krach (SPD) fordert nach dem 9-Euro-Ticket ein neues Nahverkehrskonzept – bundesweit. (Quelle: Region Hannover)

Hannovers Regionspräsident Krach fordert Mobilität für einen Euro pro Tag – bundesweit. Hier erklärt er, warum das 9-Euro-Ticket ersetzt werden muss.

Seit sechs Wochen ist das 9-Euro-Ticket verfügbar und hat das Reisen im Frühsommer des Jahres 2022 auf den Kopf gestellt. Doch in weiteren sechs Wochen läuft die Aktion schon wieder aus. Was dann? Einer, der sich früh für ein klares Konzept in Stellung gebracht hat, ist Hannovers Regionspräsident Steffen Krach (SPD). Ein zentrales Thema seines Wahlkampfes im vergangenen Jahr war die Einführung eines 365-Euro-Tickets für die Region Hannover.

Doch das 9-Euro-Ticket hebt Krachs Verkehrspläne in völlig neue Dimensionen. Können bald alle für einen Euro pro Tag quer durch die Republik reisen? Im Interview mit t-online erklärt Krach seine Pläne und warum Finanzminister Christian Lindner sich mit der Finanzierung ein Denkmal setzen könnte.

t-online: Sind Hannoveraner die besseren Öffi-Fahrer, Herr Krach?

Steffen Krach: Wir haben auf jeden Fall ein hervorragendes öffentliches Nahverkehrssystem. Ich hoffe, dass wir in den nächsten Jahren noch deutlich mehr Menschen in Hannover begeistern, auf den öffentlichen Nahverkehr umzusteigen.

Es ist Mitte Juli, die Hälfte der 9-Euro-Ticket-Phase ist vorbei. Niedersachsens Ministerpräsident Stephan Weil sieht keine Fortsetzung des Angebots. Wie müsste es Ihrer Meinung nach jetzt weitergehen?

Aus meiner Sicht ist das 9-Euro-Ticket ein Riesenerfolg. Das war ein richtiger Schritt von der Bundesregierung. 23 Millionen verkaufte Tickets zeigen, dass es den Bedarf gibt. Für ein gesamtes Jahr würde das Ticket aber etwa 10 Milliarden Euro kosten. Da kann ich verstehen, dass der Bund nicht einfach sagt: "Das machen wir." Wir sollten die 2,5 Milliarden, die der Bund jetzt für drei Monate zur Verfügung gestellt hat, nutzen, um sie ab 2023 den Kommunen und den Verkehrsunternehmen für ein ganzes Jahr zur Verfügung zu stellen. Damit könnten wir die Preise günstiger gestalten und zwischen Bund, Ländern und Kommunen neue Vereinbarungen treffen, mit denen wir zum Beispiel das 365-Euro-Ticket einführen können.

Wie viel würde dem Bund das 365-Euro-Ticket kosten?

Das 9-Euro-Ticket kostet den Bund 10 Milliarden Euro. Daher würde ein 365-Euro-Ticket, also ein Ticket für 30 Euro pro Monat, etwa 3,3 bis 3,5 Milliarden Euro kosten. Die Differenz zu den 2,5 Milliarden vom Bund könnten dann von Ländern oder Kommunen aufgebracht werden – selbst in dieser schwierigen Finanzsituation sollten wir diesen Schritt gehen. Denn erstens entlastet es Einwohnerinnen und Einwohner, zweitens gibt es auch eine klimapolitische Komponente: Erste Studien zeigen, dass in 23 von 26 abgefragten Städten die Staus nachgelassen haben. Zudem sagen rund 20 Prozent der Nutzer, dass sie nur wegen des Angebotes auf den Nahverkehr umgestiegen sind. Das ist eine gute Zahl.

Würde das 365-Euro-Ticket dann das Aus für bundesweit unterschiedliche Tarifzonen bedeuten?

Ja, es muss ein dauerhaftes, einheitliches Tarifsystem entstehen. Aktuell gibt es bundesweit unendlich viele verschiedene Systeme. Und das Attraktive am 9-Euro-Ticket ist ja, dass man sich keine Gedanken mehr machen muss, ob man gerade in München, Berlin, Hamburg oder Hannover mit dem Nahverkehr fährt.

Steffen Krach (SPD), Präsident der Region Hannover
Steffen Krach (SPD), Präsident der Region Hannover (Quelle: Britta Pedersen/dpa)

Steffen Krach ist seit 2021 Regionspräsident der Region Hannover. Von 2016 bis 2021 war er Staatssekretär für Wissenschaft und Forschung in der Berliner Senatskanzlei. Seit dem 1. November 2021 ist er Regionspräsident der Region Hannover. Neben Hubertus Heil, Eva Quante-Brandt, Svenja Schulze und Edelgard Bulmahn gehört Krach zu den Autoren des "Zukunftsvertrags für Wissenschaft und Forschung".

Überfüllte Züge und Bahn-Chaos: Kann die aktuelle Nahverkehrs-Infrastruktur ein 365-Euro-Ticket überhaupt stemmen?

Es gab Situationen, in denen die Verbindungen überfüllt waren. Daraus abzuleiten, dass wir höhere Preise brauchen, wäre irre. Im Gegenteil, denn da steckt eine Handlungsempfehlung hinter: Wir müssen noch mehr Strecken und Bahnen bauen und die Anbindungen verbessern. Auch die Taktung im ländlichen Bereich muss erhöht werden. Das bedeutet, wir müssen deutlich mehr investieren. Wir reden alle davon, dass wir eine andere Mobilität wollen und etwas für den Klimaschutz machen müssen. Und beim 9-Euro-Ticket haben wir gesehen, dass es einen Mehrwert haben kann: sowohl zur finanziellen Entlastung, aber natürlich auch in Hinblick auf die Klimapolitik.

In Nürnberg kämpft ein Bürgerbegehren ebenfalls um ein 365-Euro-Ticket – der Stadtrat hat die Idee abgeschmettert, es folgt der Klageweg. Mit bis zu 23,6 Millionen Euro zu teuer, heißt es. Zudem böte das Konzept nur einen sehr geringen verkehrspolitischen und sozialpolitischen Nutzen. Was entgegnen Sie solchen Argumenten?

Klar, es ist teuer. Deswegen brauchen wir auch eine Hilfe vom Bund. Das Argument eines sehr geringen verkehrspolitischen und sozialpolitischen Nutzens würde ich aber bestreiten. Das zeigt sich doch jetzt auch beim 9-Euro-Ticket: Die Menschen nutzen den ÖPNV vermehrt. Und auch erste Studien belegen, dass diese Einschätzung in Nürnberg nicht richtig ist.

Wie würden Sie Finanzminister Christian Lindner überzeugen, die fehlenden Milliarden für das Ticket lockerzumachen?

Mit dem 365-Euro-Ticket bekäme er ein noch besseres Konzept für ein Jahr, mit der gleichen Summe, die er vorher für drei Monate eingesetzt hat. Das wäre ein richtiger Booster für die Verkehrswende, denn es würde die komplette Situation im öffentlichen Nahverkehr verändern. Die Bundesregierung gewänne enormen Einfluss auf die Verkehrspolitik und dieser riesige Erfolg wäre auf Dauer mit ihrem Namen verbunden.

Derweil Hannover: Der GVH startet mit dem Jobticket 100 ein neues, freiwilliges Monatskarten-Tarifsystem für Arbeitnehmer – das Konzept läuft unter dem Rufnamen "0-Euro-Ticket": Arbeitnehmer zahlen nichts, Arbeitgeber 40 bis 65 Prozent, den Rest trägt der Verkehrsverbund. Ein erster Schritt?

In Hannover haben wir verschiedene Schritte gemacht: Die Jugendnetzkarte für 15 Euro, das Senior*innen-Ticket für Kosten zwischen 26 und 28 Euro pro Monat – das entspricht ja etwa einem Euro pro Tag – und das 365-Euro-Ticket für alle, die eine Ehrenamtskarte haben. Und jetzt kommt das "Jobticket 100", womit Arbeitnehmer kostenfrei fahren können. Arbeitgeber und der GVH beteiligen sich: Aus meiner Sicht eine richtig gute Idee. Erstens liefert das für Arbeitnehmer eine Entlastung und für Unternehmer einen Standortvorteil, weil sie mit dem Ticket werben können. Zweitens betrifft es zigtausend Pendler, die täglich aus dem Umland in die Innenstadt kommen und vielleicht eher auf den Nahverkehr setzen.

Ein Blick in die Glaskugel: Wie sieht der Nahverkehr im Jahr 2030 aus?

Ich hoffe, dass wir die Nutzerzahlen mindestens verdoppelt haben. Wir müssen das Nahverkehrsangebot bis dahin verbessert haben. Es gibt ländlichere Gegenden, in denen der Bus zu selten fährt. Wir müssen den ländlicheren Raum stärker anbinden. Das zu ändern, ist eine Grundvoraussetzung für eine wirkliche Verkehrswende. In der Region Hannover machen wir das durch "Sprinti", einem On-Demand-Angebot. Ab 2023 fahren in 12 Kommunen über 100 Busse. Sie können mit dem Handy angefordert werden und fahren einen zur nächsten Bus- oder Bahnstation. Wir brauchen mehr solcher Ideen. Und wer weiß: Vielleicht können solche Busse 2030 ja schon autonom fahren.

Verwendete Quellen
  • Gespräch mit Steffen Krach
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