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Sea Shepherd nimmt die Ostsee ins Visier – Einsatz gegen "illegale Fischerei"


Einsatz gegen "illegale Fischerei"
Sea Shepherd nimmt die Ostsee ins Visier

  • Matti Hartmann
Von Matti Hartmann

12.06.2021Lesedauer: 3 Min.
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Die "Emanuel Bronner" bei Fehmarn: Seit 7. Juni ist das deutsche Boot von Sea Shepherd wieder im Einsatz.Vergrößern des Bildes
Die "Emanuel Bronner" bei Fehmarn: Seit 7. Juni ist das deutsche Boot von Sea Shepherd wieder im Einsatz. (Quelle: Sea Shepherd Deutschland)

Walfänger nennen die Aktivisten von Sea Shepherd "Ökoterroristen", Videos der Umweltorganisation sind oft martialisch. Die Meeresschützer machen international Jagd auf Fangflotten, rammen deren Schiffe teils schrottreif. Jetzt sind sie in der Ostsee unterwegs. Was haben sie da vor?

Aktuell weht die "Sea Shepherd"-Flagge über der Ostsee, die "Emanuel Bronner" ist in See gestochen. Aber die Aktivisten wollen in der Ostsee keine Fischer angreifen, sondern bis September vor Deutschland patrouillieren und unerlaubt ausgelegte Netze ausfindig machen, durchs Meer treibende Geisternetze einfangen und Verstöße gegen Schutzgesetze melden. Gleichzeitig sollen Gruppen an Land Strände von Müll befreien.

Was sie antreibt, formuliert Kampagnenleiter Flo Stadler so: "Die Ostsee ist unser 'Hausmeer' und als solches haben wir eine besondere Verantwortung." Sie gehöre zu den am stärksten bedrohten marinen Ökosystemen der Erde. Klimawandel, Umweltgifte, Plastik, Lärm und Fischerei würden systematisch essenzielle Lebensräume zerstören.

Ostsee-Zustandsbericht gibt Sea-Shepherd-Analyse recht

Der offizielle Ostsee-Zustandsbericht der Bundesregierung bewertet die Lage ähnlich:

► Keine der untersuchten Bodenzonen ist demnach in gutem Zustand.

► Im Freiwasser bestehe hohe Schadstoffbelastung vor allem durch "Quecksilber, Blei, Cadmium, Tributylzinn, polybromierten Diphenylethern und nicht-dioxinähnlichen polychlorierten Biphenylen".

► Die Belastung durch Meeresmüll und Unterwasserschall (Schiffsverkehr, Ausbau der Offshore-Windenergie) sei "großflächig", die Bestände von Dorsch, Hering und Aal erscheinen besorgniserregend.

► Und: "Der Zustand der Schweinswale ist nicht gut. Es fehlen vor allem Räume für ihren Rückzug." Die Population im Kattegat, in der Beltsee und der westlichen Ostsee gelte als "stark gefährdet", in der zentralen Ostsee sei der Schweinswal sogar "vom Aussterben bedroht".

Schweinswale sterben qualvoll in Stellnetzen

Genau um den Schutz der Schweinswale geht es Sea Shepherd in der Ostsee besonders. "Stellnetze sind für die Schweinswalpopulationen in der Ostsee die größte Bedrohung, denn sie können diese feinmaschigen Netze in der Regel nicht orten beziehungsweise erkennen", sagt Sea-Shepherd-Geschäftsführer Manuel Abraas gegenüber t-online. "Gerade junge und unerfahrene Tiere kommen darin um."

Bemühungen, die Meeressäuger durch akustische Signalgeber von den tödlichen Netzen fernzuhalten, seien nicht erfolgreich. Die Tiere verheddern sich trotz der sogenannten Pinger, schlagen in Panik um sich und ertrinken schließlich, weil sie nicht an die Meeresoberfläche können, um Luft zu holen. Fischer werfen sie oft als unerwünschten Beifang zurück ins Meer, obwohl sie das nicht dürfen. Zwar gebe es Schutzzonen, sagt Abraas. Aber: "Die existieren praktisch nur auf dem Papier."

2019 wurden mindestens 180 tote Schweinswale an der deutschen Ostseeküste angespült. Als die Zahlen vergangenen Oktober bekannt wurden, zürnte die Grüne Bundestagsabgeordnete Steffi Lemke: "Diese toten Tiere sind die direkte Folge einer verfehlten Meerespolitik. Es ist ein politischer Skandal, dass in diesen Schutzgebieten sogar intensiver gefischt wird als außerhalb."

Unterwegs mit einem ehemaligen Angelschiff

Also nehmen die Aktivisten den Meeresschutz und den Kampf gegen "illegale Fischerei" in die eigene Hand. Im Vergleich zu den großen Schiffen von Sea Shepherd (drei sind über 50 Meter lang) ist die deutsche "Emanuel Bronner" ziemlich klein. Zwölf Meter lang, zwölf Leute passen drauf, "und dann ist es auch schon ganz schön eng", sagt Abraas.

Seit 2017 gehört das ehemalige Angelausflugsschiff zur Flotte, zweimal war das Boot schon in der Ostsee unterwegs, zuletzt 2018. Dann musste es instand gesetzt werden, 2020 kam Corona dazwischen. Jetzt ist es wieder unterwegs, mit Drohnen, Tauchern, einem Unterwasserroboter und moderner Radartechnik an Bord.

Mode statt Militanz

In verbotenen Zonen platzierte Netze wollen die Aktivisten den Behörden melden. Alles ganz zivil, darauf legen sie Wert: "Das Team zerschneidet nicht einfach die gefundenen Netze. Das wäre eine Beschädigung fremden Eigentums." Erst wenn die zuständigen Stellen den Auftrag dazu erteilen würden, könne ein Netz geborgen werden.

Herrenlos im Meer schwimmende Geisternetze – laut Sea Shepherd gehen allein in der Ostsee jedes Jahr bis zu 10.000 Netzteile verloren – kann die Crew hingegen sofort rausholen und dann behalten. Sie sollen in Kooperation mit dem Hamburger Start-up Bracenet zu schmückenden Accessoires weiterverarbeitet werden, die Verkaufserlöse fließen dann teils wieder in Projekte von Sea Shepherd. Die deutschen Meereshirten stehen also anscheinend mehr auf netten Öko-Schick als auf Rambo-Nummern im Namen der Wale.

Verwendete Quellen
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