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Zum journalistischen Leitbild von t-online.Ende Mai wiedereröffnet Besitzer erzählt: So ist es, ein Café am Neumarkt zu haben

Gastronom Cenk Menkü hat sein Café auf dem Neumarkt eröffnet. Warum er sich für den Problem-Platz entschieden hat und was er von der Diskussion über Verwahrlosung hält.
Es ist ein strahlend schöner Junitag auf dem Neumarkt. Kinder rennen durch den sprudelnden Brunnen und lachen vergnügt, an der Seite schauen ihre Eltern zu. Auf den knallgelben Bänken daneben haben sich ein Dutzend Menschen niedergelassen und genießt die Sonne. Die Stimmung ist entspannt, es fühlt sich nach Sommer an.
Cenk Menkü sitzt an einem Tisch seines Cafés und beobachtet die Szenerie. "Wenn du nach Italien fährst und die haben so eine Piazza – das ist schon etwas Besonderes, oder?", sagt er und lächelt. Ein wenig "Dolce Vita" sei auch auf dem Neumarkt angekommen, will er damit sagen. Das könnte der Platz, der vor allem für seine Drogen- und Obdachlosenszene bekannt ist, gut gebrauchen.
Neumarkt soll aufgewertet werden
Schritt für Schritt möchte die Stadt Köln den Neumarkt attraktiver machen. Neben dem reaktivierten Brunnen und den neuen, auffälligen Bänken hat sie dafür auch die Fußgängerüberwege einer Verschönerung unterzogen. Events wie die Weinwoche, der Antikflohmarkt, der Circus Roncalli oder der "Markt der Engel" zu Weihnachten sollen die Kölner an den zentralen Platz locken. Seit Ende Mai hat außerdem Cenk Menküs "Café Mercato" geöffnet.
Für den Kölner ist es die zweite Saison, nachdem im vergangenen Jahr zwischen August und Oktober eine Art "Probebetrieb" lief. "Am Anfang war alles noch sehr amateurhaft, weil wir wenig Zeit für den Aufbau hatten", erzählt Menkü. "Hier standen noch Bauzäune, zwischen denen unsere Möbel aufgebaut waren." Das Café ist in einer Art Container untergebracht, der für den Weihnachtsmarkt oder Karnevalsveranstaltungen abgebaut werden kann. Etwa 20 Tische stehen im "Mercato" zur Verfügung, die Getränkekarte reicht von Cappuccino bis Aperol Spritz.
"Mercato" am Neumarkt: Betreiber hat schon mehrere Cafés
Menkü hat mit der Stadt einen Vertrag für fünf Jahre ausgehandelt. Die genauen Öffnungszeiten kann er jedes Jahr neu absprechen, 2025 steht das "Mercato" zwischen Mai und Oktober auf dem Neumarkt. "Danach kommen der Weihnachtsmarkt und Karneval. Und in den Wintermonaten kannst du draußen eh kein Geld verdienen", sagt der Gastronom.
In Köln hat er schon mehrere Cafés eröffnet. Warum jetzt ausgerechnet auf dem Neumarkt? "Es gab eine Ausschreibung der Stadt und wir haben daran teilgenommen", sagt Menkü. Und ergänzt nach kurzem Überlegen: "Außerdem ist es keine typische Location. Du kannst ja überall ein Ladenlokal mieten. Aber nicht auf dem Neumarkt. Deswegen fand ich es interessant."
Mit obdachlosen oder drogenabhängigen Menschen habe er bisher keine Probleme gehabt, sagt der Kölner. "Die hängen an der U-Bahn-Haltestelle auf der gegenüberliegenden Seite ab." Natürlich werde da auch mal gedealt – "und es wird auch mal vor die Dönerbude gekotzt." Aber Menkü hält die Diskussionen über die Verwahrlosung des Neumarkts für übertrieben. "Hier hast du Hunderte normale Menschen und dann laufen da zwei Menschen entlang, die dreckig sind oder krank aussehen. Und dann denken sich alle: ekelhaft."
Gastronom Menkü: "Man fokussiert sich immer auf das Schlechte"
Das sei ein Grundproblem des Menschen, sagt der Café-Besitzer. "Man fokussiert sich immer auf das Schlechte und hebt es hervor. Wie beim Essen im Restaurant. Wenn es lecker ist, redest du nicht darüber, wenn es nicht geschmeckt hat, sagst du deinem Kumpel: "'Da würde ich nicht hingehen.'"
Die negative Berichterstattung über den Neumarkt nervt Menkü. "Jetzt reaktiviert man mal einen Brunnen und platziert ein Café, aber trotzdem ist alles Scheiße", sagt er. "Anstatt festzustellen: Geil, da entsteht gerade was, ist das Glas immer halb leer."
Münchener Viktualienmarkt als Vorbild
Für den Gastronomen liegt das Problem woanders: "Es ist keine Frage der Aufenthaltsqualität. Es geht darum, dass man sich überhaupt hierhin verirrt", sagt Menkü. "Der Neumarkt war nie ein Platz, auf dem man flaniert ist. Es gab auch keine Möglichkeiten, zu verweilen, sich auf eine Bank oder in ein Café zu setzen. Du steigst aus, gehst zur Arbeit oder willst zur Schildergasse. Oder du kommst von der Schildergasse und willst nach Hause."
Ganz anders sei das zum Beispiel auf dem Viktualienmarkt in München. "Der zieht die Leute an. Die sagen dann: 'Lass uns mal da hingehen und einkaufen.' Ich glaube nicht, dass jemand hier in Köln sagt: 'Lass uns am Neumarkt mal einen Kaffee trinken.'" Mit den aktuellen Maßnahmen sei man aber auf dem richtigen Weg, meint Menkü.
Für Menkü geht es jetzt darum, sein Angebot auf dem Neumarkt zu etablieren. "Die Leute müssen den Rhythmus verstehen, dass es saisonal ist, dass man auch nächstes Jahr wieder da ist", erklärt er. "Ein normales Café machst du auf, etablierst es, hast deine Stammkundschaft und bist 300 Tage im Jahr da." Bei seinem Café gebe es jedes Jahr einen Cut. "Das muss sich halt dann in den Köpfen der Leute einbrennen, dass man sagt: Das 'Mercato' ist immer ab Mai da."
- Gespräch mit Cenk Menkü
- Reporter vor Ort