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Köln: Was bedeutet das Clubsterben für die Partyszene?


Kultladen "Heinz Gaul" abgerissen
Was das Clubsterben für Kölns Kultur bedeutet

Von Peter Hesse

Aktualisiert am 07.03.2021Lesedauer: 4 Min.
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Eine Partynacht im "Heinz Gaul" (Archivbild): Der Club gehört zu einer Reihe von Locations im Stadtteil Ehrenfeld, die in den vergangen Jahren schließen mussten.Vergrößern des Bildes
Eine Partynacht im "Heinz Gaul" (Archivbild): Der Club gehört zu einer Reihe von Locations im Stadtteil Ehrenfeld, die in den vergangen Jahren schließen mussten. (Quelle: Thilo Schmülgen/imago-images-bilder)

Corona und die Gentrifizierung entwickeln sich zu Sargnägeln für die Kölner Clublandschaft. Wie könnte das einst pulsierende Nachtleben zwischen Chorweiler und Porz künftig aussehen?

Der Kultclub "Heinz Gaul" wurde im Februar abgerissen. Wo früher Partys stattfanden, sollen nun Sozialwohnungen und Büros entstehen. Es ist nicht die erste Location, die der fortschreitenden Stadtentwicklung im angesagten Kölner Stadtteil Ehrenfeld zum Opfer gefallen ist. Das "Underground" musste bereits im Jahr 2017 schließen – auf dem Gelände ist eine Schule gebaut worden. Auch der "Jungle"- und der "Sensor"-Club mussten in den vergangenen Jahren ihre Türen schließen, ebenso die "Papierfabrik" und das traditionsreiche "Roxy".

"Die Antwort 'Der Markt regelt das schon‘ wird nicht funktionieren"

Für Carsten Schumacher, Verantwortlicher für den Pop-Nachwuchs am Landesmusikrat NRW, eine folgenreiche Entwicklung. Für ihn sind Clubs nicht nur "magische Orte, an denen Pop zelebriert wird", sondern vor allem Orte der Kommunikation. "Diese Läden halten alles zusammen". Und dennoch sterben mehr und mehr davon.

Die Gentrifizierung als Henker der Subkultur ist dabei kein neues Phänomen. In New York hat es selbst einen Kultladen wie das legendäre CBGBs erwischt. Dort, wo Bands wie Blondie, die Ramones oder Talking Heads ihre ersten Konzerte gaben, ist heute eine Boutique angesiedelt, die hochpreisige Mode anbietet. Auch die legendäre "Risiko-Bar" in Berlin, ein Stammladen von Nick Cave und Blixa Bargeld vor rund 40 Jahren, gibt es nicht mehr. Heute ist hier ein Reiseveranstalter ansässig.

Carsten Schumacher fordert für den Standort Köln mehr Weitsicht von der Politik: "Die Antwort darauf kann nicht sein, dass der Markt das schon regeln wird. Das wird nicht funktionieren". Die Popkultur werde zu oft von der Politik wie eine "flüchtige Jugendkultur" gesehen, die beliebig wie Unkraut nachwächst. "Was an dieser Stelle an Potenzial durch den Schornstein gejagt wird, ist vielen immer noch nicht klar". Es sei wenig verwunderlich, dass in Deutschland keine Pop-Sensation mehr wächst.

Dabei zählen Clubs für ihn längst zum Gegenstand des Standort-Marketings. Als Beispiel führt er den Club "Gebäude 9" in Köln an: "Da haben wir gesehen, was man erreichen kann, wenn ein solches Bedrohungs-Szenario für einen Club kurz vor Wahlen entsteht". Damals waren zahlreiche Kommunalpolitiker helfend eingeschritten – mit Ausnahme der CDU, die Wohnraum schaffen wollte und damit auf Stimmenfang ging. "Das alles wirkt aber enorm reflexhaft und weiterhin weder klug, noch nachhaltig gedacht", ergänzt Schumacher.

War das Leben als Clubbetreiber in den 80er oder 90er Jahren leichter?

Einer, der schon vor vielen Jahren persönlich vom Clubsterben betroffen war, ist Dietz Güldner. Er betrieb von 1986 bis 1994 den "Rose-Club" an der Luxemburger Straße. Im Verband mit dem "Blue Shell", dem "Mexikaner" und dem "Luxor" tobte hier das Nachtleben zwischen Konzert, Disco und Kneipen-Abenden.

"Bei uns war auch alles nicht so rosig – wir hatten ständig Beschwerden von den Anwohnern, weil es im Rose-Club keine Lärmschutzwände gab", erinnert sich Dietz. Das damalige Programm des "Rose-Club" liest sich für Kenner noch heute wie ein bunter Blumenstrauß: die US-Noisrocker "Killdozer" oder "Pussy Galore" gastierten hier ebenso wie Metalbands oder Punkbands wie die "Dickies" und Hip-Hop-Kollektive. Sogar Nirvana waren im November 1989 auf ihrer ersten Deutschland-Tour im "Rose-Club" zu Gast.

Doch trotz berühmter Gäste folgten schwere Jahre, bis schließlich Steuerschulden und Lärmbelästigung für das Ende des Clubs sorgten. "Man hat uns damals nicht gerne in der Stadt gesehen, weil wir ja für 'schmutzige Punkmusik' standen", sagt Dietz.

Carsten Schumacher erklärt, die Ausgehkultur vor 20 oder 30 Jahren sei eine andere gewesen: "Es war bestimmt etwas einfacher Reize zu setzen, die eine Stadt zum Vibrieren bringen. Ich glaube aber, dass es heute ein deutlich größeres Angebot an Entertainment generell gibt und Pop und Kultur es schwerer haben, da durchzudringen."

Andererseits gebe es heute durch Initiativen viel effektivere Hilfen für Clubs als früher. Und das sei auch wichtig. "Die Clubs als Wegkreuzung der Kultur sind eine wichtige Schnittstelle, die es zu schützen und zu pflegen gilt."

Wie steht es um die Clubkultur in der Kölner Zukunft?

Bislang sind Clubs und Kneipen privatwirtschaftliche Unternehmen aus dem nicht subventionierten Kulturbereich. Sollte sich das zukünftig ändern? "Ich halte es für nicht sinnvoll, dass Kommunen Clubs betreiben so wie sie beispielsweise eine Oper unterhalten. Dennoch sollte die Stadt im ständigen Dialog bleiben und die Arbeit von Clubs und Spielstätten, die ja teilweise über Jahrzehnte und mehrere Musikepochen hinweg betrieben werden, endlich einmal wirklich wertschätzen."

Doch neben mangelnder Aufmerksamkeit macht auch mehr als ein Jahr Corona dem kulturellen Leben zu schaffen.Von Aufbruchstimmung keine Spur. "Es verändert sich ja alles innerhalb der Corona-Pandemie. Die Leute dürfen nicht ihren Glauben verlieren – das ist wichtig", betont Ex-Clubbetreiber Dietz Güldner. Er selbst habe aber keine große Lust mehr nochmal einen Laden wie den "Rose-Club" zu eröffnen: "Das Risiko wäre mir einfach zu hoch".

Das Kulturamt der Stadt Köln hat auf eine Anfrage von t-online zur aktuellen Lage und vor allem Zukunft der Clubs bislang nicht reagiert.

Wie die Kölner Clublandschaft in fünf oder zehn Jahren aussehen könnte, wagt Schumacher nicht zu prognostizieren: "Das wird gerade niemand seriös beantworten können. Wir sind noch im Sturm. Wie viele Bäume dabei draufgehen werden, sehen wir erst hinterher. Und zwar mit einigem Abstand."

Verwendete Quellen
  • Gespräche mit Carsten Schumacher und Dietz Güldner
  • Eigene Recherchen
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