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Kwartier Latäng: "Köln lässt das Licht an" – Kneipen im Corona-Lockdown


Kunst im Kwartier Latäng
Kölner Künstler baut Gastronomie ein Mahnmal

Von Florian Eßer

13.03.2021Lesedauer: 4 Min.
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Schaufensterpuppen statt feiernde Menschen: Mesegs Mahnmal vor dem Soylent Green..Vergrößern des Bildes
Schaufensterpuppen statt feiernde Menschen: Mesegs Mahnmal vor dem Soylent Green.. (Quelle: Florian Eßer/leer)

Die Lage der Kölner Gastronomen bleibt ernst: Während Geschäfte des Einzelhandels und Dienstleister wie Friseure wieder Kunden empfangen dürfen, bleiben Cafés, Diskotheken und Kneipen weiterhin geschlossen. Dabei traf der Corona-Lockdown die Gastronomie noch früher als andere Geschäfte.

Seit November sind die Plätze an den Tischen und Theken verwaist, Lockerungen hat die Bundesregierung erst ab einem Inzidenzwert von unter 50 vorgesehen – dann soll zumindest die Außengastronomie wieder öffnen dürfen. Die Gastronomen aber stehen dem Öffnungsplan skeptisch gegenüber. Zu oft wurden sie vertröstet, zu oft wurden ihnen falsche Hoffnungen gemacht.

Ein Mahnmal für die Gastronomie

Auch der Künstler Dennis Josef Meseg bangt um das Fortbestehen der Kneipenkultur, die zu Köln gehört wie der Dom persönlich. Mit einer besonderen Kunstinstallation will der 42-Jährige daher auf die "existenzbedrohende Lage der Wirte aufmerksam machen."

Meseg, der an der Alanaus-Hochschule bei Bonn studiert, tourt seit dem April des letzten Jahres mit seinem Projekt "It is like it is" durch ganz Deutschland. Im Rahmen des Projektes platziert Meseg in rot-weißes Flatterband gehüllte Schaufensterpuppen an Orten, die unter der Krise gelitten haben und weiterhin leiden: Theater, Kunstgalerien, Bars und Kneipen. Wie Meseg erklärt, stelle das Flatterband, in das er seine Puppen wickelt, die Distanzierung der Menschen voneinander dar, die Schaufensterpuppen selbst repräsentieren den Stillstand, die soziale und kulturelle Stagnation.

Schnell wird deutlich, dass es sich bei dem Projekt von Meseg nicht um eine reine Kunstinstallation handelt – vielmehr ist es ein Mahnmal, ein Memorial für die Zeiten vor der Pandemie: "Was ich mit der Aktion ausdrücken will, ist, dass die Leute dankbarer für das sein sollten, was sie für selbstverständlich halten", erklärt Meseg, "in der Krise merkt man erst, dass viele Dinge das gar nicht sind – man sollte sie also mehr wertschätzen."

Stillstand im Kwartier Latäng

Derzeit wandert Meseg mit seinen Puppen durch die Kölner Kneipenlandschaft, unter dem Motto "Köln lässt das Licht an" will er die Aufmerksamkeit auf die Gastronomen lenken, die bar jeglicher Perspektive auf ein Ende der Krise harren müssen.

Am Freitagabend errichtete Meseg sein Mahnmal vor den Gaststätten des Kwartier Latängs, der studentisch geprägten Kneipenmeile der Stadt. Hier, wo sonst an den Wochenenden das wilde Leben tobt, herrscht seit Monaten eine gespenstische Stille. Entsprechend groß war die Bereitschaft der Wirte, sich an an Mesegs Aktion zu beteiligen: Rund 15 Gastronomen schalteten Getreu dem Motto des Abends das Licht in ihren Läden an – etwas, das die meisten von ihnen seit einer langen Zeit nicht mehr getan haben.

"Trübsal blasen bringt nichts"

Einer der Gastronomen, die an dem Projekt teilnahmen, ist Markus Vogt. Der 49-Jährige betreibt das Soylent Green auf der Kyffhäuserstraße, eine gemütliche Kneipe mit Billard- und Pokertisch, die außerhalb der Pandemie jeden Tag geöffnet hat: "In den 16 Jahren, in denen ich den Laden betreibe, hatte ich keinen einzigen Schließtag", erzählt der Kneipier, "das ist etwas, auf das ich immer stolz gewesen bin."

Nun aber ist seine Kneipe dicht, wann Vogt die Pforten wieder öffnen kann, ist ungewiss. Mittlerweile ist der Gastronom soweit, dass er sein überschüssiges Bier durch die Türe verschenkt – bevor es schlecht wird, so sagt er, will er anderen damit eine Freude machen. An dem Projekt von Künstler Dennis Meseg beteiligte sich Vogt, weil er hofft, dass die Gastronomie durch sie in den Fokus der Aufmerksamkeit gerät: "Auch wenn viele Aktionen kein Gehör finden, darf man nicht tatenlos bleiben", erzählt er, "es bringt schließlich auch nichts, einfach Trübsal zu blasen."

"Es ist einfach unlogisch"

Aus demselben Grund machte auch Lutz Nagrotzki bei der Aktion des Künstlers mit. Nagrotzki ist seit 1992 Mitinhaber der Piranha-Bar, die unweit des Soylent Greens an der Ecke zur Heinsbergstraße liegt. Für ihn ist es vor allem die Perspektivlosigkeit, mit der die Gastronomen leben müssen, die ihn ärgere: "Es ist einfach unlogisch, dass gewisse Geschäfte schließen müssen, andere hingegen komplett überfüllt sind", erzählt Nagrotzki: "Ich verstehe ja, dass die Zahlen runtergehen müssen, aber so ist das der falsche Ansatzpunkt."

Im letzten Jahr hatte die Piranha-Bar ihr 45-jähriges Jubiläum, den Jahrestag angemessen feiern konnten Lutz Nagrotzki und seine Kollegen nicht.

"Man darf sich nicht frustrieren lassen"

Mittlerweile dürfen zwar die Museen in Köln wieder öffnen, für das "Museum" am Zülpicher Platz gilt das aber nicht. Daher beteiligte sich die Kult-Kneipe, die vor allem für ihre Karaoke-Partys berühmt und berüchtigt ist, ebenfalls an der Aktion von Künstler Dennis Meseg.

"Die Situation ist natürlich schwierig, man darf sich aber nicht frustrieren lassen", sagt Barmann Willi Wolber, der seit fünf Jahren hinter der Theke des "Museum" steht. Auch wenn die Kneipe die Möglichkeit hat, ab dem entsprechenden Inzidenzwert auf seine Außengastronomie zurückzugreifen, sieht Wolber eine mögliche Öffnung kritisch: "Es ist auch eine Entscheidung darüber, was man den Leuten antun möchte – öffnen und grassieren lassen, was eben grassiert, ist auch nicht in Ordnung", resümiert der 37-Jährige.

"Die Menschen sind dankbar"

Betreut wird Mesegs Kunstprojekt durch die Agentur "Kunstnavigation" von Sven Nowak. Nowak stellt den Kontakt zu den Locations her und kommt dadurch mit vielen Kulturschaffenden und Gastronomen ins Gespräch: "Mir wurde häufig gesagt, wie schön es wäre, dass die Gastronomie durch die Aktion endlich wieder gesehen wird – und das ist etwas, was mich tief berührt."

Deswegen, so erzählt Nowak, wolle man mit der Aktion in jedem Fall weiter machen: "Es ist wichtig, ein Zeichen zu setzen: Ein Zeichen dafür, dass die Gastro und die Kultur immer noch da sind."

Verwendete Quellen
  • Gespräche mit Dennis Josef Meseg, Sven Nowak, Willi Wolber, Lutz Nagrotzki, Markus Vogt
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