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Inzidenz über 250: Wie Köln zum Corona-Hotspot in Deutschland wurde


Eine Spurensuche
Wie Köln zum Corona-Hotspot wurde


Aktualisiert am 28.04.2021Lesedauer: 4 Min.
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Balkone eines Wohnblocks in Köln-Chorweiler: In dem Veedel haben sich seit Pandemiebeginn besonders viele Menschen mit dem Coronavirus infiziert.Vergrößern des Bildes
Balkone eines Wohnblocks in Köln-Chorweiler: In dem Veedel haben sich seit Pandemiebeginn besonders viele Menschen mit dem Coronavirus infiziert. (Quelle: INA FASSBENDER/AFP/getty-images-bilder)

Noch immer liegt die Sieben-Tage-Inzidenz in Köln auf sehr hohem Niveau. Mit einer Inzidenz von 230 ist die Stadt am Rhein Spitzenreiter unter den 14 größten Städten Deutschlands. Doch was sind die Gründe dafür – und was will die Stadt unternehmen?

Noch am Wochenende vermeldete die Stadt Köln einen bisherigen Spitzenwert von 250 bei der Inzidenz. Seit Beginn der Corona-Pandemie hat dieser Wert nie höher gelegen. Beim Landeszentrum Gesundheit Nordrhein-Westfalen wird mittlerweile durch Nachmeldungen für Freitag und Samstag gar ein Wert über der 250er-Marke angegeben. Gleichzeitig sind die Intensivstationen der Stadt an der Kapazitätsgrenze: Am Mittwoch waren lediglich 23 freie Intensivbetten gemeldet, während sich 125 Patienten mit Corona in intensivmedizinischer Behandlung befanden. Welche Faktoren führten dazu, dass die Zahlen so explodiert sind?

Das Gesundheitsamt der Stadt kann zu den Infektionsquellen nur wenig aussagekräftig Informationen liefern – mehr als die Hälfte aller Fälle seien nicht nachzuvollziehen. Bei den bekannten Infektionsquellen seien es in den meisten Fällen soziale Kontakte.

Schulen doch als Infektionstreiber?

"Kitas und Schulen als Infektionsquelle haben aktuell einen sehr geringen Einfluss auf das Infektionsgeschehen in Köln", erklärte ein Sprecher der Stadt. Sie seien nur für 1,5 % der Neuinfektionen verantwortlich. Experten wie der Kölner SPD-Gesundheitspolitiker Karl Lauterbach sehen das anders: Er warnte mit Blick auf besonders hohe Inzidenzwerte unter jungen Menschen vor geöffneten Schulen.

In der Tat stieg die Zahl der aktuell infizierten Schüler und Kita-Kinder zuletzt so hoch wie nie zuvor: 847 aktuell infizierte Kinder zählte die Stadt am Dienstagnachmittag, hinzu kamen 186 infizierte Lehrkräfte und Betreuer. Auch die Daten des Landeszentrum Gesundheit NRW bestätigen einen Trend zu erhöhten Infektionszahlen bei Kindern: Bei den 10- bis 19-Jährigen lag noch Anfang April die Sieben-Tage-Fallzahl in Köln bei rund 180. In den folgenden Wochen stieg sie demnach auf über 400. Auch der Anteil der Kinder an der Gesamtzahl der Infektionen veränderte sich: Waren zum Ende der Osterferien nur rund 15 Prozent der Fälle bei den unter 20-Jährigen zu verorten, stieg ihr Anteil danach auf bis zu 25 Prozent.

Daten nicht eindeutig

Doch auch diese Daten sind nur auf den ersten Blick eindeutig – schließlich begann mit der Wiederaufnahme des Wechselunterrichts ab dem 19. April auch die Testpflicht an den Schulen, wodurch möglicherweise auch mehr Infektionen ermittelt werden konnten.

Bezogen auf die Gesamtzahl der Infektionen lässt sich für Köln jedoch nicht sagen, dass gestiegene Infektionszahlen unbedingt auf mehr Testungen zurückzuführen sind: Denn obwohl die Zahl der PCR-Tests gesunken sei, habe es einen Anstieg beim prozentualen Anteil der positiven PCR-Tests gegeben. Allerdings gibt es auch hier wieder eine Einschränkung: Durch die massive Ausweitung der Bürger- und Schnelltests kann auch der Anteil der Menschen gestiegen sein, die mit einem begründeten Verdacht – nämlich einem positiven Schnelltest – einen PCR-Test haben durchführen lassen.

Ein weiterer Faktor für den Anstieg der Neuinfektionen dürften Mutationen des Coronavirus sein – allen voran die britische Variante B.1.1.7. Bei den Infektionen hatte sie deutschlandweit laut Robert Koch-Institut zuletzt einen Anteil von fast 90 Prozent. In Köln wurde die Variante seit Ende Januar insgesamt 6.111 Mal nachgewiesen.

Unterschiedliche Ansteckungsraten in den Veedeln

Einen weiteren Hinweis darauf, wo sich die Menschen angesteckt haben könnten, liefern die Inzidenzen der unterschiedlichen Stadtteile. Diese variieren stark: Libur ganz im Süden lag vor wenigen Tagen bei einem Inzidenzwert von mehr als 700, Gremberghoven ebenso und Neubrück folgte nur dicht dahinter mit mehr als 600. Liegt es daran, dass hier mehr Tests durchgeführt werden oder stecken sich die Menschen hier tatsächlich leichter an?

Die Stadt Köln hat auf diese Fragen keine eindeutige Antwort, verweist aber auf erhebliche Schwankungen innerhalb weniger Tage. "Ein Stadtteil mit hoher, überdurchschnittlicher Inzidenz kann eine Woche später wieder deutlich niedriger liegen oder umgekehrt", heißt es vom Gesundheitsamt. Positive Corona-Tests fallen außerdem umso mehr auf, wenn ein Viertel wie Libur nur gut 1.000 Einwohner hat. Tatsächlich wurden dort lediglich 8 Menschen innerhalb von einer Woche positiv getestet, womit der Wert direkt bei über 700 lag.

Hotspot Chorweiler

Doch auch in Chorweiler, wo fast 13.000 Menschen auf engem Raum leben, lag die Inzidenz zuletzt bei über 500. Seit Pandemiebeginn hatten sich dort insgesamt 963 Menschen infiziert – das entspricht rund 7.475 positiv getesteten auf 100.000 Einwohner. Im Villenviertel Hahnwald hingegen, wo zuletzt keine neuen Infektionen gemeldet wurden, wurden auf 100.000 Einwohner hochgerechnet lediglich 2.710 positiv getestet.

Beengte Wohnverhältnisse in Mehrfamilienhäusern und geringeres Bildungsniveau werden oft als Gründe angeführt, weshalb sich dort viele nicht an die Regeln halten würden und könnten. Klare Belege dafür, dass es im Hausflur oder Aufzug vermehrt zu Ansteckungen kommt, gibt es jedoch nicht. Ein womöglich wichtigerer Faktor sind die Arbeitsverhältnisse: Während in gut betuchten Gegenden viele Menschen im Homeoffice sind, arbeiten in den sozialen Brennpunkten viele in prekären Verhältnissen und Minijobs, wo Abstände einzuhalten oftmals schwierig wird.

Auf Nachfrage heißt es vom Gesundheitsamt, aus den reinen Inzidenzzahlen könne kein Zusammenhang zu solchen Faktoren oder zum Verhalten von Menschen in den Stadteilen abgeleitet werden.

Wie die Stadt reagiert

Die Stadt sieht allerdings einen Anlass, die Zusammenhänge genauer zu untersuchen. Erste Vergleiche der Ansteckungsrate mit sozialen Faktoren wie Arbeitslosenquote, Mietspiegel und Migrationsanteil hatten gezeigt, dass beispielsweise in Veedeln mit durchschnittlich höherer Arbeitslosigkeit auch mehr Ansteckungen stattfinden. Das Fraunhofer-Institut, das diese Studie betreut, konnte aber nicht sagen, dass sich dort auch wirklich mehr Arbeitslose angesteckt haben.

Trotzdem will die Stadt jetzt dort verstärkt impfen, wo das Ansteckungsrisiko besonders hoch ist: Mit einem Sonderkontingent von Impfdosen sollen mobile Teams "Personen in besonderen Sozialstrukturen" in den Stadtteilen mit einer hohen Inzidenz vorzeitig impfen. Das Land NRW scheint für den Vorschlag offen zu sein, am Mittwoch kündigte auch Ministerpräsident Armin Laschet Impfaktionen in sozialen Brennpunkten von Großstädten an.

Verwendete Quellen
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