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Gastro-Revolution aus Köln: Start-Up Vytal macht Mehrweg-Pizzakartons


Mehrweg-Verpackungen
Kölner wollen Take-away-Geschäft revolutionieren


30.06.2021Lesedauer: 4 Min.
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Die Gesichter hinter den Mehrweg-Boxen: Sven Witthöft, Fabian Barthel und Tim Breker haben Vytal gegründet.Vergrößern des Bildes
Die Gesichter hinter den Mehrweg-Boxen: Sven Witthöft, Fabian Barthel und Tim Breker haben Vytal gegründet. (Quelle: Vytal)

Ob Pizza, Sushi oder Steak: Wer im Restaurant zum Mitnehmen bestellt, bekommt es meist in Einwegverpackungen überreicht. Die Folge: Müll, der eigentlich vermeidbar wäre. Ein Kölner Trio will das ändern.

Das Kölner Start-up Vytal etabliert derzeit für die Take-away-Gastronomie ein Mehrwegsystem, das die Kunden nichts kostet und für Gastronomen günstiger ist als Einwegverpackungen. "Wir sind alle auch Väter. Wir möchten unsere Energie einsetzen für Dinge, die wichtig sind, nicht nur für die Marge von Unternehmen", so Sven Witthöft. Wenn der Volkswirt von "wir" spricht, dann meint er seine Geschäftspartner Tim Breker, Fabian Barthel und sich selbst.

Das Trio kennt sich aus der Zusammenarbeit als Unternehmensberater der Boston Consulting Group. 2019 haben sie den Sprung in die Selbstständigkeit gewagt und Vytal gegründet, einen Dienstleister, der Mehrwegverpackungen für Lebensmittel anbietet.

Picknick mit der Bundesumweltministerin

Am Dienstag hatte das Kölner Start-up Besuch aus Berlin: Bundesumweltministerin Svenja Schulze (SPD) kam zu einem Picknick-Event im Lentpark, um sich vor Ort mit den jungen Unternehmern und verschiedenen Experten aus dem Bereich der Nachhaltigkeit auszutauschen.

"Das Ziel muss sein, dass sich die erklären müssen, die kein Mehrweg anbieten, und nicht die anderen", forderte die Ministerin. Bislang sieht die Realität anders aus. In der Take-away-Gastronomie sind Einwegverpackungen die Regel. Das soll sich jedoch ändern: Das Verpackungsgesetz verpflichtet ab 2023 Caterer, Lieferdienste und Restaurants, neben Einweg- auch Mehrwegbehälter für Essen und Getränke zum Mitnehmen anzubieten.

"Einweg ist einfach zu billig und zu bequem"

Schon jetzt sind, etwa im Bereich der Kaffeebecher, verschiedene Pfandsysteme in der Anwendung, doch die haben eine Schwachstelle: Wenn Nutzer auf die Pfandauszahlung verzichten und sich den Becher zum Beispiel zu Hause in den Schrank stellen oder ihn gar wegwerfen, ist nichts gewonnen.

"Echte Mehrwegsysteme müssen sich häufig drehen. Wenn Behälter nicht häufig benutzt werden, sind die Vorteile gegenüber sehr leichten Einwegtellern aus Plastik überschaubar", erläuterte Pia Schnück, die für die Rewe Group den Funktionsbereich Nachhaltigkeit Ware leitet: "Einweg ist einfach zu billig und zu bequem."

An dieser Stelle unterscheidet sich Vytal von anderen Mehrwegsystemen. Statt für die Behälter oder Bestecke bezahlen zu müssen, registrieren sich Nutzer mit einer App. Per QR-Code wird erfasst, wo jeder Behälter sich befindet. Innerhalb von 14 Tagen kann ein Kunde sein benutztes Mehrweggeschirr bei einem der Vytal-Partner abgeben, ohne dass ihm weitere Kosten entstehen.

Daran wird er zum Ablauf der Frist auch erinnert. Überzieht er den Zeitraum trotzdem, wird ihm eine Gebühr von zehn Euro abgebucht. Die Betreiber spekulieren aber nicht etwa auf Einnahmen über diese Gebühr, sondern hoffen, dass sie im Idealfall gar nicht anfällt.

Vytal sagt, dass ihr Interesse darin liege, die Behälter möglichst rege zirkulieren zu lassen. Denn das Unternehmen finanziert sich durch Beiträge der Gastronomen je Nutzung einer Box, die unter dem Preis einer Einwegverpackung liegen.

In sechs Monaten über eine Million weniger Verpackungen

Deutschlandweit sind etwa 140.000 Behälter des Kölner Start-ups im Umlauf, die jeweils bis zu 200-mal befüllt werden können. Durch die QR-Codes an jeder Box sind die Einsparungen nachvollziehbar: "Allein in der ersten Hälfte des Jahres 2021 wurden schon 1,1 Millionen Einwegverpackungen eingespart", so Co-Founder Breker.

Ihre Zulieferer haben die Jungunternehmer nach Materialqualität und Produktionsbedingungen ausgewählt. Die Schalen beziehen sie von einem niederländischen Anbieter, der mit einer Werkstatt für Menschen mit Behinderung zusammenarbeitet. Die Bestecke werden im Odenwald produziert. Die Pizzaboxen kommen aus Herford, die Becher aus Tschechien.

Einer der Zulieferer, der die Philosophie der Mehrweg-Anbieter teilt, ist Hendrik Single, CEO der Herforder Singlebow GmbH. Er hat den wiederverwendbaren Pizzakarton erfunden – weil er aus eigener Erfahrung der Mengen an Einwegkartons überdrüssig war. "Ich bin auf ein Internat gegangen. Wenn dort das Essen nicht geschmeckt hat, haben wir Pizza bestellt. Das durften wir aber nicht, deswegen mussten wir hinterher die Kartons verstecken – und irgendwann war alles voll damit. Als ich durch die Stadt ging, fiel mir sogar auf, dass man in manchen Pizzaläden nicht mehr aus dem Fenster sehen kann, so viele Kartons stehen da." Als Ingenieur für Produktions- und Kunststofftechnik hatte er damit seine Aufgabe gefunden. Nun bietet er, unter anderem über Vytal, Pizzaboxen an, die sich mehrfach verwenden lassen.

Problemfall Sushi: "Der Irrsinn dieser Gesellschaft"

Ein anderes Produkt, das größtenteils in Einwegkartons in den Küchen landet, ist Sushi: "Ein extrem hochwertiges Essen in einer extrem schlechten Verpackung, darin ist meistens auch noch Gras aus Plastik. Das ist der Irrsinn dieser Gesellschaft", findet Sven Witthöft. Einige Sushi-Anbieter nutzen bereits die viereckigen Boxen von Vytal. Für Gerichte mit Beilage gibt es andere Boxen mit Trennfächern.

Genutzt werden die Mehrweglösungen teils von Kantinen, teils aber auch von einzelnen Gastronomen. Interessenten können eine Auflistung der teilnehmenden Partner in ihrer Stadt über die Vytal-Website aufrufen – sei es, um die Verpackungen wieder abzugeben oder um sie gezielt nachzufragen.

Witthöft zufolge hat die Pandemie den Erfolg des Konzepts beschleunigt: "Es hat ja plötzlich niemand mehr Einwegverpackungen bekommen", sagt er. Zu Beginn der Corona-Krise waren Lieferketten unterbrochen. Die Pandemie habe auch bewirkt, dass der Umgang mit QR-Codes und digitalen Bezahlsystemen auf einmal viel selbstverständlicher geworden ist – auch bei älteren Jahrgängen.

Verwendete Quellen
  • Gespräche und Beobachtungen vor Ort
  • Interview mit Hendrik Single
  • Eigene Recherche
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