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Beinahe-Geburt auf dem Bahnsteig – kultiger U-Bahn-Ansager über 25 Jahre Wiesn-Wahnsinn


Dudelsack, Suff und Beinahe-Geburt
Kultiger U-Bahn-Sprecher über 25 Jahre Wiesn-Wahnsinn

Von Jennifer Lichnau

03.10.2022Lesedauer: 3 Min.
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Norbert Grünleitner (55) steht auf dem U-Bahnsteig Theresienwiese: Seit 25 Jahren ist er während der Wiesn im Einsatz.Vergrößern des Bildes
Norbert Grünleitner (55) steht auf dem U-Bahnsteig Theresienwiese: Seit 25 Jahren ist er während der Wiesn im Einsatz. (Quelle: Jennifer Lichnau/t-online)

"Von himmelhochjauchzend bis zu Tode betrübt" – Norbert Grünleitner hat in 25 Jahren als U-Bahn-Ansager während des Oktoberfestes alles gesehen.

Eine Frau, bei der nach dem Wiesn-Besuch die Wehen einsetzen; eine Dudelsack-Gruppe mit Trommler, die spielend über den Bahnsteig marschiert; Schuhplattler, die die Fahrgäste bei Laune halten, weil eine U-Bahn ausgefallen ist – das alles hat Norbert Grünleitner miterlebt. Er ist die Stimme zum Oktoberfest und seit 25 Jahren während der Wiesn als Sprecher im U-Bahnhof Theresienwiese im Einsatz.


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Dieser Zug ist koa Adventskalender, ihr dürft's alle Türen gleichzeitig öffnen


Norbert Grünleitner


Sprüche wie "Ned schiam, ned kratzn, ned beißn, das Bier reicht für alle" oder "dieser Zug ist koa Adventskalender, ihr dürft's alle Türen gleichzeitig öffnen", haben den U-Bahn-Ansager zur Münchner Kultfigur werden lassen.

Grünleitner gehört zur Wiesn wie die Maß Bier. Dieses Jahr feiert er sein 25. Oktoberfest-Jubiläum. Beinahe sein halbes Leben ist der 55-Jährige für die Münchner Verkehrsgesellschaft im Einsatz, um dafür zu sorgen, dass die Wiesn-Gäste sicher zum und vom Oktoberfest kommen. Die meisten Münchner kennen und lieben ihn als humorvollen Ansager am Bahnsteig der Theresienwiese.

Grünleitner sitzt in dem verglasten Kasten mitten auf dem Bahnsteig der Theresienwiese und beobachtet die Menschen, die vorbeilaufen. Heute ist wenig los. Das Wetter ist schlecht. Der Bahnsteig an der Wiesn-Haltestelle, wo sich sonst die Massen in die U-Bahnen drängeln, ist beinahe leer.

Ein Jugendlicher mit einem riesigen Lebkuchenherz um den Hals spaziert an Grünleitner und seinen Kollegen vorbei. Grünleitner lacht, dreht sich zu seinen Mitarbeitern um und sagt: "Habt ihr den gesehen. Der hat bestimmt was angestellt." Auf dem Lebkuchenherz steht in geschwungenen Buchstaben aus Zuckerguss "Ich liebe dich".


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"Im Bundeswehr-Ton geht gar nichts"


Norbert Grünleitner


In seinen 25 Jahren im Wiesn-Einsatz hat Grünleitner alles gesehen, sagt er, "die ganze Bandbreite des Lebens". Von himmelhochjauchzend bis Todes betrübt – die Menschen bringen neben Lebkuchenherzen, Plastikrosen oder einem Rausch die unterschiedlichsten Stimmungen mit auf Grünleitners Bahnsteig.

Und da ist Feingefühl gefragt. "Im Bundeswehr-Ton geht gar nichts", sagt Grünleitner, dessen wichtigste Aufgabe es ist, die Wiesn-Gäste sicher nach Hause zu lotsen. "Humor und Charme, nur so funktioniert es", sagt Grünleitner.

Dabei hat er keinen Zettel, legt sich seine Sprüche nicht vorher zurecht. "Das kommt alles spontan", sagt er. Beispielsweise wenn einer einen Ballon dabei habe, erzählt Grünleitner, dann sage ich, alle sollen dem Ballon in die Bahnsteigmitte folgen. Das funktioniert dann auch. "Der Mensch ist ein Herdentier, das kann man hier sehr gut beobachten."

Einige Erlebnisse haben sich bei Grünleitner eingebrannt. Bei einer Wiesn-Besucherin setzten auf dem Bahnsteig die Wehen ein. Ihr Mann bat Grünleitner und seine Mitarbeiter um Hilfe. Auf dem Bahnsteig Theresienwiese ist während des Oktoberfests immer ein Sanitätsdienst, der Erste Hilfe leisten kann. Der gerufene Rettungswagen hat die Frau noch rechtzeitig ins Krankenhaus gebracht. "Wir haben nie wieder etwas von der Frau gehört. Schade eigentlich", sagt Grünleitner.

Gänsehaut bekommt er, wenn er von der Dudelsack spielenden Truppe erzählt, die gemeinsam mit einem Trommler über den Bahnsteig marschierte. "Eigentlich sei musizieren hier verboten, aber dafür haben wir natürlich eine Ausnahme gemacht." Und auch die Schuhplattler-Gruppe, die die wartenden Fahrgäste bei Laune gehalten hat, hat Grünleitner in guter Erinnerung.

Ob nicht auch mal etwas passiert, bei den vielen Betrunkenen? "Der ein oder andere fällt im Suff schon mal die Treppen runter", sagt Grünleitner, "da muss dann der Krankenwagen oder auch mal ein Hubschrauber kommen." Grünleitner sagt das, als wäre es das Normalste der Welt. Nach 25 Jahren Wiesn kann einen eben nichts mehr aus der Ruhe bringen.

Verwendete Quellen
  • Gespräch mit Norbert Grünleitner am 18. September 2022
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