München Ethikrat rügt Regierung wegen Zögerns in Corona-Politik
Angesichts der sich zuspitzenden Pandemielage hat der bayerische Ethikrat die Corona-Politik der Staatsregierung hart kritisiert. Der stellvertretende Vorsitzende des Gremiums, Armin Nassehi, wirft der bayerischen Regierung und der Politik im Bund vor, in den Sommermonaten nicht konsequent genug gehandelt zu haben. Vor ein paar Wochen habe man noch so getan, "als sei die Sache vorbei", sagte der Münchner Soziologie-Professor der "Süddeutschen Zeitung" (Freitag).
So sei man in eine Situation geraten, in der man womöglich einen Lockdown brauche, den die Politik aber ausgeschlossen habe. Nassehi verwies auf eine Stellungnahme des Ethikrats vom 10. Juni an die Staatsregierung. Darin wird dringend zur Vorbereitung einer weiteren Impfwelle geraten. Es stünden Entscheidungen unmittelbar bevor, die nicht erst in einigen Monaten getroffen werden könnten.
Nassehi betonte in einem Twitter-Post dazu: Die Lage sei nicht einseitig der Staatsregierung zuzurechnen. Der Ethikrat habe schon im Juni darauf hingewiesen, dass die Aufmerksamkeitsspanne auf Bundes- und Landesebenen zu schwinden drohte, "was sich in der derzeitigen geradezu hektischen Entscheidungslage wiederfindet. Das hat sich leider bewahrheitet."
In dem Papier heißt es wörtlich: "Ziel aller Planungen muss sein, im kommenden Herbst und Winter ohne radikale Kontaktbeschränkungen und ohne Lockdowns auszukommen. Das ist aber nur möglich, wenn nicht gewartet wird, bis sich radikale Maßnahmen überhaupt nicht mehr vermeiden lassen."
Der Ethikrat soll die Staatsregierung in entscheidenden Zukunftsfragen der Gesellschaft beraten. Das Gremium wurde im Herbst vergangenen Jahres vom Kabinett eingesetzt. Nassehi ist Lehrstuhlinhaber an der Ludwig-Maximilians-Universität München (LMU).