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Michaelis-Kirchweih in Fürth: Freude trotz 700.000 Euro minus ungetrübt


Kostenexplosion bei Deutschlands größter Straßenkärwa – Freude ungetrübt

Von Peter Budig

Aktualisiert am 01.10.2022Lesedauer: 4 Min.
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Ozapft is (Archivbild)! Am Samstag um zehn beginnt die 16-tägige Kärwa und ausnahmsweise schmeckt die Freibiermaß, gezapft von OB Thomas Jung, schon morgens.Vergrößern des Bildes
O'zapft is! Am Samstag beginnt in Fürth die 16-tägige Michaelis-Kirchweih – dann zapft OB Thomas Jung wieder zur Eröffnung (Archivbild). (Quelle: Ebersberger, Stadt Fürth)

Deutschlands größte Straßenkärwa kämpft mit den Kosten: Von der schwarzen Null hat man sich verabschiedet. Doch der Nutzen der Michaelis-Kirchweih ist gewaltig.

Sie ist wieder da: die Michaelis-Kirchweih im mittelfränkischen Fürth! Nach zwei Jahren Zwangspause wird erneut die gesamte Innenstadt für den Verkehr gesperrt. Und das vom heutigen Samstag, 1. Oktober, bis zum Sonntag, 16. Oktober.

Die Vorfreude könnte hier nicht größer sein: auf dieses bayerische und deutsche Weltkulturerbe, auf Fahrgeschäfte, Imbisse, Trinkhütten und natürlich das Marktgeschehen. Hier gibt es Socken, Gewürze, Trachtenkleider, Geschirr und hochwertige Töpfe, Putzzeug, Zimmerpflanzen, Gartenzubehör – eigentlich alles – zu kaufen.

255 Beschicker ringen auf 42.000 Quadratmeter Festfläche um die Gunst der Besucher. 2019 waren es noch 271. Da die Fürther Kärwa, als kleiner Bonbon nach zwei Jahren Corona-Arbeitsverbot, vier Tage verlängert wurde, könnte die Zwei-Millionen-Grenze an Besuchern erreicht werden. Aber: Steigende Kosten verdüstern die Vorfreude.

Michaelis-Kirchweih in Fürth: Energie und Sicherheit lassen die Kosten explodieren

"Von der früher angestrebten schwarzen Null haben wir uns schon länger verabschiedet. Vor Corona lag das Minus um die 380.000 Euro", so der Kärwa- und Wirtschaftsreferent Horst Müller – seit 1997 für die Feste verantwortlich, ein Jahr später wurde der CSU-Politiker bis heute unangefochten Wirtschaftsreferent im roten Fürth.

Doch heuer rechnet man mit 700.000 Euro minus bei der Schlussabrechnung, für die die Kämmerei die Kassen öffnen muss. Das erklärt er während einer Pressekonferenz.

"Gestiegene Sicherheitskosten und mehr Geld für Wasserentsorgung und Energie, zum Beispiel am Platz, wo die Schausteller ihre Wohnwagen während der Festtage abstellen", seien die Hauptursache. Beim Nachdenken über Kompensationen sind die Räte nicht sehr weit gekommen: "Einen Eintritt verlangen, wie in Bamberg, das ist unmöglich, mitten in der Stadt, wo alle wohnen, Geschäftsbesitzer ein- und ausgehen, wo es tausend Zugänge gibt. Und es passt auch nicht zu uns, zu unserer Kärwa", bleibt Müller unbeirrt.

Genauso absurd der Gedanke, die Standgebühren für die Schausteller erhöhen, "die zwei Jahre gar nichts verdient haben. Das ist doch keine Option", sagt Müller, was einstimmig im Rat beschlossen wurde.

Im überaus sparsamen Fürth, wo seit Jahren Millionen Schulden getilgt werden, fällt die Summe durchaus ins Gewicht, aber ihre Kirchweih ist es den Bürgern und den Verantwortlichen wert. Und Müller macht noch eine andere, kühle Rechnung auf: "Die Zahl der Besucher hat sich seit meinem Amtsantritt von 500.000 auf etwa 1,5 Millionen verdreifacht", rechnet er vor (Berechnungszeitraum für zwölf Tage Kirchweih).

Jeder Besucher gibt zwischen 30 und 40 Euro auf der Kärwa aus. Man kommt also, je nach Besucherzahl, auf Einnahmen von 40 bis 60 Millionen Euro. Die Übernachtungszahlen waren in 2019 um fast 50 Prozent gestiegen, im Vergleich zu Müllers Anfängen.

"An den beiden offenen Verkaufsnachmittagen an den Kärwa-Sonntagen strömen die Landkreisbewohner und Menschen aus der ganzen Metropolregion in die Stadt. Sie sehen dann, was sich hier in punkto Einkaufsqualität getan hat." Besonders der Sonntag mit dem Erntedankfestzug (9. Oktober, ab elf Uhr), zieht die Menschen in Massen an. "Diese kostenlose Werbung ist unbezahlbar und lässt sich gar nicht beziffern", schwärmt Müller.

Für Fürth, wo binnen eines knappen Jahrzehnts mit der Einkaufsstraße Neue Mitte, dem völlig erneuerten Einkaufszentrum Flair, dem neu konzipierten Hornschuch-Center und dem generalüberholten Carré Fürther Freiheit aus einer brachliegenden Stadt eine pulsierende Einkaufscity entstand, ist jeder neue Kunde, jede Stimme, die davon kündet, wertvoll.

Hochzeitslotterie und Erntedank: Alte Bräuche neu aufgelegt

Das immaterielle Kulturerbe, das den Fürthern für ihre Traditionskärwa zuerkannt wurde, kommt nicht von ungefähr: Unter den Kriterien wird die Pflege alter Traditionen besonders betont. Die vielen Markthändler, die stets zu den Jahrmärkten gehörten, haben sich in Fürth gehalten.

Dann gibt es noch die "Fürther Heiratslotterie". Der alte Brauch, nicht betuchten, frisch vermählten Eheleuten eine Unterstützung zuzulosen, wurde 2018 wieder eingeführt. 80 Vereine und Gruppen nehmen am Erntedankzug teil, Comödie Fürth und Spielvereinigung Greuther Fürth, US-Army- und Afrika-Band, Thalheimer Schuhplattler, Hilpoltsteiner Burgfesttrommler und etliche Fanfarenzügen aus dem Landkreis, die Isetta-Freunde und die Kirchengemeinden bilden die lokale Vielfalt der Stadt- und Landgesellschaft ab.

Die niedrigsten Verbrechenszahlen übers ganze Jahr – Fürth ist die "sicherste Großstadt Deutschlands" – werden übrigens auch an den Festtagen der Kirchweih bestätigt: "Bei der letzten Kärwa hat die Polizei acht kleine Delikte gezählt. In Forchheim, wo das Fest kürzer ist, die Besucherzahl bei 300.000 liegt, waren es zuletzt 30", erklärt Müller.

Kulturerbe sind auch die vielen lokalen Genüsse, die frisch und lecker von den Schaustellern angeboten werden: Zwei Fischbratereien, Hähnchen, Hax'n, Ochsenfleisch, die berühmten Lángos, die hier einst von einem ungarischen Beschicker für das fränkische Festleben erfunden wurden. Und natürlich: Nicole Graubergers in heißem Öl ausgebratene Baggers. Wer diese süß mag, der bekommt das von der Großmutter im September eigens gekochte Pflaumenmus dazu.

Es hält sich die Geschichte, dass Nürnberger eigens wegen dieser Leckerei nach Fürth fahren. Als aber die Familie Grauberger einst versuchte, diesen Erfolg auf den Nürnberger Volksfesten zu wiederholen, wurde daraus ein Flop. Mancher Genuss schmeckt nur am richtigen Ort!

Verwendete Quellen
  • Pressekonferenz vor Ort
  • Nachfrage bei Oberbürgermeister Dr. Thomas Jung
  • Nachfrage bei Horst Müller, Wirtschaftsreferent, Kirchweih-Referent
  • Gespräch mit Helmut Dölle, Vorsitzender der Fürther Schausteller
  • Nachfrage bei Norbert Mittelsdorf, Presseamt der Stadt Fürth
  • Unesco.de: Kulturerbe (30.9.22)
  • michaelis-kirchweih.de: Webseite Michaelis-Kirchweih
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