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Corona und Streaming: So sieht die Zukunft der Kinos rund um Nürnberg aus


Eine Branche denkt um
Wie Kinos Streaming und dem Sommer trotzen


26.06.2023Lesedauer: 4 Min.
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Junge Menschen im KinosaalVergrößern des Bildes
Voller Kinosaal (Symbolbild): Kinos haben es in diesen Zeiten nicht leicht. (Quelle: Roland Weihrauch/dpa/Archivbild/dpa)

Wer geht noch ins Kino? Streaming und hohe Energiepreise machen der Branche das Überleben schwer. Rund um Nürnberg wird dennoch kräftig investiert.

Kinos hatten es zuletzt nicht einfach. Einige Betreiber setzen auf Investitionen und Innovationen, um neue Wege zu gehen. Europas größtes Kino in Nürnberg und die Rusch-Gruppe in Bayern sind zwei Beispiele dafür, wie man dem rückläufigen Trend entgegenwirken will.

Das Kino ist ein mystischer Ort. Verbunden mit vielen Erinnerungen: an die erste Liebe, den ersten Horrorfilm, den Geruch von frischem Popcorn. Hier lässt sich große Kunst erleben, der Alltag vergessen. Und das praktisch rund um die Uhr: "Bei uns ist niemals geschlossen. Nur vielleicht an Heiligabend, am späten Nachmittag, ein bisschen", erzählt Nicole Heim, Pressesprecherin von nach eigener Aussage Europas flächengrößtem Cineplex-Kino. Das steht in Nürnberg am Ufer der Pegnitz, die Kinosäle teilweise tief unters Flussbett reichend. "Doch während Corona war hier wochenlang geschlossen. Es war gespenstisch, durch die weiten Wege zu gehen, man war automatisch total traurig."

Die bange Frage nach Corona: Kommen die Leute wieder?

Während 2019 Rekorde gefeiert wurden, gingen die Umsätze im Lockdownjahr 2020 dramatisch zurück: "Der Kinobesuch ging im ersten Halbjahr 2020 um 51,7 Prozent zurück, der Kinoumsatz um 52,3 Prozent." Das belegen Zahlen der Filmförderungsanstalt (FFA). Die bange Frage: Würden die couchverwöhnten Zuschauer zurückkehren, von denen viele während der Pandemie ihr Filmzuhause technisch aufgerüstet, in TV-Hightech, Soundbars, Streaming-Dienste investiert hatten? Und: Wie kann man die gestiegenen Kosten abfangen, für Energie, Heizung oder Personal?

Das Jahr 2022 brachte erste Entwarnungen: 78 Millionen verkaufte Kinotickets und ein Umsatz von 722 Millionen Euro – das sind zwar immer noch rund 34 bzw. 29 Prozent weniger als 2019, dem letzten vorpandemischen Jahr. Aber es ist im Vergleich zu 2021 beim Ticketverkauf eine Steigerung um 85 Prozent, beim Umsatz laut FFA sogar um 93 Prozent. Im ersten Halbjahr 2023 setzte sich die Erholung fort, das nasskalte Frühjahr und etliche (deutsche) Kinohits spielten den Betreibern in die Hände.

In Fürth wird kräftig ins Kino investiert

Was also tun? Im Aichacher Familienunternehmen Rusch, mit Kinos an acht Standorten in Bayern vertreten – darunter das Cineplex im mittelfränkischen Fürth – hat man sich entschlossen: investieren. Zu den vorhandenen Kinos sollen "vier bis fünf Standorte hinzukommen", kündigt Juniorchef Alexander Rusch, Jahrgang 1982, an. Seine Eltern haben das Unternehmen 1989 mit dem kleinen Central Theater in Aichach begonnen und stetig ausgebaut.

Die Kinos firmieren unter dem Begriff "Cineplex", einem deutschlandweiten Zusammenschluss mittelständischer Kinobetreiber. "Wir arbeiten in den meisten Bereichen zusammen und treten als eine Marke auf", erläutert Rusch, dessen Gruppe einer dieser 26 Familienbetriebe und inzwischen der größte Cineplex-Gesellschafter ist. In Fürth kommen gerade neue Böden und komfortablere Bestuhlungen sowie besseres Licht in die sechs Kinosäle. Investitionssumme allein an diesem Standort: eine Million Euro.

Das Geheimnis der Kinozukunft liegt laut Rusch in der Individualisierung und in speziellen Events. Die Übertragung von Live-Opern mit besonderer Betreuung der Gäste, "ein Catering im Foyer, das über Nachos und Popcorn hinausgeht", das seien inzwischen gut besuchte Veranstaltungen. Dazu kommen Formate wie After-Work-Partys, Poetry-Slams oder Harry-Potter-Marathons.

In Fürth fand kürzlich in den Räumen eine Azubimesse statt, zu der der Veranstalter seine eigenen Werbefilme mitbrachte. "Im Prinzip ist fast alles möglich: E-Gamer können Säle mieten und die Technik nutzen, und wenn man will, kann man bei uns Silberne Hochzeit feiern und eigene Familienfilme mitbringen", ergänzt Rusch.

Auch aus diesem Grund gehe der Trend zu "mehr und kleineren Sälen". Für Events und um das Filmangebot zielgerichteter positionieren zu können. Denn die großen Verleiher – Disney, Universum – bestimmen gerne, in welchen Sälen ihre Filme wann gespielt werden. Den Größten natürlich, auch wenn es Samstagabend 22 Uhr ist und der Film eher fürs Familienpublikum geeignet. "Wir hätten in Fürth lieber zehn Säle als die sechs, bei gleicher Platzzahl. Das würde uns flexibler machen", so Rusch.

Das Geheimnis der Kinozukunft?

Nicht nur in Franken, in ganz Europa ist nach wie vor das Cinecittà-Multiplexkino "State of the Art". Gut 70 Millionen Euro hat die Unternehmerfamilie Weber seit den frühen 90er-Jahren in das immer noch futuristische Glas-Stahlgebäude direkt am Fluss investiert. Mit 1,5 Millionen Besuchern im Jahr avancierte das Cinecittà schnell zum besucherstärksten Kino in Deutschland, mit 85.000 Quadratmetern gilt es als das flächengrößte Kino in Europa mit rund 5.000 Plätzen. Insgesamt arbeiten 300 Personen im Cinecittà, davon sind 100 bis 120 fest angestellt, unter anderem auch in der Gastronomie, die Weber selbst betreibt.

Für 2023 rechnet die Geschäftsleitung, zu der neben dem Gründer Wolfram Weber (75) inzwischen Tochter Laura (37) gehört, mit gut einer Million Gästen. Was Marketing und neue Ideen betrifft, gilt Weber in der Branche seit jeher als einer, der vorangeht.

Cinecitta in Nürnberg.
Cinecittà in Nürnberg. (Quelle: Cinecitta)

Filmtipps für das zweite Kinohalbjahr:

Cinecittà-Sprecherin Nicole Heim verrät ihre Tipps: "Der Ausblick ist richtig gut: Der neue 'Indiana Jones' ist eine bekannte Marke, außerdem starten innerhalb von zwei Wochen 'Barbie', 'Oppenheimer' und 'Mission: Impossible – Dead Reckoning Teil eins'. Und 'Dune 2' wird wohl DER Film im November werden."

Fünf "Deluxe"-Kinosäle mit großen Liegesitzen, Tischchen und Bestellservice decken etwa das Premiumsegment ab. Und auch filmtechnisch bei Licht, Bildqualität und Sounds waren Weber-Kinos meist vorne dran. "Das Multiplex-Grundrezept ist geblieben", sagt Heim. Das liege an der Unternehmensphilosophie, die immer der Zeit voraus sein wollte.

Liveübertragung von BTS-Konzert war voller Erfolg

So plant Weber zwei Flusskraftwerke, um bei steigenden Energiepreisen unabhängig zu bleiben: "Mit dem Katharinenwehr und dem Nägeleinswehr ein Stück weiter flussabwärts kann man etwa 80 Prozent unseres Strombedarfs fürs Cinecittà erzeugen", erläuterte Weber, der mehr als zwei Millionen Euro in das Projekt investieren will, dem "Bayerischen Rundfunk".

Dann braucht man noch Mitarbeiter, die Jugendtrends aufspüren: Kürzlich haben sie in mehreren ausverkauften Kinosälen um 9 Uhr früh ein Konzert der südkoreanischen Boygroup BTS übertragen. "Da muss das ganze Haus den Rhythmus umstellen: Ticketverkauf, Putzkolonnen, Imbiss, alles wurde mobilisiert", erinnert sich Heim an den Coup aus dem vergangenen Jahr, der alle überrascht hatte.

Verwendete Quellen
  • Gespräch mit Alexander Rusch, Geschäftsführer "KinoGruppeRusch"
  • Gespräch mit Cinecittà-Sprecherin Nicole Heim vor Ort
  • ffa.de: Pressemitteilungen der Filmförderungsanstalt von 2020, 2021 und 2022
  • sueddeutsche.de: "Ist das deutsche Kino noch zu retten?" (17. November 2022)
  • br.de: "Mit Wasserkraft und Co.: Kultur stemmt sich gegen Energie-Krise" (1. August 2022)
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