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Nürnberg: Archäologen entdecken Massengräber aus Pestzeit


Größter Pestfriedhof Deutschlands
Sensationsfund in Nürnberg: Massengräber entdeckt


20.02.2024Lesedauer: 3 Min.
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Fachleute auf der Baustelle in St. Johannis: Die Archäologen legen gerade Knochen für Knochen frei.Vergrößern des Bildes
Fachleute auf der Baustelle in St. Johannis: Die Archäologen legen gerade Knochen für Knochen frei. (Quelle: Daniel Salg)

Archäologen sind bei einer Baustelle in Nürnberg auf Massengräber aus der Pestzeit gestoßen. Noch lässt sich das Ausmaß des Fundes nur erahnen.

Im Zuge von Bauarbeiten haben Archäologen in Nürnberg einen Sensationsfund gemacht. In der Stadt könnte das größte Pest-Massengrab in ganz Europa liegen. Entdeckt wurde es aber nur, weil an dieser Stelle eigentlich ein Seniorenheim gebaut werden soll. Statt Bauarbeitern sind nun auf dem Grundstück im Stadtteil St. Johannis aber Archäologen im Einsatz. Sie legen Tag für Tag mehr Gebeine frei.

Aktuell seien auf der Baustelle in Pegnitznähe die sterblichen Überreste von mehr als 800 Menschen geborgen worden. Die Zahlen würden sich aber täglich ändern. Auf wie viele die Fachleute am Ende stoßen werden, lässt sich noch immer nur erahnen, sagt Stadtarchäologin Melanie Langbein bei einem Rundgang.

Es geht um acht Massengräber

Erste Funde habe es auf dem Grundstück bereits im August des vergangenen Jahres gegeben, seit Oktober arbeitet auf dem Grundstück eine Fachfirma. Sie gräbt sich Stück für Stück durch die Erde. Gleichzeitig fördert sie auch ein dunkles Kapitel der Nürnberger Stadtgeschichte zutage.

Genaugenommen liegt auf dem Gelände nämlich nicht nur ein Massengrab, sondern es gibt gleich acht davon. Zwei sind bereits freigelegt, am dritten laufen gerade die Ausgrabungen. Zu den restlichen fünf müssen sich die Archäologen erst noch vorarbeiten. Daher ist auch noch ungewiss, wie viele Gebeine sie schlussendlich bergen werden. Laut Langbein könnte es sich um den größten – bislang gefundenen – Notfriedhof für Pesttote in ganz Europa handeln. Sicher sei bereits, dass es der größte in Deutschland ist.

Leichen teils einfach in das Grab geworfen

"Wir graben hier Wissen aus", erklärt Langbein im Gespräch mit t-online. Aktuell geht sie davon aus, dass die Gräber aus den Jahren 1632 und 1633 stammen. Damals habe es in Nürnberg eine schwere Pestwelle gegeben. 15.000 Menschen seien in den beiden Jahren in der Stadt am "Schwarzen Tod" gestorben.

Ein Ausmaß, das sich auch an den Gräbern erkennen lasse: Während manche Leichen in ein Tuch eingewickelt seien, seien andere wohl förmlich in die Gräber geworfen worden. Teilweise stapeln sich die sterblichen Überreste regelrecht. So lagen allein in einem der bereits freigelegten Gräber 400 mutmaßliche Pestopfer.

Immense wissenschaftliche Bedeutung

Oberbürgermeister Marcus König unterstreicht die überregionale Bedeutung des Fundes: "In den Gräbern sind die sterblichen Überreste von Kindern und Alten, Männern und Frauen, der Pesttod hat weder vor Geschlecht, vor Alter noch vor gesellschaftlichem Stand Halt gemacht."

Auch wenn die Pest ein dunkles Kapitel in der Stadtgeschichte war, sei die Bedeutung des Funds für die Wissenschaft immens. Dank der Ausgrabungen sei erstmals die Untersuchung einer großen Bevölkerungsgruppe aus der Pestzeit möglich – und das in einer Stadt mit der Bedeutung Nürnbergs, so König weiter.

Laut Langbein sollen die Gebeine nach der Ausgrabung und Dokumentation zunächst einmal im Archiv der Stadtarchäologie aufbewahrt werden. Die Archäologin betonte, die Stadt sei für eine Zusammenmitarbeit mit Forschungsinstituten noch während der Ausgrabungen offen.

"Das sind alles Nürnbergerinnen und Nürnberger"

Der Oberbürgermeister sagte im Gespräch mit t-online, dass die Stadt würdevoll mit den gefundenen Verstorbenen umgehen wolle. "Das sind alles Nürnbergerinnen und Nürnberger, die hier beerdigt worden sind", so König.

An den Bauplänen wollen die Verantwortlichen aber trotz des Sensationsfunds festhalten. Nach Abschluss der Ausgrabungsarbeiten will das städtische Tochterunternehmen wbg auf dem Grundstück an der Ecke zwischen Brücken- und Großweidenmühlstraße ein Seniorenzentrum sowie 35 Sozialwohnungen errichten.

König hält an den Bauplänen fest

Stadtarchäologin Langbein sagte zu den Bauplänen: "Grundsätzlich sind wir im Denkmalschutz daran interessiert, dass die archäologischen Funde im Boden verbleiben." Das sei aber bei dem Grundstück nicht möglich, die Ausgrabungen und die Dokumentation der Funde seien deshalb als Ersatz dafür zu verstehen. König betonte in dem Zusammenhang, dass das Grundstück in der dicht besiedelten Stadt als Baufläche gebraucht werde. Dennoch wolle man den Fund für die Nachwelt erhalten.

Der Oberbürgermeister deutete zudem an, dass man gemeinsam mit der wbg an Ort und Stelle an die Massengräber erinnern wollte. In welcher Form, blieb allerdings noch offen. Denkbar sei auch, dass die Ergebnisse der Ausgrabungen künftig in einem Museum im Rahmen einer Sonderausstellung präsentiert würden.

Verwendete Quellen
  • Reporter vor Ort
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