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Bayern: Warum Hunde für wilde Tiere gefährlich sein können


"Hässliche Art, Tiere sterben zu lassen"
Die blutige Gefahr der "arbeitslosen Reihenhauskatzen"

  • Meike Kreil
Von Meike Kreil

Aktualisiert am 14.05.2022Lesedauer: 3 Min.
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Aggressive Katze (Symbolfoto): Vor allem im Frühling sterben viele Wildtiere durch Angriffe von Haustieren.Vergrößern des Bildes
Aggressive Katze (Symbolfoto): Vor allem im Frühling sterben viele Wildtiere durch Angriffe von Haustieren. (Quelle: Panthermedia)

Braucht Deutschland eine einheitliche Leinenpflicht? In Bayern zählt allein die Vernunft der Hundehalter. Dabei landen bei der Wildtierhilfe immer mehr gerissene Rehkitze oder Hasen, die von Hunden und Katzen zerfleischt wurden.

Das Ehrenamt von Carmen Frisch ist herzerwärmend, genauso wie es blutig ist. Als Vorsitzende der Wildtierhilfe Mittelfranken im mittelfränkischen Ansbach hat sie mit Tierjungen zu tun, die immer öfter als gerissene Notfälle bei ihr landen. Je nach Verletzungsgrad heißt es dann: aufpäppeln oder einschläfern. Zu 70 Prozent Letzteres, erzählt sie.

Aufgewachsen in einer Jägerfamilie sei die 37-Jährige mit Bildern von "Geißen in Fetzen" groß geworden, sagt sie im Gespräch mit t-online. Fehlende Gliedmaßen und Fleischwunden bei Hasen oder Rehen: Oft sind daran Hunde schuld, deren Besitzer sie im Wald frei herumlaufen lassen. "Das ist eine ganz hässliche Art, Tiere sterben zu lassen." Die Verantwortung sollte nicht beim eigenen Tier enden. Das sei die moralische Verpflichtung eines jeden Tierhalters, mahnt Frisch.

Keine Leinenpflicht in Bayern

Bundesweit gibt es keine einheitliche Leinenpflicht für Hunde. In vielen Bundesländern müssen Hunde im Frühjahr an die Leine, wenn sie im Wald und auf dem Feld oder in Grünanlagen unterwegs sind. In Bayern gibt es diese Leinenpflicht nicht, Hunde können sich frei in der Natur bewegen. Allerdings können die Kommunen ihre eigenen Bestimmungen festlegen.

Deshalb bleibe ihr vorerst nur, an die Vernunft der Hundehalter zu appellieren. Das funktioniere nicht immer, erklärt Frisch, die selbst vier Hunde hat. Dabei sei es gerade jetzt im Frühjahr wichtig, Wildtieren ihre Ruhe zu lassen. Von März bis zum 15. Juni dauert die Brut- und Setzzeit, in der Rehe, Hasen und Co. besonderen Schutz für Brut und Aufzucht brauchen. Ihre Jungen könnten überall im hohen Gras versteckt sein.

Feldhasen etwa legen ihren Nachwuchs nah am Wegrand ab, oftmals nur ein bis zwei Meter entfernt. Dort sind die Jungtiere, die gerade mal 80 Gramm wiegen, die meiste Zeit auf sich allein gestellt. So vermeidet die Mutter, die im Schnitt drei Jungtiere im Januar zu Welt bringt, dass Beutegreifer aufmerksam werden.

Eigentlich seien sie durch ihre Fellfarbe und ohne Eigengeruch gut vor Angreifern geschützt. Nicht aber, wenn Hunde ihnen zufällig begegnen. Eine Gefahr mehr für die Population der Feldhasen: Natürliche Fressfeinde wie der Fuchs oder der Klimawandel machen ihnen bereits das Leben schwer.

Vermeintlich verwaiste Feldhasen nicht aufsammeln

Frisch warnt ebenfalls davor, vermeintlich verwaiste Hasen vom Wegrand aufzusammeln. Meist sei das Muttertier ganz in der Nähe. Die Wildtierexpertin wünscht sich von Erwachsenen mehr "Verständnis für Natur und Tier": Auch wenn sie nichts Böses wollen würden, wäre manchmal mehr Verstand angebracht.

Bei Fragen ist die Wildtierhilfe Mittelfranken zur Stelle. Der Verein ist erreichbar per Telefon 0176/55108147 oder per Mail unter info@wildtierhilfe-mittelfranken-ev.de

Ähnliches gelte für Rehkitze, die in Wiesen oder am Waldrand versteckt liegen. Damit sie ungestört aufwachsen können, sollten Menschen wie Hunde auf dem Weg bleiben. Streunende Hunde würden nicht nur die Jungen, sondern auch die Muttertiere gefährden. So sei ein tragendes Reh wenig stressresistent: Wenn es von einem Hund durch Wald und Wiese gejagt werde, sei laut Frisch die Gefahr einer Totgeburt hoch. Zum Abort könne es genauso kommen, wenn sich das Geiß zu sehr erschrecke. All das strapaziere die Tiere so sehr, dass sie keine Kraft mehr für die Geburt aufbringen könnten.

Wäre dann nicht eine Leinenpflicht auch in Bayern im Frühjahr die Lösung? Nicht unbedingt, antwortet die Vorsitzende, von Zwang halte sich nichts. "Was ich mir wünsche, sind Hunde, die gut hören und nicht vom Weg abkommen!" Seien die Hunde erst einmal im Wald, habe der Halter oft keine Kontrolle mehr.

Doch auch für Herrchen und Frauchen gelten beim Spaziergang im Frühjahr und Sommer Regeln. Was viele laut Frisch nicht wissen: In der Nutzzeit zwischen März und September gilt in Bayern ein Wiesen-Betretungsverbot. Das soll wachsendes Gras und Getreide auf Feld und Acker vor Mensch und Hund schützen. Hundekot mit seinen Bakterien könne den Acker und damit auch das Fressen für Kälber verunreinigen, schildert Frisch.

Wildtierhilfe: Auch "arbeitslose Reihenhauskatzen" bleiben Jäger

In der Landwirtschaft stand nun die erste Mahd an. Auch der Schnitt auf dem Feld habe die Gefahr geborgen, dass Rehkitze "ausgemäht" wurden, wie die hauptberufliche Übersetzerin erzählt. Neuerdings aber werde das Feld davor mit Drohnen auf Rehkitze abgesucht.

Neben Hunden würden auch Katzen zunehmend zum Problem, weiß Frisch. In der Wildtierhilfe spürten sie, dass deren Anzahl seit Corona deutlich gestiegen sei. Die Pandemie sei für viele ein Anlass gewesen, sich ein Haustier anzuschaffen. Frisch nennt sie "arbeitslose Reihenhauskatzen".

Welchen Job hätten die Katzen in den "geschniegelten Häuschen" denn noch, fragt Frisch rhetorisch. Eine Katze werde immer Jäger bleiben. Da bringen sie nach ihrer nächtlichen Pirsch eben auch mal ein Hasenjunges im Maul mit nach Hause.

Verwendete Quellen
  • Gespräch mit der Wildtierhilfe Mittelfranken
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