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Schalke 04 – Kritikerin über Clemens Tönnies: "Menschlich tut er mir auch leid"


Wer folgt auf Tönnies?
"Ein besonnener Mensch wäre die beste Lösung"

  • Dominik Sliskovic
Von Dominik Sliskovic

Aktualisiert am 01.07.2020Lesedauer: 4 Min.
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Clemens Tönnies: Nach 19 Jahren an der Spitze des FC Schalke 04 lässt der Unternehmer alle seine Ämter nieder.Vergrößern des Bildes
Clemens Tönnies: Nach 19 Jahren an der Spitze des FC Schalke 04 lässt der Unternehmer alle seine Ämter nieder. (Quelle: Noah Wedel/imago-images-bilder)

Die Ära Clemens Tönnies auf Schalke ist Geschichte. Nun steht der Klub vor einem Wandel an der Spitze. Doch der gestaltet sich schwierig, erklärt Tönnies-Kritikerin Kornelia Toporzysek.

"Geben Sie mir noch ein paar Minuten, ich kann das alles noch gar nicht glauben", schreibt Kornelia Toporzysek vor dem Gespräch mit t-online.de. Die Richterin des Oberlandesgerichts Düsseldorf ist überwältigt von der Nachricht, die wenige Minuten zuvor nicht nur den FC Schalke 04, sondern die ganze deutsche Fußballöffentlichkeit erschüttert hat: Clemens Tönnies ist nach 19 Jahren als Aufsichtsratvorsitzender der Königsblauen von all seinen Ämtern im Verein zurückgetreten – mit sofortiger Wirkung.

Diesem Schritt vorausgegangen war wochenlanger, lautstarker Protest gegen den Klubpatron. Seine Gegner warfen ihm vor, den S04 in Verruf zu bringen. Hintergrund war nicht nur Tönnies' rassistische Äußerung aus dem Sommer 2019, sondern höchstaktuell der massive Corona-Ausbruch und die ausbeuterischen Arbeitspraxen in seinem Schlachtbetrieb im westfälischen Rheda-Wiedenbrück. Der Druck – auch vonseiten der Politik – wurde zu groß auf den Fleisch-Milliardär: Er verabschiedete sich nach insgesamt über 25 Jahren in leitender Funktion vom Berger Feld.

Toporzysek legte Amt auf Schalke wegen Tönnies nieder

Toporzysek zog bereits im September 2019 für sich Konsequenzen aus dem laxen Umgang Schalkes mit Tönnies: Nachdem der gemeinhin "Schalke-Boss" gerufene Unternehmer mit einer selbstgewählten dreimonatigen Auszeit mit seinem menschenverachtenden Afrika-Aussagen davonkam, legte die Richterin ihr gerade erst angetretenes Amt im Schalker Ehrenrat nieder. In einem kurz darauf veröffentlichten Interview mit dem Fußballmagazin "11Freunde" erklärte sie ihren Schritt damit, dass Schalke 04 sich "den Interessen von Clemens Tönnies" beuge.

Im Gespräch mit t-online.de, keine 30 Minuten nach dem vom Klub bestätigten Tönnies-Abschied, schlägt Toporzysek versöhnliche Töne an. "Menschlich tut er mir auch leid, weil er sich in einer persönlich sehr schwierigen Situation befindet. Die Probleme in seinem Unternehmen, die Probleme auf Schalke, die Fanproteste gegen ihn – das geht auch an ihm nicht spurlos vorbei", ist sie sich sicher. Man müsse Tönnies und den verbliebenen Mitgliedern des Aufsichtsrats Respekt für ihre Entscheidung aussprechen. Mit dem Schritt gerechnet hat Toporzysek jedoch nicht: "Mein Bild von ihm ist ganz stark geprägt von seiner Außendarstellung und seinem Selbstverständnis. Mit Klaus Fischer und Gerhard Rehberg (Ex-Vorstandschef, Anm. d. Red.) haben sich in den vergangenen Tagen zwei Ur-Schalker zu ihm geäußert. Da hieß es auch, 'Ein Clemens Tönnies stellt sich Problemen, das ist ein Kämpfer.'“ Sie schätzt, der Druck auf seine Person in den vergangenen Wochen sei schlichtweg zu groß für Tönnies geworden. Die Reaktion war sein Rücktritt.


Doch wie geht es nun ohne Tönnies für Schalke weiter? Zunächst einmal haben sich die verbliebenen Aufsichtsräte auf Jens Buchta, Tönnies' bisherigen Stellvertreter, als Vorsitzenden geeinigt. Eine naheliegende Wahl, aber auch eine mit vielen Fragezeichen. Insbesondere eine Frage beschäftigt dabei die Schalker Fanseele: Kann ein Mann, der jahrelang mit Tönnies zusammengearbeitet hat, das Gesicht eines vereinsinternen Wechsels werden? Toporzysek ist skeptisch – und wünscht sich nun vor allem, dass der Klub nun zum Verschnaufen kommt.

Ohne Tönnies gehen auf Schalke nicht die Lichter aus

"Wir sind alle so dermaßen erschöpft von den vergangenen Jahren und insbesondere diesen intensiven Wochen, dass wir nur eins wollen: Ruhe. Da wäre an der Spitze des Aufsichtsrats und somit der Außendarstellung des Vereins ein besonnener, sachorientierter Mensch die beste Lösung", sagt Toporzysek. Das, so findet sie, "würde einen Kontrapunkt zur herausragenden Stellung setzen, die Clemens Tönnies in den vergangenen Jahren auf Schalke einnahm." Sorgen, ohne Tönnies gingen bald auf Schalke die Lichter aus, entkräftet Toporzysek derweil: "Wir haben immer noch funktionierende Strukturen. Zwei von drei Vorstandsplätzen sind besetzt, der Aufsichtsrat ist mit erfahrenen Personen bestückt. Da mache ich mir überhaupt keine Sorgen um Schalke."

Dennoch erhofft sich die Kurzzeit-Funktionärin, dass der Abschied Tönnies' eine Aufbruchsstimmung in den Verein transportiert, die zu einem Schulterschluss zwischen Gremien und Fans führen könnte. Es sei an der Zeit, tiefe Gräben zuzuschütten, betont sie. Doch ein radikaler Umbruch, wie ihn sich viele königsblaue Anhänger nun wünschen, sei schwierig einzuleiten, erklärt Toporzysek mit Blick auf die Vereinsstatuten: "Die Bewerbungsfrist für die diesjährige Mitgliederversammlung ist abgelaufen. Da kann nun niemand mehr mit einer spontanen Bewerbung nachrücken. Nur die Bewerber, die form- und fristgerecht ihre Unterlagen dem Wahlausschuss eingereicht haben, können bei einer möglichen Mitgliederversammlung ins Gremium gewählt werden."

Anders gestalte es sich, sollte die Mitgliedsversammlung in diesem Jahr coronabedingt abgesagt werden, führt sie weiter aus. "Dann gäbe es zum kommenden Jahr eine neue Bewerbungsfrist und damit einhergehend eine Chance für neue Kandidaten."

Hans Sarpei als Aufsichtsrat? "Er steht für die Schalker Werte"

Einer dieser Kandidaten könnte Hans Sarpei sein. Der Ex-Profi, der 2010 von Bayer Leverkusen zu Schalke wechselte und 2012 dort seine aktive Karriere beendete, gab im Februar seine Bewerbung um einen Posten im Aufsichtsrat bekannt. Er wolle, seine "Erfahrung im Fußball als Deutscher mit Migrationshintergrund" in den Verein einbringen, erklärte der frühere Nationalspieler Ghanas bei Twitter – und schoss bereits damals damit eine Spitze in Richtung Tönnies und des Systems des Schweigens in den Schalker Gremien.

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Toporzysek rechnet Sarpei gute Chancen aus, bei der nächsten Mitgliederversammlung in den Aufsichtsrat gewählt zu werden: "Weil er empathisch ist und das sportliche Know-How mitbringt. Überdies steht er für die Schalker Werte und ist generell wahnsinnig bekannt." Der frühere Verteidiger könne als Integrationsfigur dazu beitragen, die von vielen Schalkern empfundene Distanz zwischen Gremienmitgliedern und Fans zu verringern, ist sich Toporzysek sicher.

Vielleicht ist gerade deshalb Sarpei das Gesicht, das für eine neue Schalker Zukunft stehen könnte. Fernab von patriarchalen Strukturen und Seilschaften. Für einen integralen Austausch auf Augenhöhe. Das zumindest würde vielen Fans den Glauben daran zurückgeben, dass die Mär vom "Kumpel- und Malocherverein" doch mehr als nur ein Marketingslogan ist.

Verwendete Quellen
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