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DFB-Pokal: "Das sichert die Zukunft" – Kaiserslautern-Experte im Interview


Lautern will die Pokalüberraschung
"Die Begeisterung ist unglaublich"

  • David Digili
InterviewVon David Digili

25.05.2024Lesedauer: 6 Min.
Interview
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Intensiv: Die Lauterer beim Torjubel. Der Klub musste lange um den Klassenerhalt zittern.Vergrößern des Bildes
Intensiv: Die Lauterer beim Torjubel. Der Klub musste lange um den Klassenerhalt zittern. (Quelle: IMAGO/wolfstone-photo/imago-images-bilder)

Lautern steht zum ersten Mal seit über 20 Jahren in einem großen Finale. Nach turbulenten Jahren scheint es wieder aufwärtszugehen, erklärt Klub-Kenner Andreas Erb – und erklärt, was sich verändert hat am Betzenberg.

Die Pfalz steht kopf: Der 1. FC Kaiserslautern steht an diesem Samstag im DFB-Pokalfinale gegen Bayer Leverkusen (ab 20:30 Uhr im Liveticker bei t-online) und hat gegen den neuen Deutschen Meister die Chance auf einen großen Titel – für den krisengeschüttelten Zweitligisten eine Abkehr vom harten Alltag.

Denn in der abgelaufenen Saison konnten die Pfälzer den Abstieg aus der 2. Bundesliga nur knapp verhindern. Gleich zweimal wurde der Trainer ausgewechselt, erst musste im vergangenen November Dirk Schuster gehen, dessen Nachfolger Dimitrios Grammozis schaffte sogar nur knappe drei Monate, ehe letztlich Trainer-Urgestein Friedhelm Funkel übernahm. Der 70-Jährige, der seine Karriere eigentlich schon beendet hatte, schaffte mit den "Roten Teufeln" auf den letzten Drücker den Klassenerhalt – und den sensationellen Durchmarsch ins DFB-Pokalfinale. Trotzdem bestimmen am Betzenberg weiter auch viele Nebenkriegsschauplätze das Geschehen – von internen Querelen bis hin zur seit Jahren prekären finanziellen Situation.

Einer, der den Klub intensiv verfolgt, ist Andreas Erb. Der Journalist, der bereits in der Vergangenheit langjährige Misswirtschaft beim Klub aufdeckte, beschäftigt sich seit 15 Jahren mit dem viermaligen deutschen Meister, der sich so nach einer Rückkehr zu großen Zeiten sehnt. Am 31. Mai erscheint sein neues Buch "Betze extrem: Das Auf und Ab des 1. FC Kaiserslautern" über den Überlebenskampf des FCK seit dem bitteren Abstieg in die 3. Liga 2018. Im Interview mit t-online spricht er über Streitigkeiten in der Führungsetage, positive Signale – und einen genialen Schachzug des Klubs.

t-online: Herr Erb, schafft der 1. FC Kaiserslautern heute Abend die Pokalsensation gegen Bayer Leverkusen?

Andreas Erb: Warum nicht? Natürlich sind die Kräfteverhältnisse klar verteilt. Doch der Pokal hat – Sie verzeihen die Phrase – seine eigenen Gesetze. Und wer hätte zuvor gedacht, dass der FCK am 17. März 1982 gegen das übermächtige Real Madrid 5:0 gewinnt (im Viertelfinal-Rückspiel des Uefa Cups, Anm. d. Red.)? Damals schoss übrigens der heutige Trainer Friedhelm Funkel zwei Tore. Vielleicht ist ja der 25. Mai 2024 ebenfalls ein Tag für die FCK-Geschichtsbücher. Es wäre auch für Funkel ein furioser Schlussakkord seiner erfolgreichen Trainerkarriere. Und ich persönlich habe um ein Bier gewettet, dass es klappt (lacht).

Zum ersten Mal seit 2003 steht der FCK wieder im DFB-Pokalfinale. Was bedeutet das Spiel für die Lauterer?

Das Finalspiel bringt eine ungeheure Vorfreude mit sich – für den FCK und seine Anhänger. Die ganze Pfalz ist im Fußballfieber. Tausende Fans reisen nach Berlin oder verfolgen das Spiel beim Public Viewing in der Kaiserslauterer Innenstadt. Für die Roten Teufel bietet sich nach den vier deutschen Meisterschaften sowie den zwei Pokalsiegen nach über 25 Jahren die neue Chance auf einen nationalen Titel.

Lautern wartet seit 1998 auf einen neuerlichen großen Erfolg, hatte jahrelang zu kämpfen. Auch in der abgelaufenen Saison ging es lange gegen den Abstieg aus der 2. Bundesliga …

Auch deshalb ist das Finale nun ein Glanzpunkt abseits vom Zweitligaalltag – erst recht nach all den Turbulenzen der vergangenen Jahre.

Sie sprechen die schweren Zeiten an, aus denen sich der Klub noch immer nicht komplett befreit hat …

Nicht nur bedingt durch den Abstieg in die 3. Liga 2018, aber dadurch entscheidend zugespitzt, kämpft der FCK seit Jahren um sein wirtschaftliches Überleben. Er durchlebte existenziell bedrohliche Zeiten, in denen Funktionäre öffentlich Streitigkeiten austrugen.

Worum ging es in diesen Streitigkeiten?

Vor allem um die Zukunftsausrichtung des Klubs hinsichtlich des Einstiegs von Investoren gab es immer wieder Schlammschlachten. Polternde Rücktritte prägten das Außenbild des Klubs. Nachdem der ehemalige Weltschiedsrichter Markus Merk als Aufsichtsrat 2019 Verantwortung im Verein übernommen hatte (Merk wurde stellvertretender Vorsitzender und Sprecher des Aufsichtsrats, Anm. d. Red.), spitzte sich in der Corona-Krise die Situation dann weiter zu. 2020 schließlich musste die Kapitalgesellschaft, in die die Profiabteilung ausgegliedert ist, Insolvenz anmelden – natürlich begleitet von medialem Bohei und neuen Querelen.

Merk trat schon im Dezember 2021 wieder zurück. Was hat sich in den vergangenen Jahren getan?

Positives. Das Durchlaufen der Insolvenz, das damit verbundene Abschütteln von Verbindlichkeiten in Höhe von rund 25 Millionen Euro und der darauf folgende Einstieg einer regionalen Investorengruppe geben dem Klub eine neue Aussicht.

2022 schaffte man die Rückkehr in die 2. Bundesliga.

Richtig, das ist ebenfalls ein wichtiger Faktor – sowohl für die sportliche Perspektive als auch für das finanzielle Fundament. Denn mit Verbleib in der Zweiten Liga partizipiert der FCK am TV-Geld-Topf der DFL. Die Ausschüttungen hier sind ungleich höher als in der 3. Liga. Zum Vergleich: Im Zweitligajahr 2022/23 schrieb die Kapitalgesellschaft einen Umsatz von 43,5 Millionen Euro mit einer "schwarzen Null" und sogar einem Plus von 160.000 Euro. Im Jahr zuvor – in der 3. Liga – waren es nur rund 16 Millionen Euro. Die Zahl der Mitglieder ist dazu von rund 16.400 im Jahr 2020 auf heute knapp 30.000 rasant gewachsen. Dieser immense Zuspruch sichert dem Verein die Zukunft.

Wie erklären Sie diesen enormen Anstieg in so kurzer Zeit?

Trotz aller Widrigkeiten hat der Klub noch immer eine unglaubliche Strahlkraft. Die Menschen in der Region und auch darüber hinaus sind dem FCK weiter treu und wollen ihm helfen. Und dann kam noch ein glücklicher Umstand hinzu, mit dem man gar nicht gerechnet hatte.

Was meinen Sie genau?

Der Aufstieg in die 2. Liga 2022 war so gar nicht eingeplant, es passte aber wunderbar, da zeitgleich von der Vereinsführung eine Mitgliederkampagne gestartet wurde, die voll einschlug. Auf allen Kanälen wird für den FCK die Werbetrommel gerührt – und das mit Erfolg, bis heute. Diese Kampagne läuft immer noch, und man hat sich jetzt auch wieder neue, höhere Ziele gesetzt. Nun visiert man sogar 45.000 Mitglieder an. Und noch etwas zur Begeisterung für den Klub …

Ja?

Oft wird gesagt, das Fritz-Walter-Stadion, das ja im Zuge der WM 2006 ausgebaut wurde, sei mit nun 50.000 Plätzen zu groß für Kaiserslautern. Aber wenn Sie dann auf Lauterns Zuschauerschnitt aus der abgelaufenen Spielzeit schauen: knapp 44.000 Zuschauer bei jedem Heimspiel.

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Nur drei Zweitligaklubs (Schalke, der HSV und Hertha) hatten einen höheren Schnitt.

Nicht nur das, dieser Schnitt würde auch einigen Bundesligisten gut zu Gesicht stehen. Da sehen Sie doch das Potenzial, das in diesem Verein steckt. Die Begeisterung für den Fußball ist in der Region unglaublich. Auf diese Weise kann der Verein über die gleichzeitig steigenden Mitgliedsbeiträge seine Verbindlichkeiten, die auch durch die Insolvenz auf ihn durchgeschlagen sind, in kleinen Schritten abtragen und sich weiter entschulden.

Welche Rolle spielt da der Einzug ins Pokalfinale?

Eine nicht zu unterschätzende – eben nicht nur aus sportlicher Sicht. Denn auch wenn der Klassenerhalt in der 2. Liga für die mittel- bis langfristige Finanzstabilität wesentlich ist: Allein die Prämienausschüttung des DFB bedeutet für den FCK durch das Weiterkommen bis ins Finale Einnahmen in einer Größenordnung von mehr als neun Millionen Euro. Das ist ebenfalls bedeutsam, weil dadurch der externe Kapitalbedarf der KG sinkt. Ganz davon zu schweigen, wenn Lautern das Pokalfinale tatsächlich gewinnen würde. Dann würde man sich für die Europa League qualifizieren, wodurch weitere Millionen aus dem Prämientopf der Uefa hinzukämen.

Mit diesen Faktoren im Hinterkopf: Wie stabil ist das Gebilde 1. FC Kaiserslautern im Jahr 2024 also?

Gute Frage. Mit dem Pokalfinale endet ja die Zeit von Friedhelm Funkel beim Klub. Das heißt, man muss sich auf der Trainerposition neu ausrichten. Da müssen unbedingt die Weichen gestellt werden, auch mit einem neuen Kader, in dem es ebenfalls Veränderungen geben wird, um die eigenen Ziele weiterverfolgen zu können.

Die da wären?

Man will und muss sich in der 2. Bundesliga wieder etablieren – um dann eher nach oben zu schauen als nach unten. Mittelfristig will man fest zum oberen Mittelfeld gehören – und dann perspektivisch auch in Richtung Bundesliga schauen. Es wäre vermessen, für die kommende Saison nur den Klassenerhalt als Ziel auszugeben. Denn mit den angesprochenen Zusatzeinnahmen muss der Kader so aufgestellt werden, dass man mit dem Abstieg nichts zu tun hat. Schon ein zweistelliger Tabellenplatz wäre eigentlich enttäuschend.

Verwendete Quellen
  • Telefonisches Interview mit Andreas Erb
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