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Frauen-Bundesliga: Carl Zeiss Jena – Klub ohne Profis


Bundesligist ohne Geld?
"Halten die Fahnenstange hoch"


11.05.2025 - 09:29 UhrLesedauer: 5 Min.
Merza Julević: Jena verlor zuletzt knapp gegen die Bayern 0:1.Vergrößern des Bildes
Merza Julević: Jena verlor zuletzt knapp gegen die Bayern mit 0:1. (Quelle: IMAGO/Oliver Mueller)
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Mit Carl Zeiss Jena misst sich ein Team in der Bundesliga mit den Schwergewichten Bayern und Wolfsburg. Dabei ist der Klub noch lange nicht etabliert.

"Das Spiel zuhause gegen Hoffenheim (II, Anm. d. Red.) war wie ein Finale." So erinnert sich Luis Urbig, Torwarttrainer der Frauen von Carl Zeiss Jena, im Gespräch mit t-online an ein Schlüsselspiel seines Klubs zurück. Denn der wichtige 2:0-Sieg Ende Mai 2024 besiegelte den Aufstieg der Thüringerinnen. "Für das Nervenkostüm war das Spiel unangenehm. Für jeden Fußballromantiker kam dann aber das richtige Ende."

Vor knapp einem Jahr war das. Die Frauen des FC Carl Zeiss Jena kehrten nach nur zwei Spielzeiten ins deutsche Oberhaus zurück, waren also bereit, sich wieder mit dem FC Bayern, Eintracht Frankfurt, VfL Wolfsburg und Co. zu messen.

Urbig kennt die Mannschaft seit 2022, arbeitete bereits als Co-Trainer: "Ich komme mit den Spielerinnen super klar. Wir haben hier in Jena ein richtig schönes Arbeitsklima, es ist sehr familiär." Doch auch diese Vorzüge retteten den Klub nicht vor dem sportlichen Tief.

Denn in dieser Spielzeit mussten die Aufsteigerinnen bislang 15 Niederlagen einstecken. Sie stehen vor dem Saisonfinale nur auf dem vorletzten Rang. Der Klassenerhalt ist dennoch geschafft, trotz vieler Herausforderungen – und stellt die Mannschaft auf die kommenden Wochen ein.

Profis? "Bei uns sind sie Vertragsspielerinnen"

Am letzten Spieltag geht es nun erneut gegen die TSG Hoffenheim. Jenas Sportdirektorin Isabelle Knipp freut sich auf das "Wiedersehen" mit dem aktuellen Tabellensechsten: "Hoffenheim ist in einer guten Verfassung. Das wird nicht so leicht", sagte sie im Gespräch mit t-online. Aber: "Grundsätzlich sind wir froh, dass es am Ende nichts mehr mit einem Nervenkitzel zu tun haben muss."

Und diese Leistung – trotz 15 Saisonniederlagen – hat Jena schließlich mit einem wesentlichen Unterschied zu den Topteams vollbracht: "Bei den großen Vereinen sind die Spielerinnen eben Vollprofis. Bei uns sind sie Vertragsspielerinnen", sagt Urbig. Soll heißen: Viele gehen noch zur Schule, studieren oder arbeiten nebenbei. "Wir haben Lehrerinnen, Janning (Jasmin Janning, Anm. d. Red.) studiert Medizin, Woldmann (Nicole Woldmann) ebenso", erklärt Urbig weiter. Jena stellt mit einem Durchschnittsalter von 22,8 Jahren auch den jüngsten Kader der Frauen-Bundesliga.

Da müsse man aufpassen, Arbeit und Training in einem ausgewogenen Verhältnis zu gestalten – aber "das machen wir viel hier, dass wir auf den Gesamtload der Mädels gucken", so Urbig. Um die Spielerinnen etwa in Prüfungsphasen oder während der Periode zu unterstützen, hat Jena einen sogenannten "Frauentag" eingeführt. "Er ist dafür geschaffen worden, wenn die Spielerinnen sagen: 'Es geht heute nicht.' Da werden dann auch keine Fragen gestellt."

Finanzierung ohne Männer-Bundesligisten in der Hinterhand

Jena hat mit seinen Vertragsspielerinnen und dem jungen Personal mit ganz anderen Herausforderungen zu kämpfen als etwa die großen Klubs – auch finanziellen. Mit einem Durchschnitt von rund 1.083 Zuschauern pro Heimspiel liegt Jena nur auf dem zehnten Rang in der Liga. Zum Vergleich: Eintracht Frankfurt oder der 1. FC Köln genießen mit jeweils über 5.000 Fans mehr Zuspruch auf der Tribüne. Dass Jena derzeit keine Männer-Mannschaft im Profifußball hat, kommt erschwerend hinzu. Fehlende Einnahmen müssen also anders kompensiert werden.

Sportdirektorin Knipp spricht offen über die finanzielle Lage in Jena: "Es ist wie für alle erst mal der Zentralerlös, der vom DFB gestellt wird. Der ist im sechsstelligen Bereich recht hoch." Hinzu kämen Sponsoringeinnahmen, "die bei uns jetzt auch im sechsstelligen Bereich sind. Insofern kommen wir zwar irgendwo der Million nahe. Allerdings ist es im Grunde dann auch nicht viel mehr, was uns zur Verfügung steht."

Spiele

Denn auch die Querfinanzierung, die normalerweise zwischen den Abteilungen in einem Verein stattfindet, läuft in Jena anders als bei der Konkurrenz: "Die fehlt in unserer Richtung, aber sie geschieht woanders. Insofern halten wir die Fahnenstange derzeit hoch." Knipp erklärt auch, dass "einige Türen inzwischen aufgehen und sich finanziell verstärkte Möglichkeiten bieten." Die heutige Sportdirektorin spielte einst selbst, damals noch beim FF USV Jena. Die Frauenabteilung tue dem Verein so weit gut, es gehe aber auch darum, "organisch weiterzuwachsen, vernünftig auch markentechnisch alles aufzubauen".

Vollzeitspielerinnen? "Will ich infrage stellen"

Der Ausbau mit Blick auf diese Einnahmen sei dem Bundesligisten inzwischen "ein Stück weit gegeben und wird uns auch weiter versprochen sein", zeigt sich Knipp positiv gestimmt. Dazu kommt: Der Verein arbeitet profitabel. "Es gibt Auflagen, die das Funktionsteam betreffen – und da bieten sich Möglichkeiten über Kooperationen", erklärt Knipp. Egal, ob Mannschaftsarzt, Physiotherapeut oder Athletiktrainer – das Jahresgehalt liege hier "vielmehr beim Kooperationspartner. Dadurch sind wir finanziell sehr gut aufgestellt." Knipp sagt verlegen: "Da 'schummeln' wir einfach."

Aber: "Die Sphären, zu sagen, wir schaffen es, 10, 15 Mädels Vollzeit anzustellen, haben wir noch nicht erreicht. Ob das in Jena jemals passiert, will ich infrage stellen. Der Wille ist da, aber wir wissen auch, dass es damit steht und fällt, wie lange wir uns noch in der Bundesliga halten können." Es werde nicht leichter, wenn finanzstarke Klubs wie Union Berlin, Borussia Dortmund oder der 1. FC Nürnberg nachrücken.

Frauen-Bundesliga untersteht dem DFB – der "hat kein Geld"

Sportmoderatorin und Ex-Profispielerin Lena Cassel verfolgt neben der Männer-Bundesliga auch den Frauenfußball. So äußerte sich die 30-Jährige am Rande eines Interviews – und macht den finanziellen Unterschied vor allem an einem Punkt fest: "Ein großer Aspekt ist, dass die Bundesliga der Frauen immer noch dem DFB unterstellt ist", sagte sie. Der DFB habe kein Geld – "und wird kein Geld investieren." Der Männerfußball hingegen untersteht der Deutschen Fußball Liga (DFL): "Dort sind ganz andere Vermarktungsmöglichkeiten und Budget-Töpfe möglich." Es sei daher zwingend notwendig, sich vom DFB abzunabeln, um mehr Geld zu generieren, so Cassel weiter.

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Bevor es aber um gleiche Bezahlung gehe, müssten zunächst die Rahmenbedingungen verändert werden, forderte Cassel weiter. "Es ist gerade für Vereine wie Carl Zeiss Jena extrem wichtig, dass wir in der Breite in Deutschland vernünftige Bedingungen haben." Umso schwerer wiege die Aufstockung der Frauen-Bundesliga. Erstmals steigt nur ein Klub ins deutsche Unterhaus ab, drei Mannschaften aus der 2. Bundesliga gehen hoch.

Die einstige Spitzenmannschaft Turbine Potsdam bildet mit nur einem Punkt das Schlusslicht, Union Berlin, der 1. FC Nürnberg und der Hamburger SV werden in der kommenden Saison in der Bundesliga spielen. Cassel hält wenig davon: "Das ist eine Wettbewerbsverzerrung – und wird sich verstärken, wenn mehr Vereine in die erste Liga kommen, die noch eben nicht die Infrastruktur und Investitionen haben, um mitzuhalten."

Auch die Attraktivität werde dadurch geschmälert, "weil teilweise schon vor Begegnungen klar ist, wie sie ausgehen werden." Daher legte sich Cassel fest: "Die Aufstockung ist viel zu früh – und ich halte sie für einen Fehler." Denn selbst finanzstarke Klubs, die in die höchste Spielklasse Deutschlands aufsteigen, stehen vor einem großen Niveauunterschied.

Jena genießt ein Jahr Vorsprung

Luis Urbig, Bruder von Bayern-Torhüter Jonas Urbig, betonte: "Der Sprung zwischen den Ligen ist noch mal extremer als im Männerbereich." In der vergangenen Spielzeit sei beispielsweise Jena die Mannschaft gewesen, "die den Ball hatte und trotzdem einen direkten und schnellen Weg in Richtung Tor gefunden hatte." Doch in diesem Jahr habe sich Jena anpassen müssen: "Plötzlich mehr verteidigen, weil uns die Gegner physisch überlegen sind", so Urbig.

 
 
 
 
 
 
 

Jenas Sportdirektorin Isabelle Knipp sieht vor allem darin einen Bonus: "Was unser Vorteil ist und worauf wir auch hoffen und setzen wollen: Wir haben ein Jahr Vorsprung." Die Mannschaft werde voraussichtlich größtenteils zusammenbleiben und habe "eine Eingewöhnungsphase in dieser starken Liga schon hinter sich. Da müssen andere Teams, die aufsteigen, erst noch durch."

Umso mehr hält der Klub an seiner Philosophie fest: Der FC bietet besonders für junge Spielerinnen ein sogenanntes Sprungbrett, um Erfahrung auf hohem Niveau zu sammeln und den nächsten Schritt zu forcieren. Knipp sagte: "Wir wissen, dass wir eine gewisse Parallele für den Moment bieten. Das nehmen wir aber auch wohlwollend an und können damit gut umgehen."

Verwendete Quellen
  • Telefongespräch mit Isabelle Knipp und Luis Urbig
  • Interview mit Lena Cassel

Quellen anzeigenSymbolbild nach unten

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